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Ausgabe:

1912 Nr. 19

Spalte:

603

Autor/Hrsg.:

Marmorstein, A.

Titel/Untertitel:

Religionsgeschichtliche Studien. 1. Heft: Die Beziehungen für Christen und Gnostiker im Talmud und Midras 1912

Rezensent:

Bischoff, Erich

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Seite 1

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6o3 Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 19. 604

ihr Hilfe auffaffen und anfaffen zu lehren. Der Schwerpunkt
rückt ganz auf die Gegenwart, die Vergangenheit
muß ihr völlig dienen; fo wird das rechte Verhältnis
zwifchen Zweck und Mittel auf diefem Gebiet hergeftellt,
an dem es überhaupt und hier vor allem fo oft fehlt. —
Pf. behandelt das Leben im Anfchluß an die Bergpredigt,
nicht die Bergpredigt im Blick auf das Leben. Ein ganz
neuer Geift macht lieh hier bemerkbar: nichts von Einteilungen
, Zufammenfaffungen und den anderen fo beliebten
und qualvollen Künften der Schulmeifterei, die den Text
als Zweck be- oder mißhandeln; fondern frei und lofe
werden Plauderftunden voll von Zügen aus dem Leben
des Kindes, der Stadt Leipzig, der Zeit und der Vergangenheit
mit den Kindern gehalten, die ihre Zuneigung
durch Anfchaulichkeit und Selbfttätigkeit erwerben^ ihr
Urteil klären und fo ihr Leben regeln helfen follen. Welches
liebevolle und erfahrungsreiche Verftändnis für Kinder-
leben und Kindesfeele atmen diefe glücklicherweife groß
und breit ausgeführtem Skizzen der Gefpräche! Ich meine,
fo müßten wir es machen, und fo müßte etwas zu erreichen
fein. Daß das ganze den Geift von Fr. W. Förfter atmet,
kann diefe Gewißheit nur beftärken. Wenn diefer freie
praktifche Geift noch nicht mit dem Schulton der heutigen
Schule verträglich erfcheint, fo ift er doch das einzig
Richtige für jede Art von kirchlichem Unterricht, wie
Konfirmandenunterricht und Chriftenlehre. Die Berg-

Eredigt, mit Einfchluß der von Pf. ganz leicht und frei
ereingenommenen 10 Gebote und des Unfer-Vaters ftatt
des Katechismus, als praktifche Ergänzung zu der bib-
lifchen Gefchichte zu nehmen, das ift kein fchlechter Gedanke
. Und wenn dabei der zweite und dritte Artikel
famt den Sakramenten dem kirchlichen Unterricht zufällt,
fo wird jeder wohlmeinende Religionslehrer das als eine Befreiung
und als eine Hilfe zur Freudigkeit empfinden.

Heidelberg. F. Niebergall.

Referate.

Marmorftein, Rabb. Dr. A.: ReligionsgelchichtlicheStudien. I.Heft:
Die Bezeichnungen für Chriften und Gnoftiker im Talmud
und Midras. (83 S.) gr.8». Preßburg 1910. Skotfchau (Ölt. Schießen),
Selbftverlag. gr. 8° Kr. 3.50

