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Ausgabe:

1912 Nr. 24

Spalte:

745-747

Autor/Hrsg.:

Puech, Aimé

Titel/Untertitel:

Les Apologistes grec du IIe Siècle de notre Ère 1912

Rezensent:

Geffcken, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 24.

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Thora indes wird von ihm ausgeschaltet. Die Profelyten
der Diafpora fallen ihm zu. Die Miffion des Judentums
aber erlahmt nicht, und fo ftreiten Paulus und feine
Feinde, Söhne einer Mutter, um die Heidenwelt, um fie

ebenfalls herangezogen wird, des Tatian, des Athenagoras
in feinen beiden Werken, des Theophilos und endlich
der apokryphen oder anonymen Schriften, der Oratio
ad Graecos, der cohortatio, des Briefes an Diognet, der

entweder für das alte oder für ein nach Chriftus ge- Schrift de monarchia, de resurrectione, der Apologie des
nanntes Judentum zu gewinnen. Die groben Kataftro- I Mehton und der irrisio des Hermias, die alle noch dem
phen des Judenvolkes machen aber feiner Propaganda ! zweiten Jahrhundert zugefchrieben werden. Die conclusion

ein Ende.

Der Hauptfehler in der Anlage des Buches ift der,
daß K., wie andere jüdifche Gelehrte, in der Darftellung
des älteften Chriftentums nur das Judentum fieht, und
das Griechentum gar nicht in Betracht zieht. Er berücksichtigt
nicht die Starke Einwirkung des Griechentums
auf das Judentum, feine HumaniSierung durch den
Hellenismus. Auch wird im Judentum alles viel zu Sehr
auf eine Fläche aufgetragen, So daß die Schatten und
die Perspektive zu Sehr verloren gehen. Recht unglücklich
ift das, was K. über die Predigt Jefu nach dem 4.
Ev. fagt; daß Jefus am Hüttenfeft zum erftenmal öffentlich
auftrat, Stimmt nicht; daß Seine Predigt Joh. 10, 30
eine Variation des Ani-we-hu ift, Stimmt ebensowenig;
daß JeSus mit Gott eins wird, indem er feine Werke im
Namen feines Vaters tut, ift eine ganz unmögliche Formulierung
der johanneifchen Chriftologie: der Sohn ift
von Anbeginn an der fiovoytvrjq und dem Vater wefens-

führt umfaffend das ganze Bild der Entwicklung vor, und
das Werk befchließen Anhänge über einzelne kleine
Fragen, aus denen ich die vierte appendice über eine
Strittige Stelle Tatians (cp. 1) und die fünfte über die
Bedeutung des Wortes orvEvfia bei den Apologeten des
zweiten Jahrhunderts als befonders lefenswert hervorheben
möchte. — Das ganze Buch ift außerordentlich erfreulich
; gleich fern von jeder aphoriftifchen wie auch fum-
marifchen Betrachtungsweife beruht es auf gründlicher
philologifcher Interpretation, wie u. a. jene eben genannte
glückliche Deutung der Tatianftelle bündig beweift. So
klar Sich der Forfcher über die fchriftftellerifche Unvoll-
kommenheit diefer Autoren ift, So wenig er in ihnen wirklich
hervorragende Geifter erkennen will, fo ftark und
tief ift doch feine Liebe für diefe Pfadbereiter der kommenden
Klaffiker der christlichen Literatur. Und fo
bekenne ich gern, daß ich über manche Punkte, durch
Puechs feine Polemik und treffende^ Gründe belehrt,

o-leich. Dfe Löfung der Frage nach der Sünde Jefu, ge- i anders zu denken begonnen habe. — Puechs Liebling ift
nauer'die nach dem Grunde feiner Verurteilung, die K. ! Juftin; ihm hat er außer den 100 Seiten Seines 4. Kapitels
«teichfam im Vorübergehen (S. 5 5 ff.) dahin beantworten j noch drei appendices gewidmet. Seine Charakteriftik
will daß Jefus wegen Läfterung = Ausfprechen des ! diefes Autors, deffen gedankliche und formale Unbeholfen-

' heit der Probleme noch nicht Herr wird, der aber das
große Verdienst befitzt, diefe zuerft aufgeworfen zu haben,
der ein Syftem zwar nicht gefchaffen, aber doch verfucht

Schern hammephorafch verurteilt worden fei, Scheint
mir auch nicht glücklich zu fein, iyco eliti in Mk 14, 16
kann doch nicht Überfetzung von Ani-we-hu fein, und
Joh. 10, 30 gehört nicht hierher. Die Art weiter, wie die
Antithefe Jefu zum Gefetz, die Entwicklung des Christentums
nach dem Tode Jefu behandelt wird, fordert Widerspruch
heraus. Kann man denn wirklich fagen, daß die
Urapoftel nach dem Tode Jefu keine andere als eine
menfchliche Verehrung ihres Plerrn kannten? Jüdifche
Quellen, auf denen K. wichtige Schlüfle aufbaut, die
Tanna debe Eliahu und die Orchoth Chajjim, Stammen
aus dem Mittelalter. — Unklar blieb mir auch, warum K.
gar keine Fühlung mit den Untersuchungen A. Seebergs
genommen hat, die Sich doch mit feinen Forschungen
vielfach berühren.

