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Ausgabe:

1912 Nr. 2

Spalte:

40-42

Autor/Hrsg.:

Sybel, Ludwig von

Titel/Untertitel:

Christliche Antike. Einführung in die altchristliche Kunst. 2. Bd 1912

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 2.

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die bemüht ift, zu zeigen, daß Inhalt und Form von
Hebr. auf denfelben fchon oben erwähnten praktifchen
Zweck berechnet find.

1. Der Briefeingang (1, 1—2, 4). Der Verf. nennt fich
nicht, weil er nicht weiß, ob fein Wort vorurteilsfrei aufgenommen
werden wird (13, 18. 22), er adreffiert den
Brief nicht an eine größere Gemeinfchaft, weil ihn zunächft
nur einzelne befreundete Vorfteher in die Hände bekommen
werden. Der Verf. ftellt fich mit den Lefern auf
eine Stufe, geht von dem aus, was ihm mit den meffias-
gläubigen Juden gemeinfam ift, und betont die Zuverläffig-
keit von Heil und Heilsgeber. 2. Das Ärgernis des Kreuzes
(2, 5—18) berührt eine brennende praktifche Frage. Der
Meffias mußte an Fleifch und Blut Anteil bekommen,
um die Todesfähigkeit zu erlangen, die die ihm beftimmte
Leidensprobe erforderte. Seine Getreuen, die jetzt innerhalb
ihres Volkes in Todesgefahr fchweben, hat er der
Teufelsherrfchaft und der Todesfurcht entnommen. 3. Das
Warnungsbeifpiel der Wüftengeneration (3, 1—5, 10), fetzt
voraus, daß die Lefer beim Ausbleiben der Parufie und
bei den Leiden die fie trafen, fchwankend geworden waren.
Darum werden fie warnend auf die Wüftengeneration und
mahnend auf den treuen Hohenpriefter hingewiefen, der
in aller Schwachheit hilft. 4. Der gefahrdrohende Zuftand
der Lefer (5, 11—6, 20). Ganz beftimmte Gefahren, die dem
eng umgrenzten Leferkreife drohen, werden bekämpft,
die erfte und größte davon der Rückfall ins Judentum
unter Verleugnung des Meffias. 5. Die Änderung des
levitifchen Prieftertums (7, 1—8, 5) darzulegen hat nur
paläftinifchen Judenchriften gegenüber Sinn, fie fetzte bei
den Lefern die Abficht voraus, daß fie fich Gott im jü-
difchen Tempel nahen und fich der im Bunde gegebenen
levitifchen Priefterfchaft bedienen wollten; nach des Verf. 1
Anfchauung ift und bleibt diefes aber abgetan. 6. Die
Abfchaffung des Opferkultus (8, 6—10, 18). Auch diefer
Abfchnitt ift nur erklärlich, wenn der Brief an Judenchriften
, und zwar an gefährdete, geht. Ihnen zeigt er, daß
das Kultgefetz des alten Bundes nur typifche, über fich
felber hinausweifende Bedeutung hat. 7. Die Zeitlage des
Hebr.-Briefes (10,19—12,11). In der Begeifterung des
zum Aufftande emporflammenden Volkes hatten die
Chriften Paläftinas als Abtrünnige einen fehr fchweren
Stand, nicht nur äußerlich, fondern auch innerlich, weil
der Bruch mit den Heiligtümern Ifraels noch nicht vollzogen
war und die enttäufchte Parufie-Erwartung die Gefahr
des Abfalls in fich barg. Zum furchtlofen und andauerndem
Widerftande im feiten Glauben an noch nicht
gefchaute Herrlichkeit muß daher der Brief mahnen.
8. Die Gemeinde und ihre gefährdeten Glieder. Die Ge-
famtgemeinde ift verantwortlich für ihre gefährdeten Glieder
. Durchweg ift die Gefährdung die des Rückfalles ins
ungläubige Judentum. 9. Die Tendenz des Hebr.-Briefes
(13, 7—17) ift, den Bruch mit der alten Volksgemeinfchaft
als das gegenwärtig einzig gebotene Mittel vorfichtig aber
doch deutlich zu empfehlen. Die Zeit des Fefthaltens an
der fozialen und kultifchen Verbindung mit dem ungläubigen
Israel um der Miffion willen ift jetzt vorüber.
10. Der briefliche Schluß (13, 8—25) bringt noch einige
Andeutungen über die gegenwärtige Lage des in der
Diafpora weilenden Verf., der Grund hat, anzunehmen, die
Lefer könnten ihm als einem vom Gefetz Abgefallenen
mißtrauen. Doppelt dringend wünfcht er, perfönlich die
Gemeinde wiederzufehen. Verfchiedene Nachfchriften fpie-
len auf Verhältniffe an, den Lefern, aber nicht mehr uns
durchfichtig.

