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Ausgabe:

1912 Nr. 18

Spalte:

563-564

Autor/Hrsg.:

Cramer, S. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Bibliotheca reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den Tijd der Hervorming in de Nederlanden. VII. deel 1912

Rezensent:

Köhler, Walther

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563 Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 18. 5^4

hiftorifch-motivgefchichtlicher, einzuladen. Von den acht
literarifchen Formen, in denen nach Spamer die my-
ftifchen Gedanken zum Ausdruck gekommen find, den
Predigten, Traktaten, Legenden, Verfen, Sendbriefen,
Viten, Gebeten und Sentenzen, find die erften vier durch
mehrere Beifpiele belegt. Unter den Predigten erfcheinen
zum erften Male einige Proben aus Eckeharts ,Opus
sermonum' abgedruckt. Beigegeben ift eine ausgezeichnete
Reproduktion einer Seite aus der Hdfchr. der Cuefer Hofpi-
talbibliothek Nr. 21, der die Predigten entnommen find.

Auch die Textgeftaltung ift vom pädagogifchen
Gefichtspunkt aus vorgenommen worden. Spamer hat
darauf verzichtet, die Texte unter fyftematifcher Durch-
fuchung der Bibliotheken nach einfchlägigen Handfchriften
kritifch zu bearbeiten, er hat auch nicht prinzipiell die
jeweilig ältefte der erreichbaren Überlieferungen dem Abdruck
zugrunde gelegt, es fchien ihm vielmehr ,eine
möglichfte Vielheit von Proben nach Ort und Zeit ver-
fchiedener Sprachvarianten' erwünfcht, und die zum Abdruck
beftimmten Texte hat er dann ganz konfervativ
behandelt. Ob er mit diefem Verfahren immer das Richtige
getroffen hat, wage ich nicht zu entfcheiden. Jedenfalls
aber hat er es erreicht, daß fein Buch eine Fülle
von Anregungen enthält.

Zwickau i. S. O. Clemen.

Bibliotheca Reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den
tijd der hervorming in de Nederlanden. Opnieuw uit-
gegeven en van inleidingen en aanteekeningen voor-
zien door Hoogl. Drs. S. Cramer en F. Pijper.
VII. Deel: Zestiende-eeuwsche schrijvers over
de gefchiedenis der oudfte Doopsgezinden hier
te lande bewerkt door Dr. S. Cramer. (VIII, 587 blz.)
Lex. 8°. 's-Gravenhage, M. Nijhoff 1910. M. 8 —

Der 7. Band der Bibliotheca reformatoria Neerlandica
ift wie der fünfte ganz der Täufergefchichte gewidmet,
darum auch von Cramer herausgegeben. Es werden im
ganzen 5 Schriften geboten, fämtlich von Gegnern der Täufer
verfaßt, die in der Regel auch diefelben Angriffe gegen
ihre Feinde richten (Bekämpfung der apoftolifchen Suk-
zeffion, der Banngewalt, der Gemeinde der Heiligen etc.),
fodaß eine einheitliche Wirkung in diefem Bande erzielt
wird. An der Spitze fleht die successio anabaptiftica,
1603 in Köln erfchienen, der Vf. nennt fich V. P., er war
ficher Niederländer, der genaueName ift nicht auszumachen,
die Hauptfache ift feine Sachkundigkeit. Wie der Titel
fagt, bekämpft er den Anfpruch der Mennoniten, die
wahren Nachfolger der apoftolifchen Urgemeinde zu fein,
und zwar führt er gegen den religiöfen Begriff der
successio den hiftorifchen katholifchen Traditionsbeweis
ins Feld. 1612 erfchien eine Neuauflage des Buches. Es
ift wertvoll durch die zahlreichen eingeftreuten hiftorifchen
Notizen oder Dokumente, von denen ich den Brief der
fchweizerifchen Wiedertäufer an die Niederländer (S. 24 ff.)
von 1525 heraushebe. Wichtig nicht minder find die
Nachrichten über die Einwirkung englifcher Browniften
auf die holländifchen Mennoniten und umgekehrt 1592
(S. 71 ff). Als zweites Stück folgt das .Bekenntnis von
Öbbe Philipsz' gedruckt 1584, gefchrieben vor 1560, ein
anfchauliches Bild von den holländifchen Täufern in den
Jahren 1534—36 gebend. Philipsz ift Apoftat der Taufge-
finnten, aber nicht Katholik, fondern Libertinift. Auch hier
handelt es fich um den Anfpruch, die Kirche Chrifti
zu fein; an der Echtheit der Schrift ift wohl nicht zu
zweifeln trotz einiger hiftorifchen Unrichtigkeiten. An
dritter Stelle wird geboten der ,Gegenbericht' von Hans j
Alenson 1630, aufgenommen um deswillen, weil er fonft !
unbekannte Nachrichten über die Täufer in der Mitte des !
16. Jhs. bietet, u. a. die Gefpräche aus den letzten Tagen
Mennos betr. ehelicher Enthaltung bei Mifchehen und
Wiederholung der Erwachfenentaufe. Die feltene Schrift

