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Ausgabe:

1912

Spalte:

652

Titel/Untertitel:

Thomas von Aquin. Texte zum Gottesbeweis 1912

Rezensent:

Scheel, Otto

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651 Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 2t. 652

ritibus benutzt hatte. Albers tritt mit überzeugenden
Gründen für ihre Abfaffung im 10. Jahrhundert ein, während
fie Hauck erft dem II. Jahrhundert zugewiefen hatte.
Der Verfaffer ift kein Mönch aus dem S. Emmeranklofter
in Regensburg oder dem Reichenauerklofter, fondern aus
Trier oder Gorze. Ferner enthält der 5. Band noch Fragmente
von Consuetudines, die ebenfalls den deutfchen
verwandter als den Cluniacenser-Gewohnheiten erfchei-
nen, die bereits Martene in der zweiten Ausgabe
feines für die Mönchsgefchichte wichtigen Werkes veröffentlicht
hatte. Sie flammen von einem der ärztlichen
Kunft kundigen Mönch und enthalten viel Eigentümliches.
Endlich fügt er der Vollftändigkeit halber noch die Consuetudines
des franzöfifchen Klofters Fleury hinzu, die
erftmalig von Johannes von Bosco in einem Werk Bib-
liotheca vetus Floriacensis Benedictina, Lyon 1605 gedruckt
wurden, das aber in den Bibliotheken fehr feiten
geworden ift. Erft diefe Mönchsgewohnheiten aus dem
10. und 11. Jahrhundert, die in den beiden Bänden von
Albers teils erftmalig veröffentlicht, teils in neuen Re-
zenfionen uns zugänglich gemacht wurden, ermöglichen
uns dieAbhängigkeitsverhältnifl'e der verfchiedenenKlofter-
reformen im Ganzen wie in Einzelheiten genauer zu be-
ftimmen.

Heidelberg. G. Grützmacher.

Ibn al-'Arabi, Muhyi'ddfn: The Tarjumän al- Ashwäq. A

collection of mystical odes. Edited from three manu-
scripts with a literal version of the text and an ab-
ridged translation of the authors commentary thereon
by Reynold A. Nicholson, M. A., Litt. D. (Oriental
Translation Fund. New Series. Vol. XX.) (XII, 155 S.)
8°. London, Royal Asiatic Society 1911.

Welch ein hoher myftifcher Schwung unter der Form
der Liebespoefie der Beduinen verborgen fein kann, zeigt
uns Arabi 1240 t, der bekannte muslimifche Myftiker. Er
verfaßte die als ,Erläuterer der Liebeswünfche' bekannte
Sammlung myftifcher Oden auf einer Pilgerfahrt nachMekka
(Ende 1214 — Anfang 1215), die altarabifche Form des
Liebesgedichtes nachahmend. Daß er dabei an feine frühere
Geliebte Nizäm, genannt ,Auge der Sonne und Schönheit'
dachte, können wir ihm nicht verargen. Es wurde ihm
aber von zeitgenöfnfchen Theologen vorgeworfen, weshalb
er (auf der Rückreife von Mekka — Auguft 1215) einen
Kommentar feiner 61 Liebeslieder verfaßte, der den my-
ftifchen Sinn derfelben klar hervorhebt. — An einzelnen
Stellen blickt das Weltbild Arabis durch. Es ift zweifellos
eine Form des metaphyfifchen (nicht naturaliftifchen)
Pantheismus: Gott ift das abfolute Sein, das fich zur
Welt differenziert. Die ,Namen' und ,Eigenfchaften' Gottes,
d. h. die Beftimmungen feines Wefens find identifch mit
der uns umgebenden Welt, den materiellen .Phänomenen'.
Das einzige fubfiftierende Sein ift Gott. In dem Reiche
der Phänomene befteht eine rein geiftige Welt, eine mittlere
und niedere Welt, entfprechend der Dreiteilung: Geilt,
Seele (als Lebensprinzip) und Materie. Die umverteile
Vernunft ift der ,Vater' unteres Geiftes, die Univerfalfeele
der Urfprung unferer Seele. Durch Abftreifen des Materiellen
gelangen wir zum wahren Glücke, das im Erkennen
des Höchlten und Abfoluten befteht und zum Nirwana
hinführt. Indem wir der Sinneswelt fterben, werden wir
dem Geilte geboren. Unfere fittliche Aufgabe befteht
darin, die göttlichen Eigenfchaften mehr und mehr in
uns auszuprägen (deificatio), fodaß wir fchließlich ganz
göttlich werden und nur durch die Subfiftenz Gottes und
als diefe beftehen, mit Abftreifung von allem Individuellen
(Nirwana).