Mit großem Scharffinn und peinlicher Sorgfalt, wie
wir fie aus feiner ganzen Lebensarbeit kennen und an
ihm bewundern, hat W. alles zufammengeftellt, was fich
für feine Auffaffung von Hebr. fagen läßt. Daß es trotzdem
nur einer von den möglichen Verfuchen ift, die fchweren
Rätfei, die der Brief uns aufgibt, zu löfen, wiffen alle,
die fich mit den Fragen urchriftlichen Schriftums befchäf-
tigen. Gleichwohl gebührt dem nimmermüden Gelehrten

großer Dank für die neue Darbietung feines raftlofen Eifers,
weil wir alle mit dem von ihm felber im Vorworte auf-
geftellten Satze einig find, ,daß nur durch folche Detailarbeit
ein wirklicher Fortfehritt unferer Exegefe erzielt
werden kann'.

Wien. Rudolf Knopf.

Sybel, Ludw. v.: Chriftliche Antike. Einführung in die
altchriftliche Kunft. 2. Bd. Plaftik, Architketur und
Malerei. (VIII, 341 u. 44 S. m. 99 Abbildgn., Titelbild
u. 3 färb. Taf.) Lex. 8°. Marburg, N. G. Elwert's
Verlag 1909. M. 8.50; geb. M. 10 —

,Von den Denkmälern der chriftlichen Antike mußten,
im erften Bande, die Katakomben und ihre Malereien an
die Spitze geftellt werden, deshalb weil fie die am früheften
begegnende Monumentenklaffe ausmachen, die zugleich den
Vorzug befitzt, eine umfangreiche und gefchloffene Maffe
zu bilden' (S. 35)k ,An zweiter Stelle flehen die Sklup-
turen; auch fie find in großer Zahl erhalten, doch treten
fie fpäter auf als die Katakomben und Malereien. Zuletzt
kommen die Denkmäler des altchriftlichen Hochbaues.'
Auch ihnen ift ein kürzerer, vortrefflich unterrichtender
Abfchnitt gewidmet (S. 267 ff.), deffen Hauptinhalt man
fich an den Überfchriften: der Gemeindefaal—die Saalkirche
— die Bafilika (die chriftliche B. als wefentlich
neue Spielart der antiken gefaßt, wobei v. S. auf alt-
ägyptifche Bauwerke zurückgreift, bei dem vorläufigen
Fehlen eines Beifpiels der klaffifchgriechifchen Bafilika) —
Wölbkirchen veranfehaulichen mag; übrigens wird den
wachfenden rituellen Bedürfniffen bei diefer Entftehung
hervorragend Rechnung getragen. Knapper noch fällt
der an- und abfchließende Abfchnitt über die Malerei,
d. h. Wandmalerei, Mofaik, Miniatur aus (S. 324 ff.). Verf.
regiftriert hier einige Hauptdenkmäler, ohne über die
Herkunft z. B. der Miniaturen eine Entfcheidung zu wagen.
Was Strzygowski hier (S. 336) und fonft (S. 26 ff, 56,
62, 224 k) an Näherbeftimmungen vorgetragen hat, wird
beanftandet (S. 31 f., 84), ift aber doch für v. S. heuriftifch
wertvoll (S. 26, 56, 109). Die große, auch von Andern
fchon erörterte Frage nach dem vorwiegenden Einfluffe
von Rom oder dem Orient bei der Herftellung der Kunft-
werke und Entftehung ihrer Typen rollt fich auf und
wird fchon in der Einleitung (S. 1 ff.) auf breiterer Grundlage
behandelt, wobei auf die kunfthiftorifchen Beziehungen
zwifchen Orient und Hellas fchon im Altertum zurückgegriffen
und durch den kräftig wiederholten Satz, daß der
Hellenismus für die hier in Frage flehende Periode die
wefentliche Verbindung abgäbe, jener Frage einigermaßen
der Stachel entzogen wird. Hier knüpft Verf. in Fort-
fetzung feiner durch große Nüchternheit und Vorficht
wie durch umfaffendfle Beherrfchung des weitfehichtigen
Materials, gerade auch nach feiten der technifchen Sonderheiten
, ausgezeichneten Arbeit an feine ,Weltgefchichte
der Kunft im Altertum' 1903 (2. Aufl.) ,auf fynchronifti-
fcher Bafis' (S. 32) an.

Der Hauptabfchnitt des Buches behandelt die Plaftik
(S. 33ff) Gerade um feinetwillen durfte man dem Er-
fcheinen des Buches mit Spannung entgegenfehen. Denn
diefer Kunftzweig der Spätantike ift im Unterfchiede von
den übrigen bisher verhältnismäßig am wenigften zu-
fammenhängend und ausgiebig behandelt worden. Eine
umfaffende Sammlung fämtlicher erhaltenen Sarkophage
(zumeift in Rom) in würdiger Reproduktion und Befchrei-
bung fleht noch aus, und auch über die Grundfätze der
Veröffentlichung muß erft Einigung erzielt werden (S. 41,
170). Auch für die antiken Sarkophagreliefs, die feit
1890 veröffentlicht werden, ftände beffer die Ordnung
,nach deren Klaffen und Zeiten' mit Hülfe der fchon ausgebildeteren
Stilkritik (vgl. 31A.) im Vordergrunde (170 A. 1).

1) S. die Befprechung 1907 Nr. 2, aus der die Druckfehler Sp. 46.
Z. 30 v. u. in Kapitel, Sp. 47, Z. 10 in altifraelitifchen zu berichtigen find,