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Ausgabe:

1912 Nr. 17

Spalte:

528-531

Autor/Hrsg.:

Burkitt, F. C.

Titel/Untertitel:

A New Ms. of the Odes of Solomon 1912

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 17.

528

Thomplon, J. M.: Miracles in the New Testament. (XV,
236 S.). 8°. London, E. Arnold 1911. s. 3.6

Thompfons Buch bietet uns eine kritifche Betrachtung
des Wunders im NT. Es gliedert fich, von dem
Appendix abgefehen, der einige mittelalterliche Analogien
beibringt, in elf Kapitel, deren erft.es die Natur des
Problems auseinanderfetzt, während das letzte, deffen
pofitive Darlegungen dem Verf. von großem Werte find,
ausführt, wie die für den Hiftoriker beftehende Unmöglichkeit
, in der Gefchichte Jefu wirklich wunderbare Elemente
nachzuweifen, dem Glauben, der in Jefus Gott
findet, keinen Abbruch tun kann. Bei der Entftehung
des Chriftentums ging es nicht mirakulös, wohl aber
übernatürlich zu. Dem Nachweis der negativen Seite
diefer Thefe dienen die übrigen Kapitel. Kap. 2—8
nehmen die einzelnen Schriften durch, die von Wundern
reden oder folche erzählen: die paulinifchen Briefe, Mk.,
die Quelle Q, Mt., das Luk.-evangelium, Joh., die Apoftel-
gefchichte. Kap. 9 handelt von der Jungfrauengeburt,
Kap. 10 von der Auferftehung.

Th. teilt die Wundererzählungen des NT.s in drei
Klaffen ein, je nachdem fie auf Vifionen beruhen, von
Heilungen handeln oder Dinge berichten, die fchlechthin
nur unter übernatürlicher Einwirkung zustande gekommen
fein können. Die Erklärung der erften beiden Kategorien
bietet dem Vertreter moderner Wiffenfchaft keine unüberwindlichen
Schwierigkeiten. Von der dritten kann er
zwar fagen, daß das, was hier gefchildert wird, fich niemals
zugetragen hat. Ein brauchbarer Verfuch jedoch, darzutun
, wie folche Erzählungen zu entliehen vermochten,
muß fich durch große Vorlicht auszeichnen und darf fich
nicht von vornherein einer beftimmten Deutungsmethode
verfchreiben, heiße fie nun die mythologifche, die litera-
rifche oder fymbolifche.

Das Mk.-evangelium, bei dem im Anfchluß an B. W.
Bacon forgfältig zwifchen Petrusftücken, Q-Beftandteilen
und dem Eigentum des Evangeliften unterfchieden wird,
enthält neben Heilungen und Vifionen (Taufe, Verfuchung,
Verklärung) fünf wirkliche Wunder (Stillung des Sturmes,
Jairustochter, Speifimg, Wandeln auf dem See, der verdorrte
Feigenbaum). Von den feltfamen Vorfällen beim
Tode Jefu (Mk. 15,33. 38) fieht Th. ab, .because they are
reported without any particularity, and need not, in any
case, involve a miracle' (p. 42). Von jenen fünf Ge-
fchichten hat die letzte ihre Wurzel in der Parabel vom
Feigenbaum, Luk. 13,6 (p. 48 f.). Die vier anderen gehören
der galiläifchen Periode des Lebens Jefu an, jener
Zeit, in der der Enthufiasmus alle Schranken überflog.
Bei Abfaffung des Evangeliums fehlte die Möglichkeit,
felbft wenn der Wunfeh fich geregt hätte, feftzuftellen,
was eigentlich hinter jenen überfchwenglichen Berichten
fteckte. Daß ihnen fämtlich irgendwelche natürlichen
Vorgänge zugrunde liegen, die ein Mißverftändnis zu
Wundern erhoben hat, ift des Verf. Überzeugung.

In dem Abfchnitt über die Jungfrauengeburt vertritt
er die Meinung, daß Luk. (nach Entfernung von
eJtel avÖQct ov yivmaxm 1,34) eine ganz natürliche Geburt,
nur mit wunderfamen Begleitvorfällen, befchreibt und nur
Matth, das Wunder in Erzeugung und Geburt Jefu felbft
fieht. Der ältefte biblifche Auferftehungsbericht erzählt,
wenn man nicht zuviel aus ihm herauslieft, von einem
Zufammentreffen von Frauen mit einem weißgekleideten
Jüngling (Mk. 16, 5, wohl identifch mit dem Jüngling 14, 51,
d. h. mit Markus), der ihnen die Mitteilung macht, daß
das Grab leer ift.