Wie fchon die Kapitelüberfchriften (,Das wahre Ifrael', ,Die
antijüdifche Polemik der Kirche' ufw.) und die Eingangsfätze der
Einleitung ergeben, hat der Verf. offenbar die Abficht, zu Harnacks
,Dogmengefchichte' und ,Miffion' die ,Ergänzung aus den tal-
mudifchen Quellen', alfo Parallelen und z. T. Berichtigungen zu
liefern. Das hätte eine recht nützliche Arbeit werden können,
bei der man gern überfehen hätte, daß Verf. keine felbitändige
Quellenkenntnis der chriftlich-patriftifchen Literatur verrät, ja zuweilen
Worte Harnacks naiv als eigenes Zitat aus einem Kirchenvater
gibt, z. B. Seite 23. Aber was bietet ftatt deffen Marmor-
Itein? Einen tumultuarifch aus den verfchiedenften Quellen und
Zeiten zufammengerafften Stellenwirrwarr, dem es nicht nur an
Vollständigkeit, fondern mehr noch an forgfältiger Durcharbeitung,
Erläuterung und Anwendung gebricht. Vieles ift mißverftändlich,
manches direkt falfch aufgefaßt und dargestellt. Ein fürchterliches,
mehrfach direkt unverständliches ,Deutfch' und eine Legion von
Druckfehlern vervollständigen das Bild der faloppen Arbeit, von
deren (in Ausfleht gestelltem) zweitem Teile man wünfehen muß:
Nonum prematur in annum!

Leipzig. Erich Bifchoff.

Pfleiderer, f Prof. D. O.: Die Vorbereitung des Chriltentums in
der griechischen Philolophie. 11.—15. Tauf. 2. Aufl. (Religions-
gefchichtl. Volksbücher. III. Reihe, 1. Heft.) (IV, 64 S.) 8°.
Tübingen, J. C. B. Mohr 1912. M. — 50; geb. M. — 80

Pfleiderers Tochter, Frau Elfe Zurhellen, gibt die erfte populäre
Schrift ihres Vaters neu heraus. Lebte er noch, meint
fle, er würde das Büchlein, feiner Arbeitsweife entfprechend, neu
gestaltet haben. Aber auch für diefen unveränderten Abdruck
müffen wir dankbar fein; das Büchlein ift nicht veraltet und wird
mit feiner glücklichen Befchränkung auf die Hauptfachen und
feiner fchönen Klarheit dem gefchiefltlichen Verständnis des
Christentums und edler, weitherziger, durchdachter Frömmigkeit
dienen.

Hannover. Schulter.

Monod, Löopold, Nouvelles esquisses de morale evangelique. (204 S.)
8". Paris, Fischbacher 1911. fr. 3 —

Die einunddreißig Betrachtungen diefes Bändchens reihen
fleh in durchaus ebenbürtiger Weife an die ersten Esquisses, deren
deutfehe Überfetzung in diefem Blatt angezeigt worden ift (1896,
Num. 7), und die zugleich, feit diefer neuen Reihenfolge, in zweiter
Auflage erfchienen find. Die in einfacher und edler Sprache vorgetragene
,Moral' nennt der Verf. ,evangelifch', nicht bloß weil
ihre Normen dem Evangelium entnommen lind, fondern weil
diefe Moral felbft eine frohe Botfchaft, ein befreiendes Evangelium
fein will (Num. I). Wie die erlte Sammlung, zeichnet fleh auch
diefe durch eine reiche Mannigfaltigkeit aus. Num. 9—13 enthalten
eine Haustafel, die in Num. 16 (Die Kirche und das Kind)
eine fchöne Ergänzung findet. Mit welcher Tapferkeit M. die
öffentlichen Schäden aufzudecken und zu verurteilen weiß, erhellt
z. B. aus Num. 21 (Der Wert der öffentlichen Meinung), 23 (Ein
Ideal nationalen Lebens). Die gegenwärtige Lage der Kirche in
Frankreich gibt Anlaß zu ernsten und freimütigen Ausführungen
(17. gottesdienftliche Gemeinfchaften; 19. Kirchen und Finanzen).
Num. 2 bringt moderne Varianten zu einem alten Gebet (das
Dankgebet des Pharifäers im Tempel), Num. 3 eine Beleuchtung
des Herrengebets nach feiner verpflichtenden Seite, Num. 29 eine
Illultration der Kühnheit und Paradoxie des Evangeliums auf
Grund der Parabel von den beiden Söhnen (Matth. 21,28—32).
Num. 24 ift ein Mufter köftlicher Ironie; M. führt gefährliche
Texte an, über welche man doch niemals predigen möge: Jefaj.
5,8; Apoftelg.4,34;2. Theffal. 3,10; Jon. 4,22; Prov. 14,34. Dichterworte
werden glücklich zitiert und verwendet (S. 32, 47, 53,
55—56, 60—61 ufw.). — Das Büchlein würde es verdienen, wie
die erste Sammlung, ins Deutfehe übertragen zu werden.
Straßburg i. E. P. Lobftein.

