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Ausgabe:

1912

Spalte:

665-667

Titel/Untertitel:

The International Review of Missions 1912

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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66s

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 21.

666

kommt es nicht aus dem Menfchen hervor oder herauf,
fondern es kommt zum Menfchen herein oder herab; mit
andern Worten :unfereiner braucht mehr als M. die Ge-
fchichte und die Überlieferung in der Gemeinfchaft. —
Es ift doch nicht ganz gleich, welche Ausdrucksweife man
wählt; oft entfteht bei M., fo fehr er fich auch dagegen
wehrt, der Anfchein, als ob das Eigne an fich und das
Unmittelbare ohne weiteres gleich dem Guten fei, das nur
der Fremdherrfchaft der Reflexionen und Gefühle entriffen
zu werden brauche, um in feinem Glänze zu erfcheinen.
Dagegen will mir diefes Eigne und Unmittelbare als etwas
Neutrales vorkommen, das unfer Organ sein foll, um die
großen Werte und Kräfte zu erfaffen, wie fie nicht
in unfrer Tiefe, aber in dem Geift Chrifti zu haben find.
Diefe dürfen aber gewiß nur in diefer eigentümlichen
Weife erfaßt werden, nicht nach irgend einem Vorbild
und Gefetz, das hat uns M. wie auch Herrmann mit Recht
unermüdlich eingeprägt. Aber ich glaube, man fucht
jene Werte felbft beffer in dem, was außer und über uns,
als in dem, was in uns ift; man fagt alfo beffer für fie
.Geift Chrifti,' fo fehr diefer ja auch wieder ,fubjektiv' bedingt
ift, als ,das Hinterfinnliche,' foviel darin auch von
Chriftus 'ftecken mag. Sonft kann man, fürchte ich, Menfchen
zur Verzweiflung bringen, wenn man fie auf ihr
eigentliches Wefen hinweift. Auch in bezug auf den Gewinn
des unmittelbaren Lebens habe ich eine etwas andre
Meinung als M. Zwar daraus mache ich ihm keinen Vorwurf
, daß er einmal zu ftärkftem Streben in der Nachfolge
Jefu auffordert und dann wieder alles Tun verbietet; denn
das entfpricht unfrer Art, fowohl zum Schaffen der Seligkeit
aufzufordern, wie auch auf Gottes Tun zu verweifen;
aber ich glaube, M. verfährt viel richtiger, wenn er gelegent-
lic hdazu auffordert, fo lange in einer beftimmten Richtung
zu handeln, bis einem diefe zur zweiten Natur geworden ift.
Das fcheint mir viel pfychologifcher und pädagogifcher geredet
, als es feiner gewöhnlichen Metaphyfik entfpricht.
So kommt tatfächlich diefes eigne und unmittelbare Wefen
heraus, beffer als wenn man auf fein Auftauchen wartet.
Die Ergänzung von M.s Anfchauungen durch eine gute
Pfychologie und Pädagogik fcheint mir ein Erfordernis
für jeden, der von ihm Seelforge lernen will. Dazu würde
ich auch noch den Rat geben, mehr die Jefusfeite an ihm
als die andere zu betonen. Denn zu ihr gehört auch
der Vater, und der Vatergedanke ift viel motivkräftiger
als der von der Seele des Alls. Dem Vater kommt ein
ganz anderes Vertrauen entgegen als diefer, und der Vater
hat auch größere Macht, als diefe haben kann. — Im
o-anzen ift für mich die gezeichnete Verbindung der beiden
Gedankengruppen M.s weniger einleuchtend als interefiant:
fie ift eine von den vielen Verfluchen, wie fie die Dogmen-
o-efchichte und auch die Kämpfe der Gegenwart kennzeichnen
, eine Verbindung zwifchen dem gefchichtlichen
Jefus und dem übergefchichtlichen Abfoluten herzuftellen,
um fowohl dem Metaphyfifchen eine anfchaulichere und
eindrucksvollere Geftalt, als auch dem Gefchichtlichen eine
metaphyfifche Bedeutung zu geben. Das Belle an M.
ift immer feine praktifche Gedankenwelt, für die ihm viel
mehr Leute zu Danke verpflichtet find, als er weiß.

Der Vortrat von Megerlin ift geeignet, die Zahl diefer
noch zu vermehren. Ruhig und fachlich gibt er aus gründlicher
Kenntnis und tiefer Verehrung Müllers heraus eine
Überficht über M.s Denken und Wollen, die jeder mit Gewinn
lefen wird.

Heidelberg,___F. Niebergall.