Aber alle diefe Einwendungen tun dem Werte des
Buches keinen zu großen Abbruch. Seine Bedeutung liegt
darin, daß eine große Menge von Material, das dem
üdifchen Gelehrten aus feiner ausgedehnten Kenntnis der
jrabbinifchen Literatur zu Gebote Steht, zufammengeftellt
ift man vergleiche einmal den Kommentar zur Did,
(S'. 184—238). Und darum Sind wir dem Verf. für Seine
Darbietung zu großem Danke verpflichtet,

hat, beftrebt, Monotheismus und die Anfchauung von der
Gottheit Chrifti zu vereinigen, der Sich grübelnd bemüht,
die edlen Heiden vor Chrifti Erfcheinen mit der neuen
Lehre in Verbindung zu fetzen, dies und vieles andere
(z. B. die Lehre vom Logos und Pneuma), was P. über
diefe äme genereuse (S. 144) ausführt, macht einen ansprechenden
Eindruck. Gleichwohl bin ich, ohne das
Gefamtbild beanftanden zu wollen, mit manchem hier
nicht einverstanden. Gerade Juttins Schöner Gedanke von
den Menfchen, die mit dem Logos vor Chriftus gelebt,
ift in letztem Grunde doch kaum das Ergebnis feines
eignen gereiften Nachdenkens, fondern ftoifchen Urfprungs;
die öntQfictTa dkrj&Eiag (ap. I. 44,10) erinnern an Senecas
semen virtutum (ep. 108,8) und an die ftoifche Anfchauung
, daß in den Religionen der ,Barbaren' fo manches
an griechifche Philofophie gemahne. Ferner halte ich eine
Kenntnis Piatons aus eigenster Lektüre nach wie vor
für unwahrscheinlich; ein einigermaßen gründlicher Lefer
des Philofophen hätte davon etwas deutlichere Zeichen
gegeben, als Juftin es tut. Der Philofophentitel war

damals leicht erworben; felbft ein Schriftsteller, der nur
Wien Rudolf Knopt. 1 pioriiegjen benutzte, konnte ihn unangefochten tragen.

- ——. ... mmM-m Ah ... ojipip de Auch die Dämonologie des Apologeten oder, um gleich

Puech, Prof. Aime: Les Apologistes grecs du II« biecie oe voUftändi zu reden_ der Apologeten überhaupt, fcheint
notre Ere (VII, 344 S.) 8°. Paris, Hachette & Cie. ^ njcht richtig beurteilt; diefe beruht faft ganz auf

fr- 7-SO hellenifcher Grundlage; fehlen doch auch bei den heid-
1912' , * Pntrin-itpr Aime Puech will uns in nifchen Griechen die Zeugniffe nicht, die die Opfer als

Der wohlbekannte ^^^^i^^^^ jySmonttVW^k bezeichnen" Von anderen Dingen, z.B.
SZftSfiS%aS^SS^^^^^^. :™ der Darftellungsweife Juftins, die »bedingt ein,

Polemik gegen das Hellenentum mit den Zeugniffen des
Juftin, Tatian, Athenagoras, Theophilos u. a. über den
Stnnd der christlichen Lehre in ihrer Zeit näher bekannt
machen. In fein abgetönter, Schön akzentuierender Sprache,
ganz ohne die auch bei den Gelehrten unferes Nachbarlandes
fo häufige Sentimentalität und ohne alle Rhetorik,
jede gehäffige Polemik vermeidend gibt P. klare Begriffe von
der christlichen Vorftellungswelt der Apologeten des
zweiten Jahrhunderts. Nach einer kurzen Betrachtung
des Urfprungs (Paulus; 4. Evangelium) folgt die des
Kerygma Petri, der Apologie des Ariftides, darauf die

eingehende Würdigung Juftins, deffen Dialog mit Tryphon j ein Ausfluß älterer orientalischer Polemik gegen das

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neue Unterfuchung verdient, zu reden, ift hier nicht der
Ort, da fie mit Puechs Thema nur in mittelbarer Verbindung
Stehen. — Auch bei Tatian, der ebenfalls im
Allgemeinen vortrefflich gekennzeichnet wird, kann ich
einige Bedenken nicht unterdrücken. An das kynifierende
Wefen des affyrifchen Apologeten mag ich nicht recht
glauben; folche Invektiven wie die feines Protreptikos —
fo charakterisiert P. gut das Genos diefer .Apologie'
finden fich auch außerhalb der kynifchen Sekte. Auch
der methodifche Altersbeweis, den Tatian unternimmt,
geht nicht nur auf jüdifche Vorbilder zurück, fondern ift