Bibelblatt der Preußischen Hauptbibelgefellfchaft 5. Jahrgang Nr 19.
Inhalt: Breeft, E., Die Nürnberger Bibelreviflon des
Dr. W. Hopf aus den Jahren 1847—1852. (Beitrag zur Vorgeschichte
der Hallefchen Revision) (S. 177—188.) gr. 8"
Über die früheren Nummern diefes Bibelblattes f. Nr. 15; die
hier auzuzeigende gilt der 1852 beiTeubner erfchienenen Ausgabe
. Nicht angeführt ift, daß man fleh über fle am bequemsten
aus der als Manuskript gedruckten Tabellarischen Überficht der
wichtigsten Varianten in den bedeutendsten gangbaren Bibelausgaben
' unterrichtet, dieC.Mönckeberg(Halle 1870—71,4 Teile)
zufammengeftellt hat. Auch Tifchendorfs Triglotte kommt gelegentlich
zur Sprache.
Maulbronn. Eb. Neitle.

Helfelbacher, Pfr. K.: Aus der Dorfkirche. Predigten. 2. Bdchn.
2. Aufl. (VII, 161 S.) 8». Tübingen, J. C. B. Mohr 1911.

M. 2.50; geb. M. 3.50
Dies Bändchen der vortrefflichen Heffelbacher'fchen Dorfpredigten
geht zum zweiten Mal aus. Die Predigten felbft find
unverändert; aber den der 1. Aufl. beigefügten Auffatz ,Neue
Bahnen für die Dorfpredigt' hat H. diefes Mal weggelaffen. Unverändert
mochte er ihn nicht laffen, und für gründliche Neubearbeitung
fehlte im Augenblicke die Zeit. Er verheißt fle für
eine etwaige 3. Auflage; die wünfehe ich dem fchönen Büchlein
von Herzen.

Hannover. Schulter.

Felden, Palt. Emil: Grundriß eines modernen Religionsunterrichts.

(32 S.) 8». Bremen, O. Melchers 1911. Geb. M. — 60

In der Tat ein ,moderner' Religionsunterricht. Die Bibel
ein rein menfehliches Buch ohne Vorzug vor andern Büchern.
Das Alte Testament streng, um nicht zu fagen: mechanifch ent-
wicklungsgefchichtlich aufgefaßt (alfo trotz der babylonifchen
Legende im Leben Mofes und des perfifchen Schaofhyant nicht
mehr recht modern). Der Urfprung des Christentums durch
Kalthoff plus A. Drews erklärt; katholifches Mittelalter und Reformation
mit den Augen des liberalen Bildungsphilifters betrachtet.
Eine Übersicht über andere Religionen, in der wir lernen, daß
der Buddhismus heute fast 3U aller Menfchen umfaßt. Eine Belehrung
über ,die Gegenwart', deren Heroen Columbus und
Kopernikus, Darwin und Carl Marx, deren Sterne das Wahre,
Gute, Schöne find; eine Kirche, deren Taufe eine Familienfeier
ift zur Begrüßung des neuen Familienmitgliedes; ein Glaube,
dem Gott und Natur dasfelbe find, der uns aber doch auffordert,
nach ,Gottähnlichkeit' zu streben und das unabwendbare Leid als
,göttliche' Notwendigkeit anzuerkennen, der die Erde zur Heimat
macht, aber durch ,Innenkultur', durch Liebe, Glaube an die Ent-