The International Review of Missions. A quarterly Review
issued by the Continuation Committee of the World
Missionary Conference, 1910. Editor: J. H. Oldham,
M. A. Vol. I. No. 1. January 1912. (192 S.) gr. 8°.
London, H. Frowde. s. 8 —

Diefe internationale Vierteljahrsfchrift ift eine von
den Früchten des Edinburger Weltkongreffes für Miffion,

und zwar, wenn fie fich dauernd auf der Höhe diefer
erften Veröffentlichung hält, eine überaus wertvolle und
willkommene. Sie enthält, abgefehen von Rezenfionen
mehrerer Miffionsfchriften (142—169) und von allerlei
Notizen aus Miffionszeitfchriften (170—177), eine reichhaltige
, wenn auch nicht vollftändige internationale Bibliographie
der wichtigften Miffionsliteratur feit Januar 1911
(178—192); vor allem aber folgende größere Auffätze:
Zuerft einen programmatifchen Eröffnungsartikel des Herausgebers
H. Oldham über Motive, Ziele, Inhalt und
Ordnung des neuen Unternehmens, das ein internationales
freies, aber planmäßiges Zufammenwirken fämtlicher evan-
gelifcher Miffionskräfte anftreben und, foweit möglich,
darfteilen foll i —14. Dann bietet der englifche Gefandte
in Wafchington, James Bryce, eine kurze Skizze über die
Behandlung der Eingebornen, fowie über die Gefahren,
welche mit dem Zufammentreffen höherer und niederer
Kultur fich ergeben (15—19). Joh. Warneck, der Infpektor
der Rheinifchen Miffion, fchildert an dem Mufterbeifpiel
der Batakmiffion auf Sumatra das allmähliche Heran-
wachfen einer Miffionskirche von den erften Anfängen
durch die Stufen der Selbftunterhaltung und Selbftver-
waltung bis zu der höchften, noch zu erftrebenden der
vollen Selbftändigkeit, mit allen dabei allmählich entfliehenden
Problemen, Wünfchen, Aufgaben und Ergebniffen
(20—43). Gairdner, einer der bellen Kenner der muha-
medanifchen Welt in Theorie und Praxis, unterfucht in
einem lehrreichen Vergleich die eigentlichen Lebenskräfte
des Islams und des Chriftentums und Hellt dabei in ebenfo
gerechter wie einleuchtender Weife, nicht peffimiftifch
aber nüchtern, diejenigen Gefichtspunkte auf, aus denen
fich die Superiorität und die Siegeshoffnung des chrift-
lichen Evangeliums ergibt (44—61). John R. Mott berichtet
über die Entftehung, die Ziele und die bisherige
Tätigkeit des vom Edinburger Kongreß gewählten Welt-
miffionsausfchußes, deffen Vorfitzender er ift, auch über
das, was von den übrigen damals erwählten oder nachher
gebildeten Kommiffionen geleiftet worden ift (62—78);
jenes .Continuation Committee' ift in gewiffem Sinne das
proteftantifche und deshalb auf freier Zufammenarbeit
beruhende Gegenftück zur Römifchen Kongregatio de
propanda fide. Dann erörtert der Präfident der Doshisha
in Kyoto und Präfident des Japanifchen Nationalkonzils
der Kumiaikirchen, Tasuku Harada, die gegenwärtige
Lage und die Probleme und Ausfichten der chriftlichen
Miffion in Japan (79- 97). Aus der Feder eines geborenen,
hochgebildeten und einflußreichen Japaners geflohen, be-
anfpruchen die Punkte, in denen der Verfaffer die Vorzüge
und die gegenwärtigen Aufgaben des Chriftentums
und feiner Miffion fleht, befonderes Intereffe. Ao-nes de
Selincourt, Vorfteherin einer Erziehungsfchule in .Allahabad
, befpricht die Stellung der Frauen in den modernen
nationalen Bewegungen Afiens, befonders aber Indiens,
und fordert eine engere Verbindung der verfchiedenen
Zweige der Miffion (z. B. der ärztlichen Miffion mit der
Erziehung und der Verkündigung), ferner ein befferes
Zufammenwirken der verfchiedenen Miffionsgefellfchaften,
fowie der von Männern und von Frauen geleifteten Mif-
fionstätigkeit (98—107). Henry F. Hodgkin, früher Miffionar
in China, jetzt Sekretär der Friends' Foreign Miffion
Affociation und Vorfitzender des Ausfchuffes für Miffions-
anftalten, erörtert die Vorbildung der Miffionare in der
Heimat wie auf dem Miffionsfelde, namentlich in fprach-
licher Hinficht (108—124). Endlich behandelt John F.
Goucher, früher Vorfteher des Frauen-Colleges in Baltimore,
! auf Grund einer kürzlich gemachten Miffionsftudienreife
in großzügiger, aber vielleicht doch zu anfpruchsvoller
und konftruktiver Art das Thema: .China und Erziehung',
indem er ein vielmafchiges und umfaffendes chriftliches
Schulwefen als Aufgabe der Miffion in China fordert
(125—139). Man fleht: ein außerordentlich reicher Inhalt
in vortrefflicher Darfteilung. Man kann mit Spannung
den folgenden Heften entgegenfehn. Daß die Auffätze