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Ausgabe:

1912 Nr. 2

Spalte:

37-38

Autor/Hrsg.:

Ott, Anton

Titel/Untertitel:

Die Auslegung der neutestamentlichen Texte über die Ehescheidung 1912

Rezensent:

Fiebig, Paul

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 2.

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den ,Hexateuch', wie S. IX von McNeile zitiert wird, und
zwar eine Einleitung, welche die Ergebniffe der bisherigen
kritifchen Arbeit in fehr gefchickter Weife zufammen-
faßt. Eine Inhaltsüberficht von 13 Seiten, ein Reihe von
10 Anhängen, ein ausführliches Regifter läßt jeden Punkt,
über den man Auffchluß fucht, leicht finden.

Ein paar Einzelheiten. Die englifche Sitte, um nicht zu fagen, Un-
fitte, kirchliche Würdenträger nur nach ihrem Sitze zu benennen — in
accordance wtth the policy of his predecessor the Bishop of Worcester

Das Problem des Buches ift folgendes: die katholifche
Kirche verwirft feit dem Konzil von Trient auch im Falle
des Ehebruchs die Ehefcheidung. Wie paßt das zu den
Ausfagenjefu? Läßt nicht nach Mt. 5,32 Jefus den Ehebruch
als Scheidungsgrund zu? Xoyoc xogveiag verfteht O. als
gleichbedeutend mit dem 5. Mofe 24, 1 vorliegenden
-an nny, das LXX mit aoyrjfiov jigäyfia überfetzt, und
gibt darin Mt. 5, 31. 32 fo wieder: ,Euch ift gefagt worden,
wer immer fein Weib (wegen Ervath dabar) entläßt, gebe

lehnt der Herausgeber des altteftamentlichen Teils die Verantwortung für , ^r den Scheidebrief. Ich aber fa^e euch , wer immer

Einzelheiten ab; wer ift diefer Bifchof? — ift S. 2 fogar auf Zitate ausgedehnt
,the bishop of Winchester, The Canon of the O. T., sec. edition',
1898, p. 221. Wie foll mein Buchhändler darnach das Buch beftellen,
oder ein Bibliothekar es finden! — In der t'berficht über die Gefchichte

ganz abgefehen von Ervath dabar (oder: ausgenommen
fogar Ervath dabar) fein Weib entläßt, handelt ehe-
brecherifch, und wer eine Entlaffene heiratet, bricht die

der Pentateuchkritik vermiffe ich hier, wie anderswo, den Namen Lagar- ' £be< jyp. gt g wiH O. Überfetzen: ,Wer immer fein Weib

tri5' d«Wellhaufens beruhmt f"™dra m°tto 6 voßog naQuan)^' • enü-ßt _ es ift auch nicht en fjnzucht erlaubt (sc.
ichon 1870 vorweggenommen hat (G.G.a. 1870, 39 S. 1549 — 1560 = ,, rr • c-- 1 t 1 & j au/- u.

Symmicta tSyy, bef. s. 56). — Für die hebräifche und arabifche Be- : zu entlaffen im Sinne der Juden mit der Abficht, eine
deutung von sn? lehrreich ift englifch ,meat'; meat offering' an offering j andere zu heiraten) — und eine andre ehelicht, der bricht

of which flesh was no part (S. 149). — Slü für IW1 (S. 226) findet fich
nicht bloß im Petersburger Prophetenkodex von 916, fondern, wie Gins-
burg's Kollationen zeigen, noch an vielen Stellen außerhalb des Peuta-
teuchs in einer ganzen Reihe von Handfchriften, fo daß man um fo
weniger von einer Eigentümlichkeit und einem Archaismus im Penta-
teuch reden kann. — Die Cberfchrift S. 6: The narae Hcxateuch läßt
fragen, wo der ältefte Beleg dafür fich finde.

2. Daß die Sammlung fich nicht auf ,Cambridgemen'
befchränkt, zeigt die Mitarbeit Driver's, von dem auch
fchon Daniel, Joel und Arnos bearbeitet wurde, und jeder
Blick in die 70 Seiten der Einleitung in den Anmerkungen
beftätigt, wie viel Fleiß er es fich koften ließ. Sehr dankenswert
find die Karten (Ofthälfte des Delta, 16 Meilen
auf den Zoll; Nordwefthälfte der Sinaihalbinfel nach Ord-
nance Survey); die Abbildungen und die Zeittafel (Exodus
nach der Bibel 1491, wahrfcheinlich c. 1230). Zu gründe
gelegt ift hier die Revised Version, wie beim Buch Efther
und der zweiten Bearbeitung der Königsbücher (von
Barnes, nicht Lumly). Namentlich Nichtengländer werden
für die Erklärung feltener englifcher Ausdrücke dankbar
fein; jedermann für die forgfältige Erörterung der Realien.

Als einzigen Druckfehler, der mir auffiel, berichtige ich uoema
S. 266. Unter denen, die in Ex. 34 einen ritualen Dekalog erkannten,
hätte neben Göthe ,1773' und (unabhängig von ihm), Wellhaufen, der
Kirchenfchriftfteller, mehr als 1000 Jahre vor Göthe, genannt werden
dürfen, auf den ich ZatW 24, 1904 S. 134 hinwies. — In der Frage
nach der Lage des Smafi) neigt fich Driver noch zur hergebrachten
Anficht. — Daß Meriba nur andrer Sprachgebrauch für Medina und
Mispat fein könnte, wird nicht erwähnt.