ift zur Zeit nur noch in einem Exemplar (Univerfitäts-
bibliothek Zürich) erhalten. Interefiant ift u. a. eine Notiz
über die voetbanck des Heeren (S. 237), die von den Gebannten
mit Tränen genetzt wird, um die Gemeinde (vergeblich
) umzuftimmen. Cramer verfteht darunter den Bet-
fchemel, aber gab es den in den Täufergemeinden? Es
fcheint fich um eine Bußbank zu handeln für von der
Gemeinde Geftrafte. — Den größten Teil des Bandes
nehmen die Einfchübe von Gerhard Nicolai in Bullingers
Werk über die Wiedertäufer ein, deffen ftarke Verbreitung
in den Niederlanden ja Gooszen (vgl. diefe Zeitung 1910,
Nr. 20) feftgeftellt hatte. Inhaltlich find es namentlich
Mitteilungen über die Täufer in Norddeutfchland, Friesland
und den Niederlanden. Nicolai war Oftffiefe, der
Herausgeber feines Werkes war Johann Malet. Wertvoll
find vor allem die Mitteilungen über David Joris und
Hendrik Niclaes, fodann 2 Briefe von Menno Simons.
Der Verfaffer beurteilt S. 473 gut reformatorifch die Wiedertäufer
als gecapte Monicken des Roomschen Paus. — An
den Schluß gefleht ift der Bericht Karls v. Gent über die
Spaltungen unter den Taufgefinnten, gefchrieben 1615,
gedruckt 1658. Wer die Perfönlichkeit diefes Karl v. Gent
war, ift rätfelhaft, Mitteilungen des Berichtes kontraftieren
mit fonftigen Nachrichten, und ein glatter Ausgleich ift
nicht zu erzielen. In den Bericht ift allerlei eingefügt,
u. a. auch ein Stück aus Bernd Rotmanns .Reftitution'.
Befonders klar tritt hier die Hartnäckigkeit des Bannzwanges
heraus, der Gebannte wird in aller Schärfe boykottiert
, und man merkt deutlich, daß ein Hauptanfatz-
punkt des Kampfes gegen die täuferifche Apolitie eben
bei diefer Frage liegen wird. Die Durchzwingung der
Gemeinde der Heiligen war einfach eine Unmöglichkeit.
— Eine crux der Bibliotheca war von jeher die Text-
rezenfion (vgl. meine Befprechung der früheren Bände).
Soviel hatte mein lebhafter Widerfpruch gegen den unveränderten
Abdruck der Urdrucke mit allen Druckfehlern
und Sinnlofigkeiten (!) erreicht, daß wenigftens
in Anmerkungen die letzteren verbeffert wurden. Wie
aus dem Vorwort vorliegendenBandes hervorgeht, gefchieht
das aber nur in Auswahl! Ich hatte mir die Mühe gegeben
, zu Bd. 5 einiges, wie ich glaubte, Überfehene zu
notieren, höre aber jetzt, daß es abfichtlich flehen blieb.
Unter diefen Umftänden verzichte ich nunmehr darauf,
offenbare Textfehler zu notieren, obwohl es deren noch
genug gibt neben den von Cramer notierten. Es ift mir
einfach unverftändlich, warum ein fo vortreffliches Werk
wie die Bibliotheca textkritifch direkt rückfländig ift;
meinethalben mag man im Text alle Fehler flehen laffen,
aber man foll fie dann in den Anmerkungen auch alle-
famt vermerken. — Zu S. 519 Anm. 3 .Interim' ift hier
nicht das Interim von 1548, fondern = proviforifcher Zu-
ftand, wie er damals in Friesland herrfchte. Die Verordnung
von 1548 hat ja auch als Proviforium den Namen ,Interim'
erhalten.

Zürich. Walther Köhler.

Kuhn, F.: Choses anciennes et nouvelles. (328 S.) 8°. Paris,
Fischbacher 1911. fr. 3.5°

Aus dem von F. Kuhn mit A. Mettetal im Jahr 1865
gegründeten und bis zu feinem Tod (1905) mit Talent und
Erfolg redigierten Blatt Le Temoignage haben einige
feiner Freunde eine Auswahl von Auffätzen und Artikeln
herausgegeben, die das Andenken an den Verfaffer feilhalten
und verbreiten follen. Derfelbe, 1824 in Mömpel-
gard geboren, wurde vom Mömpelgarder Lande nach
Paris berufen, und wirkte als Nachfolger Louis Meyers
feit 1866 an der Redemptionkirche. Ein überzeugter und
gefchickter Anwalt der Kirche Augsburgifcher Konfeffion,
feit 1888 Präfident des lutherifchen Konfiftoriums in Paris,
erwarb er fich um die Erforfchung des .Lebens und der
Werke Luthers' (3 Bände 1883—1884) große Verdienfte,
die allerdings nicht in gebührendem Maaße gefchätzt