In dem im Urtext, Überfetzung und Kommentar in
mufterhafter Ausgabe vorgelegten Oden befingt der Dichter
die göttlichen Erleuchtungen und Vifionen, mit denen
der Myftiker begnadet wird, — die Theofophie, das

höhere Erkennen Gottes, das alle Schultheologie übertrifft
(S. 115), da es nicht wie diefe aus den Gefchöpfen
auf Gott fchließt, fondern Gott direkt erfaßt, — den
myftifchen Lebenskampf, die Niedergefchlagenheit bei
Ausbleiben der inneren Tröftungen, — die Trauer ob
entfchwundener Jugendbegeifterung, — die Gleichwertigkeit
aller Religionen, deren innerften Kern die Religion
der wahren Gottesliebe (die Myftik) predigt, — das Er-
fchauen Gottes in den Gefchöpfen und der Gefchöpfe in
Gott, — die Unerreichbarkeit des innerften Wefens
Gottes (da wir nur feine .Eigenfchaften' erfaffen können),
— die wechfelvollen myftifchen Seelenzuftände ufw. Das
Hauptthema bildet immer die Liebe zur wahren Weisheit.
Deren Erreichung, das .Entfchleiertwerden' des Menfchen,
bedeutet ja erft das Leben und das Glück. — Gar mancher
der die islamifche Geifteskultur nur von Ferne kennt,
wird ob des hohen religiöfen und fittlichen wie philofo-
phifchen Schwunges diefer Oden erftaunt und überrafcht
fein. Es braucht nicht befonders betont zu werden, daß
die Textausgabe wie auch die Überfetzung den höchlten
Anforderungen gerecht werden.

Bonn. M. Horten.

Thomas v. Aquin: Texte zum Gottesbeweis. Ausgewählt
u. chronolog. geordnet v. Priv.-Doz. D. Dr. Engelbert
Krebs. [Scholaltifche Texte I.] (Kleine Texte
f. Vorlefgn. u. Übgn. 91.) (63 S.) 8°. Bonn, A. Marcus
& E. Weber 1912. M. 1.50

Mit den Scholaftifchen Texten wird in Lietzmanns
ausgezeichneter t^ammlung eine neue und wie man nach
allem Vorangegangen wohl erwarten darf, wertvolle Abteilung
eröffnet. Ob bereits ein in den Grundzügen fefter
Plan für die Ausfüllung diefer Abteilung befteht, wird nicht
gefügt. Es wird aber wohl angenommen werden dürfen,
da fonft die Bereicherung der arg vernachläffigten Kennt-
niffe der mittelalterlichen dogmengefchichtlichen Bewegung
allzufehr dem Zufall überlaffen wäre. Sehr wün-
lchenswert wären z. B. Texte über die hochmittelalterliche
Plabituslehre. Bis jetzt ift es einfach nicht möglich, an der
Hand inftruktiver Quellen den Studierenden die ftarke Entwicklung
in der katholifchen Rechtfertigungslehre nachzu-
weifen. Auch die Vorlegung von Materialien zum hochmittelalterlichen
Kirchenbegriff wäre fehr erwünfcht. Spät-
fcholaftifche Texte fallen hoffentlich aus dem Rahmen der
,Scholaftifchen Texte' nicht heraus. Die erkenntnistheore-
tifchen und foteriologifchen Frageftellungen der Spätfchola-
ftik würden dieBeachtung fehr verdienen. Befonders möchte
ich auf Gabriel Biel den Blick lenken. Ich habe bisher im
Seminar nur Wiegendrucke vorlegen können, die zu lefen
unfern Studierenden natürlich Schwierigkeiten bereitet.
Doch man wird ja überzeugt fein dürfen, daß Lietzmann die
fcholaftifchen Texte nach einem weit blickenden Plan redigieren
wird. Dies erfte Heft führt an der Hand des Gottes-
beweifes des Aquinaten in die Zeit des Übergangs vom
.Auguftinismus' zum .Ariftotelismus' im 13. Jhd. Eine treffliche
Ergänzung wäre darum ein Heft über die Habituslehre.
Die Texte hat Krebs auf Grund folgender Chronologie
angeordnet: Sentenzen 1252fr, Quaestiones de veritate
1257fr, Aristoteleskommentare und Summa contra Genti-
les + 1263 fr, Summa theologiae + 1266ff, Quaestiones de
potentia und compendium theologiae + 1272 fr. Mit Krebs'
Auswahl wird die fcholaftifche Abteilung der kleinen
Texte fchön eröffnet. Die Fortfetzung wird hinter dem
Anfang gewiß nicht zurückftehen.

Tübingen. Scheel.

GuBmann, Pfr. Wilh.: Quellen und Forfchungen zur Ge-
(chichte des Augsburgilchen Glaubensbekenntnilles. I. Bd.

Die Ratfchläge der evangel. Reichsftände zum Reichs-