Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1912 Nr. 2

Spalte:

42-44

Autor/Hrsg.:

Scholz, Heinrich

Titel/Untertitel:

Glaube und Unglaube in der Weltgeschichte. Ein Kommentar zu Augustins De civitate Dei 1912

Rezensent:

Heim, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 2.

42

Daneben wäre ,die Möglichkeit, die künftige Gefamther-
ausgabe der chriftlichen Sarkophage zu der großen In-
ftitutspublikation der antiken Sarkophagreliefs wenn nicht
äußerlich, fo doch innerlich in enge Beziehung zu fetzen',
ernfthäft zu erwägen. Die eingehendere Behandlung der
chriftlichen Sarkophage, fowohl ihrer ,Tektonik' wie der
,Typik der Sarkophagbilder', erfolgt denn auch im engften
Zufammenfchluß mit gleichzeitigen heidnifch antiken.
Eine Grenze zwifchen beiden ift gar nicht ziehbar; vgl.
vor 'allem die .neutralen Typen' (S. 36). Verf. wird auch
in diefem Bande nicht müde, den Begriff .Chriftliche Antike
' (mit Unterftreichung des letzten Wortes) thematifch
und methodifch in den Vordergrund zu rücken (S. IIIu. ö.),
möge das auch den Theologen unfympathifch fein (S. 107).
Der antike Künftler, gleichviel ob er einen Serapis oder
einen. Chriftus geftaltete, war ja zunächft immer derfelbe
(S. 100, vgl. 127 f., 230), und ,das Chriftentum einfchließ-
lich feines Spezififchen' (!) felbft ,antike Größe' (107; vgl.
hier und 268 über Jefus und Sokrates). Man wird wenig-
ftens das Erftere — auch angefichts der chriftlichen

Literarürzeueniffe (z. B. Tertullian) - unbedenklich zu- Scholz' ?™P°z;.Uc- Helnnch: Glaube und Unglaube in

chronologifchen Fixierung der Monumente Ernft macht
und auch vieles Fördernde in chefer Hinficht im Anfchluß
an neuere Beiträge anderer Forfcher bietet (S. 24 ein
treffendes Urteil über Kraus). Was über die wechfelnden
Moden der Haartracht S. 171 ff. gefagt wird, erfcheint
befonders der Beachtung, die Aufreihung der Konfular-
diptychen und fonftigen Elfenbeine S. 232 fr, des Dankes
wert. Auch die beigefügten Sarkophagbilder wird man
fich gern zur Veranfchaulichung dienen laffen (zumal das
im Privatbefitz befindliche Nr. 6), wiewohl fie etwas klein
geraten find. Daß in dem zentral Sitzenden auf dem
gallifchen Sarkophag S. 207 der Verdorbene erkannt
werden foll, ift jedoch zufolge der Infchrift (Suagria, f.
Kaufmann, Die fepulcralen Jenfeitsdenkmäler S. 141) zu
bezweifeln; das ebenda S. 142 abgebildete Fragment
zeigt, wie wenig man fich auf die Rekonftruktion Nr. 2
verlaffen kann.

Betheln (Hann.) E. Hennecke.

geben und in der darin liegenden ftarken Betonung der
Formenfeite und Bildertypik den programmatifch wertvollen
Teil der Arbeit von Sybels vollauf anerkennen
(vgl. übrigens fchon vor bald 80 Jahren Raoul-Rochettel).
Ob aber darum feine Geringfehätzung der Arbeit chrift-
licher Archäologen (S. 337) berechtigt und der ftets wiederholte
Aufruf zur Mitarbeit der klaffifchen Philologen
an dem Gegenftande, gerade nach feiner eigenen wertvollen
Leiftung, wirklich fo ausfichtsvoll ift als er annimmt
— ? Jedenfalls wird der Gegenftand ohne Eingehen
auch auf die chriftliche Literatur und ihren trotz

der Weltgefchichte. Ein Kommentar zu Auguftins De
civitate Dei. Mit e. Exkurs: Fruitio Dei, ein Beitrag
zur Gefchichte der Theologie u. der Myftik. (VIII, 244 S.)
gr.8° Leipzig, J. C. Hinrichs 1911. M. 5—;geb.M.6 —

In diefer klar und anfehaulich gefchriebenen hifto-
rifchen Studie verfucht Scholz, ,die ungeheure Gedanken-
maffe, die in den libri de civitate Dei aufgefchichtet ift,
methodifch zu organifieren' und in ihre Elemente zu zerlegen
(f. Vorrede). Dabei ift der leitende Gefichtspunkt
die Thefe: ,der Kampf des Glaubens und des Unglaubens
allem fich von der Antike zugleich doch abhebenden, ift das Thema des „Gottesftaats", dem alle andern Themen

