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Ausgabe:

1912 Nr. 20

Spalte:

633-634

Autor/Hrsg.:

Eger, Karl

Titel/Untertitel:

Jesusnachfolge und Christusglaube 1912

Rezensent:

Baur, August

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633

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 20.

634

unterfcheidet, als fie neben dem Intellekt ,den Gefühlen
einen viel wefentlicheren Anteil am Zuftandekommen
unferes Wollens' zuerkennt.

Je und je leitet Verf. innerhalb der ganzen Ausein-
anderfetzung einzelne Konfequenzen ab für das praktifche
Leben, für die Pädagogik und in einem befonders interef-
fanten Abfchnitt auch für das Strafrecht.

Kann Unterzeichneter gerade diefen kriminalrechtlichen
Ausführungen vom Standpunkt der chriftlichen Welt-
anfchauung aus durchaus zuftimmen, fo will er nicht verhehlen
, daß er in der Beurteilung vom Wefen des Willens
einer Auffaffung, wie etwa die Heinrich Maiers ift, viel
näher fleht als der dargebotenen. Deffen ungeachtet ift
das vorliegende Buch als ein ganz vortreffliches zu bezeichnen
. Von ernftem wiffenfchaftlichen Geift erfüllt,
verfährt es ftreng methodifch; es ift in feinen Darlegungen
klarer als das auf Knappheit angewiefene Referat hier
vermuten laffen könnte; es orientiert in ausgezeichneter
Weife über neuere und neuefte Willenstheorien; und es
verbindet mit nüchternem Wirklichkeitsfinn feinftes Ver-
ftändnis für den Wert der Ideale, die durch die erörterten
Probleme berührt werden.

Nur eine einzelne Frage am Ende: warum wird Th.
Lipps beharrlich zu ,Lips' verftümmelt?

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

E g e r, Pred.-Sem.-Dir. Prof. D. Karl: Jefusnachfolge u. Chriftus-

glaube. (32 S.) 8°. Gießen, A. Töpelmann 1912. M. — 70

In Ermangelung jeglichen Vorworts belehrt uns eine
von der Verlagsbuchhandlung ausgegebene empfehlende
Anzeige, die mir ganz zufällig in die Hand gelangt ift,
darüber, daß der vorliegenden Schrift ein Referat zu Grunde
liegt, das Verf. auf dem Kurfus für praktifche Theologie
September 1911 in Friedberg gehalten hat und das auf
Wunfeh der Kursteilnehmer in Druck gegeben worden
ift. Ich freue mich ehrlich darüber, daß der Verf. fein
Thema nicht, wie der Roftocker Profeffor R. H. Grützmacher
, in die disjunktive Frageform Jefusvereh.rung oder
Chriftusglauber' (Roftock in M., Kaufungenverlag 1011
30 S. gr.8° M. —70) gefaßt hat, fondern in einfache
konjunktive Ausfageform. Das erweckt ein günftiges
Prognoftikum, fofern darin zum voraus zugegeben wird,
daß in den fynoptifchen Selbftausfagen Jefu beides, die
Forderung der Jefusnachfolge und die Bedingung des
Glaubens an ihn, nebeneinander enthalten ift. Es handelt
fich alfo vor allem darum, in welcher Beziehung beide
Forderungen zu einander flehen, ob fie unvermittelt neben
einander hergehen oder ob die eine der andern unterzuordnen
ift.

Doch diefe rein biblifch-theologifche Frage fleht nicht
im Vordergrund der Unterfuchung, die ja vielmehr ein
brennendes Problem der Gegenwart zu löfen beftrebt ift.
Diefes Problem könnte man allerdings nach den einleitenden
Worten S. 3 in die von Grützmacher beliebte disjunktive
Frageform faffen, fofern nach der Ausfage des
Verf. beide Formeln Jefusnachfolge' und .Chriftusglaube'
in der Gegenwart zwei Richtungen darfteilen, deren Unter-
fchiede nicht nur von den Anhängern des ,alten Glaubens',
fondern auch vielfach von folchen des ,neuen Glaubens,
als religiöfe Gegenfätze empfunden werden, womit aber
die Exiftenzfrage unferes gegenwärtigen Kirchenwefens
geftellt wird. Es kommt jetzt nur darauf an zu wiffen,
was die eine der beiden Richtungen, die des ,neuen Glaubens
' unter Jefusnachfolge verfteht. Das wird nun im
1. Abfchnitt erörtert und unter Zufammenfaffung der etwas
auseinandergehenden Anflehten diefer Richtung dahin
beftimmt, daß für die Vertreter der Jefusnachfolge (Namen
will der Verf. keine nennen und nennt auch keineI) Jefus
felber nur ein .Gottfucher' und für diejenigen, die auch
Gott fuchen, der Vorkämpfer der Menfchheit, der Führer
ift, der ihnen zuruft: folget mir nach!

