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Ausgabe:

1912 Nr. 20

Spalte:

627-628

Autor/Hrsg.:

Müller, Nikol.

Titel/Untertitel:

Die jüdische Katakombe am Monteverde zu Rom 1912

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 20.

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und ein aQ%iöixcuxT]c, deren Kompetenzen noch dunkel
find, ferner allerhand Beamte mit polizeilichen und fchieds-
richterlichen Befugniffen. Hinzu tritt feit dem 4. Jahrh.
die Kirche, vertreten durch die Bifchöfe. Das Verfahren
beginnt mit der Einreichung der Klage beim Präfekten,
der die Kläger dann an einen feiner Unterbeamten verweift
. Kap. 3 behandelt die Urkunde, Kap. 4 das Grundbuch
, eine fpezififch ägyptifche Einrichtung, Kap. 5 das
Schuld- und Pfandrecht, Kap. 6 den Kauf, Kap. 7 die
Bodenpacht, Kap. 8 das Eherecht, Kap. 9 das Erbrecht,
Kap. 10 die Vormundfchaft, Kap. Ii verfchiedene Rechts-
gefchäfte, Kap. 12 die Gefetze, darunter intereffante Ent-
fcheidungen über die Soldatenehe und der wertvolle
Inhalt eines Gießener Papyrus: die constitutio Antonina
von J. 212, welche allen Peregrinen außer den dediticii
das römifche Bürgerrecht verleiht.

Man wird nicht erwarten können, daß jeder fich die
Jurisprudenz des 3. und 4. Bandes zu eigen macht, aber
der 1. und 2. Band follte in der Bibliothek keines Philologen
, Hiftorikers und Theologen fehlen.

Erlangen. A. Schulten.

Müller, Prof. D. Dr. Nikol.: Die jüdifche Katakombe am

Monteverde zu Rom, der ältefte bisher bekannt gewordene
jüdifche Friedhof des Abendlandes. (Schriften, hrsg.
v. der Gefellfchaft z. Förderg. der Wiff. des Judentums
.) (153 S. m. 12 Abbildgn.) gr. 8°. Leipzig,
Buchh. G. Fock G. m. b. H. 1912. M. 5—; geb. 6.20

,Daß die jüdifchen Begräbnisftätten, als die allein
erhaltenen Denkmäler der römifchen Juden, für deren
Gefchichte eine noch höhere Bedeutung befitzen wie die
chriftlichen Koimeterien für die ja auch über fonftige
monumentale Quellen reichlich verfügende Gefchichte
des ftadtrömifchen Chriftentums' (S. 15), verleiht der vorliegenden
Schrift einen hervorragenden Wert, wenn fie
auch nur erft als Abfchlagszahlung für die feit lange in
Ausficht ftehende größere Veröffentlichung gelten darf,
in welcher der auf diefem Gebiete einzigartig orientierte
Verfaffer feine Forfchungen über die altjüdifchen Begräbnisftätten
Italiens zufammenzufaffen gedenkt. Von
folchen kommen außerhalb Roms namentlich die zu Venofa
inbetracht; von ftadtrömifchen find 3 an der Via Appia
(S. 13) und eine an der Via Labicana (S. i6f; Via Fla-
miniaf S. 16) bekannt. Bofio hatte im Jahre 1602 noch
eine füdweftlich der Hauptftadt vor der Porta Portefe
(Traftevere) gelegene flüchtig und ungenau gefehen und
befchrieben: die nunmehr 1904 wiederentdeckte am Monteverde
, deren Grabungen N. Müller fofort aufnahm und
bis 1906 fortführte, ohne aber, feit 1907, die Erlaubnis
zum Abfchluß der Grabungen (insbefondere auch des
wichtigen Vorraums) erwirken zu können. ,Italia farä
da se'?