eigentümlichen Geift nicht allfeitig behandelt werden
können. Die fpezififch chriftlichen Triebe, die in der
Katakombenkunft (vgl. 85 A.) noch relativ ungemifcht und
erftmalig hervortreten, wirken doch felbft in der Sarko-
phagfkulptur des vierten Jahrhunderts, als das Chriftentum
,ficher im Kreis der antiken Religionen ftand' (S. 118,
vgl. 186), unter erneuten und veränderten Bedingungen
nach,,und die Deutung des Gegen ftandes durch Nachweis
des Anfchluffes an eine hier und da vorhandene
Bildertypik geht doch nicht in diefer reftlos auf. Das
fchließt nicht aus, daß auch wir die Spätantike als Schlußkapitel
oder Endergebnis der Kunftgefchichte des Altertums
änfehen oder verftehen können (S. 267) und zua-e-
ftehen, daß durch das Mitwirken der klaffifchen Archä-

untergeordnet find' (S. 2). Auguftins Werk ift apologe-
tifch zu verftehen, alfo weder kirchenrechtlich noch
gefchichtsphilofophifch. Auguftin hat .nicht daran gedacht
, eine Abhandlung über das Verhältnis von Staat
und Kirche zu fchreiben' (S. 3). Jeder politifche Hintergedanke
liegt ihm fern und wird durch den Zufammen-
hang und die Abficht des Werks überhaupt von vorn
herein ausgefchloffen' (S. 80). ,In ihrer univerfalften Bedeutung
find Weltftaat und Gottesftaat Allegorien, in
denen fich der Gegenfatz des Unglaubens und des Glaubens
verbirgt' (S. 70). Dies zeigt fchon die Vorgefchichte der
Idee des Gottesftaats von Plato bis zu Ticonius,, deffen
kurz vor 380 gefchriebener Apokalypfenkommentar Auguftin
vielleicht den entfeheidenden Anftoß zu feiner

otogen manches noch erarbeitet werden kann. An den 1 Zweiftaaten-Konzeption gab (S. 79). Auch bei Ticonius

verfchiedenften Punkten betont v. Sybel immer wieder,
daß die wiffenfehaftliche Bemühung erft noch im Stadium
der Vorarbeit fteht. Möchte der weitere Verlauf feine
Erwartungen erfüllen!

Ob dann fchließlich in diefem Fortbau auf ,Grund-
fteinen' (I S. 6) für alle außer ihm nicht nur die felbft-
verftändliche Gewißheit erzeugt wird, daß ,im Denkgrund
der fefte Grund des Erfahrungswiffens gegeben ift', fon-
defn zugleich die andere, daß daraus ,der fittliche Halt,
fo auch die Möglichkeit des inneren Friedens' und das
für das Leben nötige .Vertrauen' (S. 7) erwachfe als Er-
fatz für die auf .Phantafie' beruhenden Weltanfchauungen
objektiven Charakters (mit Einfchluß der theiftifchen), fo
möchte ich allerdings bei meiner Behauptung, daß auch
mer eine Weltanfchauung, wenn auch in fehr abgemindertem
Sinne, vorliegt (II, S. IV), ftehen bleiben. Sie ift
nUrr ur 01au*" das Subjekt zurückprojiziert und übrigens
ausicnließhch für die Ariftokratie des Geiftes realifierbar.
Auch die ehrenwerte Forderung, ,den Tod geiftig zu
uberwinden', wird dahin zu rechnen fein, infofern zugleich
,die primitive Einbildung eines Fortlebens des doch toten
Menfchen' als ,ein erfter Verfuch, die Aufgabe zu löfen',
gefaßt wird (I S. 39).

Als befonderes Verdienft der vorliegenden Arbeit fei
noch hervorgehoben, daß fie mit der Forderung einer

handelt es fich ,um eine ideale Konzeption, die im reli-
giöfen Anfchauungsunterricht verwendet werden foll'(S. 80).
Das Recht der idealiftifchen Interpretation von Auguftins
Gottesftaat, die in diefen Sätzen zu einem fcharf pointierten
Ausdruck kommt, wird davon abhängen, ob es von ihr aus
möglich ift, das eigentümliche Verhältnis zu erklären, in
welchem in Auguftins Anfchauung das idealiftifche Element
, die apriorifche Deduktion der beiden Staaten und
der daneben doch immer vorhandene empirifche Charakter
derfelben fteht. Daß Auguftin die beiden Staaten zunächft
deduktiv aus der prinzipiellen Antithefe zwifchen Glauben
und Unglauben, Demut und Hochmut heraus konftruiert,
ift nie bezweifelt worden. Die Civitas terrena erfcheint
zunächft als ,der Erd und Himmel umfpannende Zu-
fammenhang der irdifch gefinnten und am Vergänglichen
haftenden Wefen' (S. 87); diefem fteht die ideale Größe,
die domus hominum ex fide viventium gegenüber. Infofern
handelt es fich um den methaphyfilchen Gegenfatz
zwifchen zwei .idealen Potenzen' oder .ethifch-religiöfen'
Mächten. Wie kommt es nun aber, daß Auguftin dennoch,
wie Scholz deutlich hervorhebt, ,an einer Reihe von Stellen
die Begriffe civitas terrena und civitas Dei mit den po-
litifchen Größen Staat und Kirche entweder geradezu
identifiziert oder doch fo eng verbunden hat, daß es
kaum noch möglich ift, Idee und Erfcheinung auseinander

**