3. Während der Text des Buches Numeri umfangreicher
ift, als der des zweiten Buches, braucht McNeile
(.Fellow and dean of Sidney Sussex College in Cambridge)
weniger als die Hälfte des Raumes von Driver; beo-reif-
licherweife. Vielfach verweift er auf Gray's Kommentar,
z. B. zum Schluß der Bileamfprüche. Er felbft hat im
Weftminfter-Kommentar Exodus bearbeitet, worauf Driver
mit Anerkennung verweift. Wer fich erinnert, welchen
Sturm Colenfos Nachweis der Ungefchichtlichkeit der
Zahlen des Pentateuchs in der englifchen Kirche hervorrief
, freut fich zu fehen, mit welcher Objektivität jetzt
davon felbft für .Schulen und Lehranftalten' gefprochen
wird.

Auf Karte 1 geht der Zug der Israeliten von den Bitterfeen direkt
nach Eziongeber (J Elim, Elath) und ift ,? MtSinai' bei Kades angefetzt;
auf der zweiten ,? Abel Shittim' öftlich vom Südende des Sees Tiberias'.
— Fragwürdige Form: ,athaniel loh. I, 45 (S. 3.).

die Ehe.' — Daß Jefus die Ehefcheidung unter allen Um-
ftänden ablehnt, fcheint mir ficher zu fein. Darin fieht
O. exegetifch das Richtige. Seine Auffaffung von jiagsx-
roq Xoyov xogvetaq und fori xogvtia fcheint mir aber
künftlich zu fein. Das Natürlichfte ift, in beiden eine
Interpolation anzunehmen, die ihren Grund in der von
Jefu Wort abweichenden Praxis der alten Chriften und
der Juden jener Zeit hat. Aus dem Syrsin (vgl. Merx
zu Mt. 5, 32) folgt, daß die alten Chriften die Ehefcheidung
zuließen. Die Juden haben fie von jeher zugelaffen, fie
waren fich nur über die Faffung von "Ql rvnj> nicht einig.
Die ftrengere Schule, die Schammaiiteri,'betonten hier das
nj"iS, lafen alfo jtogvela heraus, fo daß die hebräifchen
Worte in diefem Sinne mit Xoyoq Jtogvdaq im Griechi-
fchen wiedergegeben worden fein können. Dann würde
alfo in den Worten otagexxog loyov Jtogvdaq nicht eine
einfache Überfetzung von "lOn tri")? liegen (das wäre
eher aOyrj/iov Jtgäyfta), wie 0/will, fohdern eine Wiedergabe
diefer Worte im Sinn der Schammaiiten.

Gotha. Fiebig.

Weiß, Dr. Bernh.: Der Hebräerbrief in zeitgeichichtlicher
Beleuchtung. (Texte u. Unterfuchungen zur Gefch. der
altchriftl. Lit. 3. Reihe, V. Bd., Heft 3.) (110 S.) 8U.
Leipzig, J. C. Hinrichs 1910. M. 3.50

Der Senior unferer Ntlichen Disziplin legt feine
Anfchauungen über Hebr., die wir aus feinem Lehrbuche
der Einleitung und feinem ausführlichen Kommentar in
der Meyerfchen Reihe bereits kennen, noch einmal in
großer Ausführlichkeit dar. Hebr. ift nach feiner Auffaffung
an judenchriftliche Lefer Paläftinas, und zwar vor
dem Ausbruche des jüdifchen Aufftandes, alfo in einer
fehr ernften Stunde, gefchrieben; es ift ein wirklicher
Brief und keine Abhandlung; fein Zweck ift, die Lefer,
— und es muß fich bei ihnen meift um die Gemeinde
von Jerufalem handeln — zu einem endgültigen Bruche
mit ihrer Vergangenheit zu bewegen, ihnen, die geneigt
waren, im Glauben an den Meffias Jefus fchwankend zu
werden, die zweifelten, ob die harte Feindfchaft, in der
fie mit ihren Volksgenoffen ftanden, mit all den Leiden,
die fie brachte, fich tatfächlich lohne, wieder aufzurichten
und fie zum entfcheidenden Schritte zu bewegen. So ift

Dem.unVu^ Lev>' Hebr. ein wirklicher, echter Brief in einer beftimmten

• und Kuth, nebft dem größeren Teft der Apokryphen. ^ beft'immten Zwecke gefchrieben. Die

Maulbronn. Eb. Neftle.

Ott, Expos. Dr. Anton: Die Auslegung der neuteftament-
lichen Texte über die Ehefcheidung. Hiftorifch-kritifch
dargeftellt. (Neuteftamentl. Abhandl. III. Bd., 1—3 Heft).
(VIII, 304S.)gr.8«. Münfter.Afchendorff 1911. M. 7.80

O.s Ausführungen find vor allem für die Gefchichte
derExegefe wertvoll. Er behandelt Mt. 5, 31.32, 19,3—10,
10,2—12, Lc. 16,18, fcheidet aber 1. Kor. 7,12ff. aus.

lehrhaften Abfchnitte in ihm haben von den ermahnenden
her ihren Sinn und ihre Beleuchtung zu empfangen.
Brennende praktifche Bedürfniffe, nicht theoretifche Unterfuchungen
beftimmen den Inhalt des Briefes, fie zu ermitteln
, ift die Aufgabe der richtigen Exegefe, die im
Gegenfatz zur dogmatiftifchen fteht, von der die religions-
gefchichtliche Auslegung nur eine neue Form ift.

Den Nachweis für die Richtigkeit feiner Auffaffung
führt W. in einer forgfältigen Analyfe des Briefes, die in
10 Abfchnitten den Inhalt des Schreibens vorführt und