Vorausgefetzt, daß darin wirklich und vorzugsweife
die Meinung derjenigen enthalten ift, die innerhalb der
beftehenden Kirche den ,neuen Glauben' vertreten •— denn
mit folchen, die fich außerhalb der Kirche ftellen, hat es
der Verf. nicht zu tun —, koftet es dem Verf. freilich keine
große Mühe, mit unwiderfprechlicher Klarheit, gerade
auch aus den Synoptikern, wenn auch nicht in ausführlichem
Verfahren, nachzuweifen, daß bei Jefus nicht auf
dem Moment des Strebens, daß er die Menfchen als
ihr Vorkämpfer zu Gott führt, fondern auf dem Moment
des Gotthabens der ganze Nachdruck liegt, daß alfo
Jefus für fich eine Autorität in Anfpruch nimmt, die auf
dem Bewußtfein einer göttlicher Sendung, einer Vollmacht
Gottes bei allem, was er redet und tut, beruht: ein Bewußtfein
, deffen Korrelat den Menfchen gegenüber die
Forderung des Glaubens ift. Jefus ift in diefem Sinn als
Vertreter Gottes der vollendete Prophet und der Meffias.
Von diefem grundlegenden Gefichtspunkt aus, der der
religiöfe ift, wird dann zunächft das andere Problem,
fofern Jefus zugleich Vorbild ift, als das ethifche Problem
gelöft. Der Boden, fo fagt der Verf., aus dem Jefu Aus-
fagen über fich felbft wachfen, ift der religiöfe des von
Gott Empfangens, nicht der ethifche der eigenen Tat, des
eigenen Anfpruchs. Aber es ift auch klar, wie der Menfch,
der in fich Gott zu offenbaren hat, nicht nur in der Erfüllung
feines befonderen ihm von Gott gegebenen Berufes
durch Arbeit und durch Leiden, fondern auch in
der unermüdlichen Erweifung barmherziger Liebe gegen
die Brüder vorbildlich für die daftehen muß, denen er
dazu verhelfen will, Glieder des Reiches Gottes, Gottes
Kinder zu werden. Wie diefe Grundgedanken im einzelnen
durchgeführt werden, können wir hier nicht darlegen
; wir müffen auf die kleine, überaus inhaltsreiche und
geiftvolle Schrift felber verweifen. Nur einen Satz möchten
wir noch anführen, weil er ebenfo die Entfchiedenheit, wie
die Milde der Verf. beurkundet; derfelbe lautet S. 26f.:
,Wo der gefchichtliche Jefus nur als Anreger, nicht als
maßgebende Auktorität der eigenen fittlich-religiöfen
Lebensgeftaltung angefehen wird, ift die Linie des neu-
teftamentlichen Zeugniffes von Jefus an einem für diefes
Zeugnis zentralen Punkt verlaffen. Doch foll man bei der
Kritik des perfönlichen gemüts- und gewiffensmäßigen
Verhältniffes, das den Vertretern folcher Anfchauungen
gegenüber dem Jefus des Neuen Teftaments erreichbar
ift, nicht überfehen, daß die äfthetifch-myftifche Frömmigkeit
und die fittlich-perfönliche Frömmigkeit verfchieden-
artige Äußerungen des menfehlichen Seelenlebens find,
die keineswegs in ausfchließlichem Gegenfatz zu einander
flehen, fondern fehr wohl nebeneinander herlaufen können,
fodaß unter einer Oberftrömung unperfönlich myftifcher
Frömmigkeit ftarke fittlich-religiöfe Elemente mit-
fchwingen können. Und auch die Grenze zwifchen Anreger
und maßgebender Auktorität des fittlich-perfönlichen
Lebens ift da, wo das einzigartig Kräftige in der Perfon
des Anregers anerkannt wird, keineswegs fcharf beftimmt'.
Weinsberg. Auguft Baur.

Baumgarten, Prof. D.Otto: Predigten aus der Gegenwart,

geh. in der Kieler Univerfitätsaula. 2. Aufl. (VIII
283 S.) 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1911.

M. 3.50; geb. M. 4.50

1903, als Baumgarten im Mittelpunkt des Kampfes
der kirchlichen Richtungen in Schleswig-Holftein ftand,
fühlte er (nach eigenem Ausdruck) die Verpflichtung,
den beunruhigten Kreifen der fchleswig-holfteinifchen
Landeskirche einen pofitiven Beweis feiner feilen Stellung
im Evangelium zu geben; diefem Zweck diente die
Herausgabe von 37 Predigten aus dem Kieler akademifchen
Gottesdienft. Jetzt ift die Sammlung neu gedruckt, und
zwar ohne jede wefentliche Änderung. Das Inhaltsverzeichnis
hat eine andere Stelle bekommen, die neue Recht-
fchreibung ift durchgeführt, fonft ift alles geblieben wie