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Ausgabe:

1912 Nr. 15

Spalte:

463-465

Autor/Hrsg.:

Pont, J. W. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Jaarboek der Vereeniging voor nederlandsch-luthersche Kerkgeschiedenis. Deel III 1912

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 15.

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(S. 1 ff.). Bemerkenswert find die beiden ebenfalls zum
erftenmal nach dem Original publizierten Freiheitsbriefe
Sigismund Augufts aus den Jahren 1563 u. 1568, die, von
den katholifchen Bifchöfen mitunterzeichnet, dem litau-
ifchen evang. Adel volle Religionsfreiheit gewähren (S. 12 ff.).
Als ein Bekenntnis treuen Fefthaltens an dem ,reinen Wort
Gottes' in der Zeit des merklichen Verfalles des polnifchen
Proteftantismus ift von Intereffe das Teftament des Fürften
Chriftoph Radziwill v. 4. VIII. 1599, der es feinem Sohne
ans Herz legte, auf feiner Studienreife Italien ,wegen der
dem teuren Vaterlande aus dem römifchen Gottesdienfte
erwachfenden Gefahr' zu meiden (S. 160). Den Kern des
erften Heftes bilden Aktenftücke zur Gefchichte von 13
zumeift in Litauen gelegenen evangelifchen Gemeinden.
Die verfchiedenen Schenkungsurkunden beleuchten die
Opferfreudigkeit einzelner Adeligen zugunften der neuen
Lehre — Fürft Drucki in Witebsk (S. 9 fr.), Wollowicz in
Neuftadt (S. 97 ff), bef. das Ehepaar Wnuczek in Poszuszwien
(S. IOOff), u. Szydlow (S. -138 fr.), Szemet in Szawkiane
(i2off.), Barbara Snowska in Nowogrod (S. 123 ff), Fürft Chri-
ftophRadziwillinBirze(S. 136), DorotheaZawiszynainZejme
(S. i50ff.),_Fürft Zyzemski in Minsk (S. 157fr), Fürft Georg
Radziwill in Sereje (S. 175 ff) —. Die Kirchenordnung des
Euftachius Wollowicz, des Patronatsherrn von Neu-Stadt,
(1584) verfügt die ftrengfte Beftrafung der Vernach-
läffigung des evangelifchen Gottesdienftes (S. 93 ff). Cuius
regio eius religio, gilt auch hier. Über die Bedeutung
der Reformation für das polnifch-litauifche Schulwefen
orientiert der Berufungsbrief der Krakauer Gemeinde für
den Rektor Johann Tenaudus 1572 (S. 181 ff), fowie obige
Kirchenordnung in Neuftadt, welche die allgemeine Schulpflicht
feftfetzt. Die mit dem Jefuitenkonvent zufammen-
hängende Einäfcherung des Wilnaer Bethaufes 1591 rückt
durch die mitgeteilten 8 Dokumente in eine neue Beleuchtung
(S. 60ff). Eine zufammenfaffende Darfteilung der
Gefchichte der Wilnaer reformierten wie augsburgifchen
Gemeinde befchließt das erfte Heft.

Der Befchluß der litauifchen reformierten Synode ift ein
erfreuliches Zeichen des wachfenden Intereffes für die evan-
gelifche Vergangenheit der einfügen Republik. Bereits das
erfte Heft berechtigt zur Hoffnung, daß die Sammlung
die Forfchung neu beleben werde. Ein vertieftes Ver-
ftändnis der in vieler Hinficht einzigartigen polnifchen
Reformation erheifcht eine möglichft vollftändige Er-
fchöpfungder Archive. Eswäre infolgedeffenm.E.angezeigt,
wenn die weiteren Hefte der 1. Serie nicht vereinzelte
Aktenftücke, fondern vielmehr eine nach Möglichkeit vollftändige
Zufammenftellung des für die Gefchichte der
einzelnen Gemeinden in Betracht kommenden vorhandenen
archivalifchen Befundes bringen würden. Im Rahmen einer
kurzen Gemeindechronik könnten alsdann die wichtigften
Stücke abgedruckt, die weniger entfcheidenden in Regeften-
form mitgeteilt werden, bei belangloferen genügte ein
Vermerk ihres Vorhandenfeins. Das auf dem Berliner
internationalen Hiftorikerkongreß 1908 von Prof. Dr.
G. Loefche entwickelte Programm für die von ihm begründeten
Monumenta Austriae evangelica, einem verwandten
Unternehmen, fohlte hierbei zur Orientierung
herangezogen werden.

Wien. Karl Völker.

Jaarboek der Vereeniging voor nederlandsch-lutherfche Kerk-
gelchiedenis, in haar naam uitgegeven door Hoogl.
Pred. Di-. J. W. Pont. Nieuwe Bijdragen tot Kennis
van de Geschiedenis en het Wezen von het Luthera-
nisme in de Nederlanden. Deel IV. (V, 143 S. m.
Abbildgn.) gr. 8°. Amfterdam, Ten Brink en De
Vries 1911.

