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Ausgabe:

1912 Nr. 24

Spalte:

753-756

Autor/Hrsg.:

Curnock, Nehemiah (Ed.)

Titel/Untertitel:

The Journal of the Rev. John Wesley. Standard Edition. Tom. I and II 1912

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 24.

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Eine Kritik diefer Theologie kann hier meine Aufgabe
nicht fein, nur möchte ich herausheben, daß das Schillernde
und Unklare diefer Richtung bei Gl. geradezu frappant
in die Erfcheinung tritt. Sich auf Seeberg berufend,
behauptet Gl. eine Unveränderlichkeit der .Urfubftanz
des Dogmas', diefe Urfubftanz hat in der Kirchenlehre,
dem kirchlichen Dogma, einen .ftabilen, ftarren Charakter
angenommen und wiederum eine gewiffe Objektivität
erlangt'; es muß jedoch diefe Objektivität des
kirchlichen Dogmas .interpretiert' und in das jeweilige
Geiftesleben übergeführt werden. Es handelt fich dabei
aber immer nur um eine formale Entwicklung, der
Inhalt des Dogmas fteht unerfchütterlich feft. ,Und fo
geht das Dogma, das alte Gewand ablegend, mit einem
neuen fich fchmückend, immer wachfend und fich erneuernd
und doch in der Tiefe feines Wefens und in der
Höhe feines Wertes fich ewig gleichbleibend, durch die
Jahrhunderte religiös-kirchlichen Lebens und theologifcher
Arbeit dahin, immer mehr der höchften Symmetrie und
innigften Harmonie zwifchen Inhalt und Form fich
nähernd, bis es am Ziele der Entwicklung diefe Form
abftreift,' weil fein Inhalt Leben, ewiges Leben geworden
ift'. Das ift ein geradezu toller Wuft von Unklarheiten.
Was ift denn überhaupt die .Urfubftanz' des Dogmas?
Ift es in der Chriftologie z. B. die Idee der Gottmenfch-
heit? Darunter würde auch Biedermanns Chriftologie
Platz finden, was aber Gl. fchwerlich zugeftehen würde.
Er objektiviert ja fofort die .Urfubftanz' zu der kirchlich
fanktionierten Form — wobei fofort zu fragen
wäre, warum denn diefe Form zur einzig berechtigten
wird? Sie wird ja fo allein berechtigt, daß fie nicht mehr
Form der Urfubftanz bleibt, fondern unveränderlicher
Inhalt, der nur temporum ratione habita verfchieden
.interpretiert' wird. Alteriert aber nicht diefe .Interpretation
' oft genug den Inhalt? Wie es bei Gl. fteht,
weiß ich nicht, bei Seeberg ift es ganz ficher der Fall,
und nur die gewagteften dialektifchen Kunftftücke bringen
es fertig, den Schein einer .Interpretation' des kirchlichen
Dogmas feftzuhalten, wo tatfächlich etwas ganz Anderes
gemeint ift. M. E. wäre es ehrlicher, auf folche Kunft-
ftückchen zu verzichten und offen zu fagen, daß man
den Boden des kirchlichen Dogmas verlaffen hat. Der
Verlauf der Tagung des .Allgemeinen pofitiven Verbandes
' mit der hochintereffanten Interpellation der Gelehrten
durch den fchlichten Laienverftand läßt uns
hoffen, daß aus dem Kreife der Pofitiven felbft jene
Maske heruntergeriffen werden wird. Einftweilen freilich
wird fie noch feftgehalten, nicht zum wenigften durch die
Gunft der Regierung, der fie fich gerade um ihres
Schillerns willen empfiehlt. Gl. fchreibt zwar: ,Die Kirche
muß und wird jedem ihre Zuftimmung bezeugen, der
ihre Lehre vor einem Rückfall in m. a. Scholaftik bewahrt
und eine Erftarrung des religiöfen Lebens verhindert'
(S. 30). Wirklich jedem'? Wie gut hätten wirs dann!
Denn wollen wir etwas Anderes?!

Zürich. Walther Köhler.

The Journal of theRev. John Wesley, A. M., sometime Fellow
of Lincoln College, Oxford, enlarged from original
MSS, with notes from unpublished Diaries, annotations,
maps and illustrations, edited by Nehemiah Curnock,
assisted by experts. Standard Edition. Tom. I and
II. gr. 80.

I. (XIV, 484 S.) London, R. CuIIey (s. a., Vorrede vom Oktober
1909). — II. (VIII, 536 S.) London, Ch. H. Kelly (s. a.)
Diefe auf 6 Bände berechnete .Standard-Ausgabe' von
John Wesley's Journal verdient die Beachtung all derer,
die fich für neuere Kirchengefchichte und Konfeffions-
kunde intereffieren.