Die Katakombe liegt an einem Steinbruch und ift
in äußerft fchlechtem Zuftand; ein oberirdifcher Friedhof
(wie über S. Callifto) fchloß fich an. Sie erweift fich
als die ältefte der ftadtrömifchen (1.—4. Jahrh. n. Chr.)
und ift architektonifch befonders reich und mannigfaltig
(S. 24, 29, 46). Alle möglichen Grabtypen, z. B. auch
Senkgräber, aufgemauerte Sarkophage und Tonfärge
(letztere auch aus jüngerer Zeit S. 37), werden angetroffen,
aber keine Schiebegräber (S. 46), übrigens auch Gebrauchsund
Schmuckgegenftände, zahlreiche Gläfer und Lampen,
vor allem aber 191 Infchriften, meift auf Marmor (12 find
im Anhange photographifch wiedergegeben), davon 83
mit ,Bildwerk' (Graffiti oder Dipinti), das meift Gegen-
ftände des jüdifchen Tempeldienft.es und Feftgebrauchs
darfteilt (S. 67ff.). Neue Namen jüdifcher Synagogengemeinden
in Rom tauchen auf, darunter die (wie für
Korinth) fchon bekannte der ,Hebräer', was für die Ab-
faffung des Hebräerbriefes von Wichtigkeit fein kann
(S. 109). Weitere Bezeichnungen für (erbliche) Gemeindeämter
und Titel (z. B. öiöäöxaXoc, voßofiad-nq S. 117)
werden bekannt. Während fpäter die Juden Süditaliens
mit Vorliebe altteftamentliche Namen wählten, überwiegen
hier die griechifchen und lateinifchen, zum Beweis, ,daß
die Namengeber, doch wohl gewöhnlich die Eltern, mitten
im römifchen Volksleben ftanden' (S. 106). In 5 Fällen
kommen übrigens hebräifche Texte in hebräifchen Buch-
ftaben vor (S. 91, vgl. 94f.) Eine Entfcheidung darüber,
,wann bei den Juden der Welthauptftadt das Griechifche
vom Lateinifchen überflügelt wurde', fällt nicht leicht
(S. 93; doch drängt fich dafür die Analogie des Gebrauchs
in der gleichzeitigen Chriftenheit auf, der durch
C. P. Cafpari erhellt wurde). Das Infchriftenformular erinnert
in einigen Wendungen, wie z. B. der häufigen hv
uqtivt] r) xoiftrjöig (avrov), an das chriftliche; über Tauben
als B'ilder für Verftorbene (f) f. S. 82 f.

Daß die Arbeit fich infolge der dargelegten Schwierigkeit
noch als Torfo darftellt, nimmt ihr nichts von ihrem
Werte und den mitarbeitenden Forfchern, unter denen
E. Schürer leider fehlt, von ihrer Dankesfchuld. Immerhin
ift die Statiftik auch des Fundmaterials hier und da
vielleicht noch verfrüht. Diefes wurde vorläufig im Museo
Lateranense untergebracht, wird aber erft nach Abfchluß
der Arbeiten, der hoffentlich nicht zulange auf fich warten
läßt, dem allgemeinen Befuche zugänglich fein. —

Leider ift diefer Abfchluß inzwifchen durch den
unerwarteten Tod des beliebten Forfchers und vorzüglichen
Kenners der altchriftlichen Kunftdenkmäler nunmehr
aufs Unbeftimmte vertagt.

Betheln. E. Hennecke.

Sancti Benedicti regula monachorum. Editionem critico-
practicam adornavit D. Cuthbertus Butler. (XVI, 212
S.) kl. 8°. Freiburg i. B., Herder 1912.

M. 3.20; geb. M. 4 —

Der gelehrte Benediktinerabt Butler, der fich um die
Gefchichte des Mönchtums durch die Herausgabe eines
! kritifch geficherten Textes der Historia Lausiaca verdient
gemacht hat, bietet in dem vorliegenden Buch eine neue
Ausgabe der Regel feines Ordensftifters. In den Prole-
gomena handelt er ausführlich über die Gefchichte und
Uberlieferung des Textes der Benediktinerregel. Die Regel
ift uns in drei verfchiedenen Textformen erhalten. Die
erfte Textform geht auf einen Kodex aus der 2. Hälfte
des 8. Jahrhunderts zurück, der für den Autograph des
heiligen Benedikt gehalten wurde, und von dem Abt
Theodemar von Monte Cafino eine Abfchrift an Karl den
Großen im Jahre 787 fchickte. Die zweite Textform war
im 7. und 8. Jahrhundert überall in Italien, Gallien, England
und Deutfchland verbreitet. Die dritte endlich, der
fogenannte textus receptus, die durch zahlreiche Korrekturen
der Abfchreiber alteriert ift, findet fich in den Codices
des 10., 11 und 12. Jahrhunderts und wurde fpäter
faft allen Ausgaben zu Grunde gelegt. Durch die von
dem Benediktiner Edmund Schmidt im Jahre 1880 ver-
anftaltete kritifche Ausgabe der Regel Benedikts kam die
Frage, welche diefer Textformen die urfprünglichfte fei,
in Fluß. Der Herausgeber entfchied fich für die zweite
Textform als die Urform der Regel, aber auch die erfte
Textform flammte nach ihm von Benedikt felbft, der feine
erfte Ausgabe fpäter korrigierte. Demgegenüber fuchten
Wölfflin, Traube und M. Plenkers den Nachweis zu führen,
daß die erfte Textform die urfprüngliche fei. Butler, der
früher die Meinung Schmidts teilte, ift jetzt der Meinung
Traubes beigetreten, der m. E. fraglos Recht behalten
wird. Nur in einem Punkt weicht er von den drei genannten
Vertretern ab. Es fteht ihm nicht ficher, ob die
erfte Textform, wie diefe annehmen, wirklich auf den
Autograph Benedikts zurückgeht. Paul Warnefrid erzählt
in feiner Gefchichte der Langobarden, daß die Mönche,
als im Jahre 581 das Klofter Monte Cafino von den