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Ausgabe:

1912 Nr. 19

Spalte:

582-583

Autor/Hrsg.:

Gray, George Buchanan

Titel/Untertitel:

A critical and exegetical Commentary of the Book of Isaiah. In two volumes 1912

Rezensent:

Löhr, Max

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 19.

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piell auf dem Boden oder .unter dem Bann' der Quellen-
fcheidung, in diefer letzten Schrift räumt er auch mit
diefem Reft aus feiner kritifchen Vergangenheit auf und
wird ein mutiger Verfechter der alten Tradition der Kirche
bzw. der Synagoge. Denn S. 211 fagt er klipp und klar,
daß es richtiger fei zu fagen, welche einzelnen Stücke nicht
von Mofes find, als zaghaft hier und da ein verfprengtes
Stück auf ihn zurückzuführen, und S. 213 erfcheint es
ihm eine nach allen Seiten wohlbegründete Aufgabe zu
fein, das pentateuchifche Problem wieder mit vollem Vertrauen
unter dem Gefichtspunkt der Abfaffung durch
Mofes anzufehen, während ihm ein mehr als menfchlicher
Glaube dazu erforderlich zu fein fcheint, den Pentateuch
für ein Erzeugnis vom 9. oder 8. Jahrb.. an abwärts zu
halten.

Die Arbeit zerfällt in zwei Hauptteile. Im erften
befchäftigt er fich mit der Kritik der Quellenfcheidung.
Er behandelt zunächft die zur Quellentheorie führenden
Motive: die Dubletten mit ihren Abweichungen und
Widerfprüchen und dem Wechfel der Gottesnamen; fo-
dann erörtert er die zur Quellenbeftimmung führenden
Motive: den Sprachgebrauch der verfchiedenen Quellen
, die Theologie derfelben und den Zufammenhang der
ausgefchiedenen Stücke. Daran fchließt fich eine Kritik
der Redaktorenfiguren.

Der zweite Hauptteil will den Lefer zur Uberwindung
der Quellenfcheidung führen. Er weift hier auf die an
verfchiedenen Stellen fich findenden Anfpielungen auf
Namen von Perfonen und Sachen, befpricht den Unter-
fchied der Genefis von den anderen Büchern des Penta-
teuchs, den Sprachgebrauch ufw. Den Hauptnachdruck
legt M. aber offenbar auf den von ihm unternommenen
Verfuch die Einheit des biblifchen Textes an der Abra-
hamgefchichte Gen. 11, 27—25, 11 nachzuweifen, er fucht
hier zu zeigen, wie alle einzelnen Gefchichten durch das
Thema Gen. 12, 1—4a beherrfcht werden, eine folche Be-
herrfchung im Einzelnen wie im Ganzen fei nur bei einem
einheitlichen Verfaffer, einer Schriftftellerperfönlichkeit
möglich. Daran macht M. auch z. B. die Differenz der
Gottesnamen in den Erzählungen nicht irre, die Wahl
der Gottesnamen fei eben bedingt durch die Beziehung
auf die Gottesnähe und Gottesferne vgl. S. 175 f., bisweilen
erkläre fich auch der Gebrauch von 'elohim durch
einen verfchwiegenen Gegenfatz z. B. Gen. 22,8. 12. Nur
geftreift wird die Einheitlichkeit der übrigen Bücher: er
weift auf die Bedeutung typifcher Zahlen für die Einheitlichkeit
biblifcher Texte und gibt einzelne Winke für die
Sintfluterzählung, fowie für Exodus und Leviticus. Die
Arbeit fchließt mit Rückblicken und Ausblicken gegenüber
dem Pentateuch.

Das ift in kurzen Zügen der Gedankengang der
Schrift, aus dem erfichtlich ift, daß wir es nicht mit bahnbrechenden
neuen Gedanken zu tun haben, fondern es
find die modernifierten Gedanken Ewalds von 1828,
Drechslers u. a. Es foll dem Verf. willig zugeftanden
werden, daß er fich bemüht hat, einen Einblick in den
gegenwärtigen Standpunkt der Pentateuchkritik zu gewinnen
, daß er auch auf gewiffe Schwächen, wie fie
einzelne moderne Kritiker in ihrer Zerftückelungswut
zeigen, mit Recht aufmerkfam macht; aber unbeftritten
ift des Verf. Neigung, fich an den nebenfächlichen Dingen
aufzuhalten und darüber die Hauptfache aus den Augen
zu verlieren. Nur fo begreift fich des Verf.s hervortretende
Freude, Männern wie Gunkel und Sievers etwas
am Zeuge zu flicken und zu meinen, daß mit dem Nachweis
einer verkehrten Anfchauung, felbft wenn er gelungen
ift, die Pentateuchkritik überhaupt erfchlagen fei.
Überhaupt fcheint mir eine Eigenart der Arbeit M.s darin
zu liegen, daß er zwar über rabuliftifchen Scharffinn verfügt
, daß ihn aber common sense nur zu oft im Stich
läßt. Da und dort tritt er hervor, fo wenn er S. 211
darauf hinweift, daß man die menfchliche Eigenart nicht
außer Acht laffen foll, die in ziemlich hohem Grade