Mit unermüdlichem Eifer fucht der Pfarrer an der
Amfterdamer lutherifchen Gemeinde J. W. Pont das Intereffe
an der Gefchichte des Luthertums in den Niederlanden

feftzuhalten, er hat zu dem Zwecke u. a. das Jahrbuch
ins Leben gerufen, deffen Beiträge er einftweilen zwar
noch allein fchreiben muß. Daß neben dem Calvinismus
und dem aus dem Erasmianismus hervorgegangenen
Täufertum auch das Luthertum als Faktor in dem eigenartigen
religiöfen Mifchungsprozeß der Niederlande gewürdigt
wird, ift nur freudig zu begrüßen. — Der vorliegende
3. Bd. des Jahrbuchs enthält 4 Auffätze. Der
erfte gibt die Entftehungsgefchichte des Kirchengebäudes
der Amfterdamer lutherifchen Gemeinde. 1588 war fie
aus Antwerpener, Hamburger und Oftlandifchen Flüchtlingen
konftituiert worden, ein Prediger, Andreas Nefcher
aus Lippe, wurde angeftellt, 1590 der zweite, doch fetzten
alsbald Bedrängniffe durch die Regierung ein. 1600 mietete
die Gemeinde den logen. ,Goldenen Topf und gewann
damit die Grundlage für ihre Kirche. Das Haus wurde
bald gekauft, aber Philipp Nicolais Brief .Verantwortung
der ev. Kirchen in Holland wider die Läfterung Petri
Plancii' 1603, der verbreitet wurde, zog dann wieder fcharfe
Verfolgungen nach fich. Dank zahlreicher auswärtiger
z. T. fehr einflußreicher Unterftützung (vgl. die intereffante
Gabenlifte S. 31, an der Spitze lieht der König von
Schweden mit 2000 fl., Nürnberg, Frankfurt, Königsberg,
Riga, Braunfchweig, Danzig, Hamburg u. a. folgen), waren
1633 alle Schwierigkeiten gehoben und das Kirchengebäude
eingerichtet. — Der zweite Auffatz behandelt die älteften
lutherifchen Pfalmen- und Gefangbücher. Das erfte
erfchien 1565 = eine Überfetzung des Bonner Gefangbuchs
, der Uberfetzer ift unbekannt, doch muß er
Niederländer gewefen fein. 1567 erfchien das zweite
Gefangbuch, beftimmt für die lutherifche Gemeinde in
Antwerpen, während das frühere allgemeinen Propagandazwecken
diente. 1579 kam das dritte Gefangbuch heraus,
eng angefchloffen an den Text der Pfalmen, nicht in freier
Paraphrafierung. Das Buch ift fehr lange in Geltung
geblieben, noch 1687 erfchien ein Neudruck. Um 1589
erfchien ein viertes Gefangbuch von Johannes Ligarius,
Prädikant von Woerden, ftramm lutherifch. Die einzelnen
Lieder der vier Gefangbücher werden von Pont eingehend
charakterifiert. — Der dritte Auffatz behandelt die Ent-
ftehung der lutherifchen Gemeinde in Kapftadt. Hier war die
reformierte Gemeinde 1665 geftiftet worden, ließ aber
die Lutheraner zum Abendmahl zu, nachdem üe einer
Glaubensprüfung fich hatten unterziehen müffen. Mit der
zunehmenden Zahl der Lutheraner entftand aber das
Verlangen nach eigener Gemeindegründung. Nach Überwindung
zahlreicher von P. dargeftellter Schwierigkeiten
gelang zuerft der Erwerb eines Kirchengebäudes 1774,
und 1779 die amtliche Erlaubnis freier Religionsübung.
9O°/0 der Lutheraner waren Deutfche, fo wurde deutfch
gefangen, aber holländifch gepredigt. Die Folge diefer
Gemeindegründung war der Ausfchluß der Lutheraner
von höheren Beamtenftellen. P. gibt die einzelnen Prediger
an und verfolgt die Schickfale der Gemeinde bis zur
Gegenwart; ein amtliches Band zwifchen ihr und der
holländifchen lutherifchen Kirche befteht nicht mehr. —
Die letzte Abhandlung handelt von der älteften Organi-
fation der niederländifchen lutherifchen Gemeinden, feit
etwa 1567. Sie ift presbyterianifch, was bei dem hochorthodoxen
Charakter des niederländifchen Luthertums
auffällt. P. fieht das Vorbild dafür in Aachen und ftützt
fich auf die noch vorhandene Korrefpondenz zwifchen
Aachen und Antwerpen fowie auf die Tatfache, daß die
Antwerpener Kirchenordnung von 1591 mit der Aachener
übereinftimmte. Es ift intereffant zu lefen, wie die ja
gegenwärtig ftark verhandelte Frage nach Luthers Kirchen-
ideal damals aufgeworfen und bald im Sinne des Conven-
tikels (fo z. B. von Flacius), bald in dem der Landeskirche
beantwortet wurde. Das Conventikel, die huiskerk, kam
zum Siege. Aber follte wirklich der Einfluß von Aachen
(und Köln) fo ftark gewefen fein? Ich bin geneigt, den
Einfluß der Täufer ftark geltend zu machen. Ganz
abgefehen von dem allgemeinen Einfluß des Täufertums