.AnExtract oftheRev.John Wesley's Journal, from ...
to . ..' fo lautet der Titel der 21 von John Wesley felbft

in der Zeit von 1739 bis 1790 publizierten Teile feines
Journals, das in allen fpäteren Ausgaben der Werke Wes-
leys nach jenen erften Teildrucken nachgedruckt wurde.
Schon der Titel der erften Drucke zeigt, daß reichhaltigere

j Aufzeichnungen hinter diefen .Extracts' flehen; und fchon
Tyermans Wesley-Biographie (3vols, London 1870—71)
konnte einige diefer urfprünglicheren Quellen benutzen.
Aber erft in diefer neuen Ausgabe des Journals wird dies
inzwifchen vollftändiger wieder aufgefundene Material dem

I allgemeinen Gebrauche überfehbar und zugänglich.

j John Wesley (geb. 17. Juni 1703) hat in feinem 22.
Jahre, wenige Monate vor feiner Ordination (19. Sept. 1725),
am 5. April 1725, begonnen, ein Tagebuch (Diary) zu
führen, und hat diefe Rechenfchaftsablegung vom Gebrauch
feiner Tage und Stunden fortgefetzt bis zum 24.
Februar 1791, d. h. bis fechs Tage vor feinem am 2. März

I 1791 erfolgten Tode. Diefe Diaries, in kleinen Duodez-

1 bänden gefchrieben, find zu einem Teile wieder gefunden:
aus der Zeit zwifchen dem 5. April 1725 und dem 22.

j April 1734 fehlt nur das Tagebuch für zwei Jahre (20. Februar
1727 bis 29. April 1729); dann laffen verlorene
Bändchen, deren eines (7. Sept. 1734 bis 8. Februar 1735)
erft in neuerer Zeit abhanden gekommen ift, 1 i/2 Jahre

I (23. April 1734 bis 16. Oktober 1735) für uns ohne Tagebuch
-Bericht; aber für die zwei nächften Jahre (17. Oktober

1735 bis 31. Auguft 1737), welche Wesleys Aufenthalt in
in der nordamerikanifchen Kolonie Georgia (5. Februar

1736 bis 22. Dezember 1737) faft ganz einfchließen, liegt in
drei Bändchen wiederum das Tagebuch vor, während
von den Aufzeichnungen der übrigen 53 '/2 Lebensjahre
Wesleys außer Fragmenten für die Zeit vom April 1738
bis 1739 nur die Tagebücher für knapp drei Jahre (15.
Oktober 1739 bis 8. Auguft 1741 und 25. Februar 1790
bis 24. Februar 1791) bis jetzt wiedergefunden find. Von
den 66 Jahren, die Wesley mit feinen Tagebuch-Notizen
begleitet hat, find es fomit freilich nur etwa 12, für die man
noch heute Wesleys Diary befitzt. Aber diefe 12 Jahre
umfaffen die Zeit feines Werdens und laffen für das ganze
Journal die Eigenart der Aufzeichnungen erkennen, die
ihm letzlich zugrunde liegen. Es find ganz kurze, zumeift
nur Stichworte für die Erinnerung bietende Notizen, die

| Wesleys Tun (einfchließlich feines Betens), feine Erlebniffe
und Stimmungen Tag für Tag, ja bald Stunde um Stunde,
buchen und im wefentlichen, wenigftens foweit die Tage
in Betracht kommen, gleichzeitig find. Diefe Aufzeichnungen
, die teils mit unglaublichften Abkürzungen, teils
in einer von Wesley erdachten Chiffrefchrift, teils unter
Verwendung eines längft veralteten ftenographifchen
Syftems gefchrieben find, bilden einen Teil des neuen
Materials, das diefe Standard-Ausgabe des Wesleyfchen
Journals verwendet hat; und man muß die Energie, die
Ausdauer und die Geduld des Herausgebers bewundern,
durch welche die Verwertung diefer rätfelvollen Diaries
möglich geworden ift.

Auf Grund diefer Diaries, und von feiner Erinnerung
unterftützt, hat Wesley fein Journal gefchrieben; und
wenigftens für manche Perioden feines Lebens — das
Ganze zu überfehen, fehlt das Material — ift es zweifellos
, daß dies Journal ausführlicher war, als die publizierten
.Extracts'. Es hat dies Journal für einzelne Abfchnitte
des Lebens Wesleys auch in verfchiedenen Formen exi-
ftiert, da Wesley feine Tagebuch-Notizen nicht nur für
fich oder für die Öffentlichkeit, fondern gelegentlich auch
zum Zweck privater oder amtlicher Berichterftattung ausarbeitete
. Für den erften von Wesley publizierten Ex-
tract (14. Oktober 1735—31. Januar 1737) zählt die Vorrede
der neuen Standard-Ausgabe vier Parallel-Verfionen
auf, deren intereffantefte, anfcheinend einft für Wesleys
Mutter gefchriebene, inbezug auf Wesleys tragikomifche
Liebesgefchichte in Georgia viel neues Material bringt.

Für den zweiten Extract liegt gar kein MS vor
(Preface p. VII); für den dritten bis fünften, in deffen
Anfang (April 1742) der zweite Band der neuen Ausgabe