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Ausgabe:

1912 Nr. 20

Spalte:

617-619

Autor/Hrsg.:

Krüger, Gustav

Titel/Untertitel:

Der Leidener internationale Kongreß für Religionsgeschichte 1912

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 20.

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Gegenftand. Die Litauer ftellen fich die Veles vor
meiftens in ihrer menfchlichen Geftalt und meinen fie zu
hören im Saufen des Sturmwindes. Nicht jedermann
kann aber die Nähe der Veles empfinden. Insbefondere
offenbaren fie fich einigen Tieren, namentlich Hähnen,
Pferden und Hunden. Jeder Todkranke kann auf feinem
Sterbebette die ihn drei Tage vor dem Tode befuchen-
den Geifter fehen und hören, aber es gibt auch Menfchen,
welche dazu bei gefundem Befinden im Stande find. Die
Eigenfchaft ift entweder angeboren oder fpäter erworben,
z. B. nach einer fchweren Krankheit oder einem heftigen
Schrecken. Auch aus Neugier und Übermut kann man
fich felbft das erfehnte Ziel herbeifchaffen und zwar
mittels der fchon erwähnten Tiere oder Gegenftände, die
zu den Veles und ihrem Gebiet in einiger Beziehung
flehen, wie Grabkreuze, Särge ufw. Ref. teilte einige
Beifpiele davon mit und auch von den Qualen, mit
welchen die Geifter diefe Geifterfeher quälen können.
Zum Schluß wies er hin auf die neben diefer Anthropo-
morphofe der Veles bei den Litauern flehende Therio-
morphofe der Seele.

J. A. Mac Cuiloch-Bridge of Allan fprach über
The Celtic conception of future life. Der keltifche Glaube
an eine Seelenwanderung wird von den klaffifchen Autoren
als Caefar, Diodorus Siculus, Valerius Maximus oftmals
erwähnt und verglichen mit dem Pythagoreifchen Glauben,
wo dieSeelenwanderung bekanntlich als eine Buße für die
Sünde aufzufaffen ift, indem die Seele in einem anderen Körper
auf Erden Wohnung facht. Caefar aber erwähnt ausdrücklich
, daß die menfchliche Seele ab aliis post mortem
transire ad alios, und auch der den klaffifchen Autoren
bekannte Brauch, daß die Kelten mittels ihrer Verftorbenen
den Verwandten im Jenfeits Briefe fchickten, weift auf
eine weitere Exiftenz der Toten im Jenfeits hin, fo daß
der Vergleich mit der Pythagoreilchen Seelenwanderung
als verfehlt angefehen werden darf. Der Aufenthalt der
Toten war zweifelsohne unter der Erde, indem man das
Grab als das Haus des Körpers und nachher die vielen
Gräber als eine unterirdifche Welt auffaßte, in welcher Körper
und Seele zufammen eine weitere Exiftenz führten oder
die Seele einen neuen Körper annahm. Diefer unterirdifche
Aufenthalt war dem dunklen Reiche Plutos nicht
ähnlich, fondern die Kelten (teilten fich ihn vor als eine
frohe, heitere Welt. Dadurch erklärt fich auch ihre
Todesverachtung.

A. G. van Hamel-Middelburg behandelte den Gegenftand
Druidism in Ireland. Seit Caefar und den anderen
Römifchen Autoren hat man die Druiden im alten Gallien
kennen gelernt als eine mächtige lehrende Priefter-
kafte welche ihre Schüler, um ihre Kenntniffe zu erweitern
und zu vertiefen, nach Britannien fchickte.
Man hat hieraus den Schluß gezogen, daß der Druidismus
unter den infulären Kelten befonders geblüht habe
und fich bemüht, die irifchen Drui's mit den gallifchen
Druiden zu identifizieren, wie z. B. d'Arbois de Jubain-
ville es o-etan hat. Aber wir find zu diefem Schluß nicht
berechtigt denn in den älteften Texten fehlen die Drui's
gänzlich&oder fie treten bloß als Zauberer auf. Nur in
den jüngeren mittel-irifchen Schriften tauchen fie als
Priefter, offenbar unter dem Einfluß römifcher Schrift-
fteller und mittelalterlichen Romantismus, auf. Nur die
kritifche Mufterung der Texte kann uns vor Fehlern in
diefer Hinficht bewahren.

Leiden. van der Meulen.

In der ,chriftlichen' Sektion (10) wurden folgende
Themata verhandelt:

1. B. W. Bacon (Yale University, Connecticut), gab
einen lehrreichen Überblick über Baur's Theory of
Christian Origins from the view-point of compa-
rative religion.