Der größte Mangel des Buches ift m. E., daß es von
den nt. Wundern handelt, ohne den Kreis der benutzten
Quellen über das NT. auszudehnen. Th. wirft keinen
Blick auf die Wunderberichte, die fonft in der urchrift-
lichen Literatur enthalten find, trotzdem ihn etwa die
Behandlung der Apoftelgefchichte an die außerkanoni-
fchen Akten hätte weifen können. Eben fo fern liegt es

ihm, jüdifche Wundergefchichten aus jener Zeit oder die
Berichte der alten jictQaöogoy()ä<poi als Vergleichsmaterial
heranzuziehen Und Namen wie Dieterich, Reitzenftein,
Weinreich uff. begegnet man niemals. Hätte Verf. den
Blick hinausfehweifen laffen über die Grenzen des NT.s,
fo würde er es fich vielleicht nicht feiten erlaffen haben,
hinter dem Wunder das natürliche Ereignis' aufzufpüren,
das feine Bafis bilden folle; die vergleichende Religions-
gefchichte hätte es ihm geftattet, die überwiegend richtigen
Grundfätze feiner Betrachtungsweife viel kräftiger
zur Geltung und Anerkennung zu bringen.

Marburg i. Heften. Walter Bauer.

Robinfon, J. Armitage: The Problem of the Didache. [Extract
from the Journal of Theological Studies', April 1912,
Vol. XIII, Nr. 51, p. 339-356.]
Burkitt, F. C.: A New Ms. of the Odes of Solomon. [Ebenda

s. 372-385-]

Turner, C. H.: The Text of the newly discovered scholia of
Origen on the Apocalypfe. [Ebenda S. 386—397.]
; Chapman. John: Zacharias, slain between the temple and
the altar. [Ebenda S. 398—410.]

In diefer Zeitung werden in der Regel Abhandlungen,
die in Zeitfchriften erfchienen find, nicht angezeigt. Aber
I wenn ein einziges Heft vier fo hervorragende Beiträge
zur Gefchichte der alten Kirche bringt, wie das April-Heft
des Journals of Theol. Studies, fo darf man wohl eine Ausnahme
machen.

1. Robinfon ftatuiert im Eingang feiner Abhandlung,
daß der zweite Teil der Didache trotz aller Bemühungen
bis heute noch ein großes und ifoliertes Rätfei ift. ,The
Community which it presupposes is out of relation to all
our knowledge of Church history.' Diefe Einficht ermutigt
ihn zu eine neuen Hypothefe, die die Forfchung
wieder in Fluß bringen foll (,I wish to provoke dicussion').
Zwar fchließt er fich nicht Bigg u. A. an, die die Didache
ins 4. Jahrhundert fetzen; ihm fcheint die Abfaffung nach
oder in der montaniftifchen Zeit nicht wohl möglich (,from
the orthodox Standpoint there is too much said about
Prophets, and from the Montanist Standpoint there is too
little'); aber er empfiehlt doch ein Hypothefe, die den
gefchichtlichen Wert des Büchleins fehr herabfetzt.

Seine Argumentation ift in Kürze folgende: der Ver-
faffer wollte, wie der Titel fagt, die Lehrpredigt des Herrn
wiedergeben, wie fie durch die Apoftel an die Völker
gekommen ift, d. h. er wollte den Inhalt des Auftrags
Matth. 28, i9f. als Anordnungen Jefu durch die Apoftel
in den Hauptzügen zur Darftellung bringen. Um diefer
Aufgabe zu genügen, mußte er fich an wirkliche, überlieferte
Apoftelworte halten. Solche fand er in den
Evangelien und Paulusbriefen, namentlich in dem 1.
Korintherbrief. Mit Hilfe einer willkürlichen, an einigen
Stellen fogar perverfen Exegefe deftillierte er hier nun
apoftolifche Diataxen in einer Form, wie wenn fie die
Apoftel felbft gegeben hätten. Er maskierte dabei feine Zitate
und fah auch faft völlig von den tatfächlichen Zuftänden
feiner eigenen Zeit ab. Was fo entftanden ift, hat daher
faft nur den Wert von literarifchen Kuriofitäten.
Dies gilt vor allem von den gefamten Ausfagen über das
Amt, über Apoftel, Propheten, Lehrer, Bifchöfe und Diakonen
. Lediglich die Anordnung über das Waffer bei
der Taufe, die Anordnung der zweiwöchentlichen Fafttage,
vielleicht auch die Anordnung über die Gebetsftunden,
fowie die Anerkennung eines profeffionellen Propheten-
tums find zeitgenöffifche Züge; alles Übrige ift literarifche
Mache.

Die fcharffinnige Beweisführung, in der auch die
Abendmahlsgebete fich in ein künftliches Mofaik auflöfen,
muß man beim Verfaffer felbft nachlefen. Sie hat auf
den erften Blick etwas Beftechendes. Bei Kap. 6 wird