Widerfprüche verträgt. Hätte er fich die Tragweite diefes
Gedankens klar gemacht, fo hätte er den Verfuch unter -
laffen, aus gewiffen Inkonfequenzen der Redaktoren bei
Bearbeitung ihrer Texte auf die Abfurdität diefer Annahme
von Redaktoren überhaupt zu fchließen. Leider
verbietet es der Raum, die Beweisführung des Verf.s im
einzelnen zu charakterifieren, ich greife nur ein Beifpiel
heraus. In den Rückblicken und Ausblicken weift er
S. 213 f. auf die aufMofe zurückgeführten Niederfchriften
hin: hat die Kritik gefchloffen, daß die Zurückführung
einzelner Stücke des Pentateuch auf Mofe nur dann einen
Sinn habe, wenn eben die übrigen Stücke, von ihm nicht
abgeleitet würden, fo repliziert M., das fei gerade fo geift-
reich, als wenn man aus Stellen wie Jef. 8, 1; 30, 8 u. a.
die Ünechtheit anderer Prophetenworte bewerfen wolle,
ja er hebt durch Sperrdruck heraus, daß in den für
Mofes ausdrücklich bezeugten Niederfchriften
alle von der Kritik herausgeftellten wefentlichen
Stilarten (D, J, E, JE, P, Lieder) vertreten find.
Damit ift das aus der Verfchiedenheit der Stilarten entlehnte
Moment für die Pentateuchkritik befeitigt. Ich
unterlaffe es, irgendein Wort der Kritik hinzuzufügen,
diefe Beweisführung redet Bände.

Aus einer beiläufigen Bemerkung erfahren wir, daß
Freunde, die ungenannt bleiben wollen, durch Bereit-
ftellung von Mitteln die Möglichkeit gegeben haben, daß
diefe Arbeit M.s gedruckt werden konnte. Ich kann nur
bedauern, daß foviel Eifer und Ernft, foviel Scharffinn
und Fleiß auf Aufführung von Lehmfchanzen verwandt
werden. Ich fürchte, daß auch die jetzt vertretene Pofi-
tion M.s feine letzte nicht fein wird, weil von M.s Prinzipien
aus zwar eine fcholaftifche, aber keine freie gefchicht-
liche Wiffenfchaft möglich ift.

Straßburg i. E. W. Nowack.

Gray, Prof. George Buchanan, D. D., D. Litt, and Prof.
Arthur S. Peake, D.D.: A critical and exegetical Com-
mentary of the Book of Isaiah. I—XXXIX by G., XL
—LXVI by P. In two vol. Vol. I. Introduction, and
Commentary on I—XXVII. (The International Critical
Commentary.) (CI, 472 S. m. 1 Karte.) 8°. Edinburgh
, T. & T. Clark 1912. s. 12—

Der vorliegende erfte Band diefes Kommentars muß
als ein fehr nützlicher Beitrag zur Jefaias-Literatur bezeichnet
werden. Unter ftändiger umfaffender Benutzung
der neueren Publikationen deutfcher und englifcher Sprache
geht der Verf. doch meift feine eigenen Wege und künftige
deutfche Arbeiten zum Jefaias-Buch werden nicht
ohne Rückfichtnahme auf ihn gefchrieben werden können.
Es ift recht zu wünfchen und gewiß auch zu erwarten,
daß die Fortfetzung und der zweite, von Arthur S. Peake
bearbeitete Band die gleiche wiffenfchaftliche Höhe wie
diefer erfte einhalten wird.

Ständig verwertet ift zu meiner Freude als gutes
Beifpiel patriftifcher Gelehrfamkeit und Exegefe des Hieronymus
Kommentar und von mittelalterlichen Forfchern
Rafchi, Kimchi und Abn Esra. Über die Fragen der
Metnk äußert fich der Verf. S. VIII f. und §44—57 mit
Recht fehr zurückhaltend. I remain sceptical of the fina-
hty of any existing theory of Hebrew metre; gewiß bietet
fich bisweilen eine verblüffende Regelmäßigkeit im Bau
der Stichen (Verfe) und Strophen dar, aber ob man
darum überall textkritifch eine Regelmäßigkeit herftellen
foll, ift ihm zweifelhaft. At the present stage metrical
arguments alone appear to me a precarious textual cri-
terion, S. IX. Ausführlich behandelt Gray die Frage
nach Urfprung und Gefchichte unfres Prophetenbuches,
§ 8—40, wobei er z. B. dem Zeugnis der Chronik ß. 36,
22 f. befondere Beachtung fchenkt. Wertvoll ift in diefem
Zufammenhang auch der Abfchnitt: prophetic teaching
and prophetic literature. Als criteria for diftinguishing

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