2. G. Krüger (Gießen) legte eine aus dem Gießener
Seminar hervorgangene neue, auf umfaffendes religions-
gefchichtliches Material geftützte Analyfe der Primat-

ftelle Matthäus 16, 17—19 vor, deren fpäte Einfchaltung
ins Evangelium (Grill, Schnitzer) beftimmt abgelehnt
wurde.

3. E. von Dobfchütz (Breslau) fprach über Gottes-
gemeinfchaft, ftellte dabei den Ünterfchied zwifchen
der auf phyfifche Vereinigung hinzielenden Faffüng im
Heidentum, fpeziell in den helleniftifchen Myfterien und
der auf Gottesnähe und Willensgemeinfchaft hinauskommenden
im Judentum dar und zeigte, von der Escha-
tologie ausgehend, daß die urchriftliche Gottesgemein-
fchaft auf diefer Linie liegt, fich von der vorchriftlichen
aber dadurch wefentlich unterfcheidet, daß fie nicht nur
erftrebt, fondern erlebt ift. Auch bei Paulus und Johannes
follte, was myftifch klingt, als Ausdruck ethifcher Gottes-
gemeinfchaft verftanden werden.

4. C. Clemen (Bonn): Der Einfluß der Myfterien
auf das Urchriftentum, zeigte nach einem Überblick
über die in Betracht kommenden Myfterienreligionen,
daß fie auf das ältefte Chriftentum überhaupt nicht, auf
Paulus nur in einigen Ausdrücken und erft auf die nach-
paulinifche Entwickelung vereinzelt auch fachlich eingewirkt
haben, daß ein tiefgehender Einfluß aber erft auf
den Gnoftizismus und fpäter auf die Großkirche ftatt-
gefunden hat.

5. C. W. Emmet (Oxford) führte das Thema: The
Bearing of Eschatolgy on the Ethics of the Gos-
pels in folgender Weife aus: ,Interimsethik' by elimi-
nating the responsibilities connected with family and
social life misconceives the sphere of ethics. It has no
claim to be regarded as absolute. Except in 1. Cor. 7
there is in the N. T. no unambiguous example of Interimsethik
, where the motive and contents are both derived
from a belief in the nearness of the end. The view
which saw in the commands to love and forgive enemies
only for the saving of one's own soul was unjust to the
real mind of Jesus.

6. F. C. Conybeare (Oxford): The Heresy in the
Ignatian Epistles verfocht gegen Lightfoot, Zahn u. a.
die Thefe, daß es fich bei Judaiften und Doketen um
zwei verfchiedene Parteien handelt.

7. G. A. van den Bergh van Eysinga (Heimond) rückte
die in der Apokalypfe bekämpfte Gnofis unter neue
Gefichtspunkte. Er findet ihre Spur in 13, 18: 666 ift eine
fog. pythagoreifche Dreieckszahl, d. h. eine Zahl, die
entfteht, indem man die aufeinanderfolgenden Zahlen von
der 1 bis zu einer beliebig gewählten Zahl addiert: So
ift Zehn eine Dreieckszahl (1+2 + 34-4=10); in der
Vierzahl, fagt Philo, ift die Zehnzahl enthalten. Ähnliche
Spielereien auf einem bisher unrichtig gedeuteten Graffito
in Pompeji und in Joh. 21, 11. So ift auch 666 auf 36
und 36 auf 8 zurückzuführen. Die Vermutung ift gerechtfertigt
, daß die Deutung des Tieres auf die Syöodg
der Gnofis manche Schwierigkeiten der Exeo-efe zu be-
feitigen vermag.

8. P. Alphandery (Paris): Notes sur le messia-
nisme latin medieval s'attache ä letude du Systeme
messianique medieval latin, considere surtout dans ses
elements ntuels: bapteme du ,roi des derniers jours',
cene celebree par kri. Le rite baptismal s'efface dans
deux cas: 1) avant l'eluse manifeste un premessie, gene-
ralement son pere ou son aieul. 2) l'elu ne regne que
dans une seconde existence, apres une periode de puri-
fication. — Au rite de l'eucharistie messianique et aux
legendes sur le depositaire de la Sainte Lance se rattache,
par une transmission provengale, une part du mythe du
graal.^ Quant ä la figure meme du ,roi des derniers jours',
eile n'est qu'une transposition de celle du Christ-chef de
guerre de la poesie apocalyptique populaire latine et
saxonne.

9- P- Alphandery (Paris): Les signes de croi-
sade: Serie de textes des XII—XIII siecles oü des
migrations animales sont presentees comme des signes
de croisades prochaines. Ces signes oü le fait reel
prefigure un autre fait reel, different de la prefiguration

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