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Ausgabe:

1912 Nr. 15

Spalte:

461-462

Autor/Hrsg.:

Kawerau, Gustav

Titel/Untertitel:

Luther in katholischer Beleuchtung 1912

Rezensent:

Ritschl, Otto

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 15. 462

Üfchen Theologen, zumal wenn S. J. hinter ihrem Namen
fteht, befonders auf die Finger fehen muß.

Für den Satz 34: Jesus Christus instituit societatem perpetuo dura-
turam quam Ecclesiam suam vocavit' beruft fich der Index zuerft auf
TO 20 d. h. auf I Clera. 42, I. 2 und 4. Dort kommt die bekannte
Sendungsreihe und die Notiz, daß die Apoftel bei ihrer Predigt die Erft-
"nge als Iiifchöfe und Diakonen rwv fxtXXovrwv mOTtimv aufgeftellt
hatten, Satz 3 aber, wo als Inhalt der apoftolifchen Predigt angegeben
wird: tfjv ßaoiXiiav rov 9-sov /niXXeiv Qßgwfeu, ift ausgelaufen. Die
alterte Stelle für die hierarchifche Orgauifation der Kirche (Satz 39)
wird in Didache 15, I und 2 gefunden. Der Satz 49: ,Ecclesiae Romanae
s°li competit principiorum et membrorum sanctitas' beruft fich auf fünf
Stellen (Iren., Orig., Adamant., Cyrill., Hieron.), die alle von der Kirche
oder von der katholifchen Kirche, aber nicht von der römifchen Kirche
reden. Zeugen für den Jurisdiktionsprimat Petri (Satz 54) find Tertullian,
nicht etwa bloß De pudic. c. 21, fondern auch De monogam, c. 8, Clemens
Alexandrinus (Quis dives c. 21,4), Origenes (In Exod. hom. 5,4).
Aus der römifchen Tradition (Satz 56) wird natürlich, wie bei Kirch,
Paulus von Anfang an ausgefchaltet, wie wenn er bloß Caudatar des erften
Papftes gewefen wäre. Der Brief des Bifchofs Dionyfius von Korinth an
die römifche Gemeinde (bei Eufebius H. E. 4,23) ift ein Beleg dafür,
daß die römifche Kirche von Anfang an als Einheitszentrum galt (Satz 581
und daß des römifchen Pontifex suprema potestas in univenam ecclesiam
anerkannt wurde (Satz 59). Ja für diefen letzteren Satz muß fogar der
Brief des Irenaus an Viktor von Rom (bei Eufebius H. E. 5,24) herhalten
, woriu erzählt wird, daß weder Anicet den Polykarp, noch diefer
jenen zum Aufgeben feiner üfterpraxis bewegen konnte! Für das Papfl-
tum müffen eben alle Dinge zum Berten dienen. Beim Episkopat — für
den monarchifchen Bifchof wird zuerft auf I Clem. 42 und 44 verwiefen,
wo er am wenigften zu finden ift — wird gefagt, daß die Art und Weife
des Überganges der Jurisdiktion von den Apofteln auf die Bifchöfe geschichtlich
nicht klar fei (Satz 61); daß aber im Altertum Mt. 16, 18f.

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bildet die katholifche Konfeffion des Biographen und die
mit ihr gegebene dogmatifche Einengung des Gefichts-
kreifes ein bedenkliches Hindernis' (S. 8 f.). So kann man
Grifar wohl ,dafür dankbar fein, daß er etliche der beliebten
katholifchen Lutherfabeln abgelehnt hat'. Doch
hat er fich ,bei Lefern, die nicht die Quellen felber zu
prüfen in der Lage find, zugleich einen großen Vorteil
verfchafft. Denn für das, was er nun feinerfeits Ungünftiges
über Luther meint berichten und feftftellen zu müffen, hat
er dadurch das günftige Vorurteil geweckt, als wenn es
gefchichtlich ficher beglaubigt wäre und vor jeder Kritik
ftandhalten müßte' (S. 15 f.). Daß dem aber keineswegs
fo ift, weift Kawerau in feinen Gloffen an verfchiedenen
Stichproben gründlich und einleuchtend nach.

Da handelt es fich zunächft um die der katholifchen
Polemik fo wichtigen Fragen nach Luthers Verhalten in
den Dingen der gefchlechtlichen Sittlichkeit. Auch Grifar
ift diefen fchon in feinem erften und unter vielfachen
Wiederholungen auch wieder in feinem zweiten Bande in
überaus breiten Auseinanderfetzungen nachgegangen. Kawerau
hat fich damit begnügt, nur einige der fchlimmften
diefer Erörterungen forgfältig nachzuprüfen und fie auf
ihr richtiges Maß zurückzuführen. Insbefondere zeigt er,
,daß Luthers Derbheit des Ausdrucks nicht größer war,
als die vieler feiner Zeitgenoffen', unter denen freilich
Melanchthon eine Ausnahme gebildet habe (S. 30). Trifft
dies nun auch im allgemeinen durchaus zu, fo darf man

als Stiftungsbrief des Episkopates galt, wird nicht verraten. Der Anitoi;

in der alten Bußdisciplin wird durch die bei den Jefuiten beliebte, in den ! doch zugleich beachten, daß fich -mch hzü 1U~1

Quellen aber in keiner Weife begründete Unterfcheidung zwifchen einer 1 -......WrliTd»^^^^^ °ei Melanchthon

öffentlichen und einer privaten Abfolution weggeräumt, von denen jene >z^t -je

"ur einmal, diefe aber beliebig oft erteilt worden fei (Sätze 528 und 529).
Warum Ariftides apol. c. 15 und Irenaus adv. haer. 3. 22, 4 die Virginität
Märiens in coneeptione, dagegen adv. haer. 1, 10, 1 und 3, 19, 1 die
Virginität in partu bezeugen follen (Sätze 430 und 431), ift nicht'einzu-
jehen, da alle diefe Stelleu eben von der Geburt aus der Jungfrau reden
Dagegen wäre bei den Belegen für .Maria fuit vere deipara' (Satz 429)

zuweilen derbe Wendungen finden (vgl. C. R. 24, 263; 25,
539. 553). In einem ferneren Abfchnitt (S.30— 49) widerlegt
der Verf. das .völlig entftellte Bild', das Grifar von
Luthers Leben und Treiben in Rom (1510) gezeichnet
habe, und feine Auffaffung von Luthers Stellung zur Obfer-
vanz in dem Auguftinerorden. Darauf folgen (S. 50 bis
59) Auseinanderfetzungen über die Wertung verfchiedener

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eine Unterfcheidung erwünfeht, wo nur der Sinn und wo auch das Wort ' *£' ~n ~rr----Vi----£a"

vorkommt. S. 433 nennt Maria ,in mysterio redemptionis cooperatrix', ' Eintluile, die auf Luther in feiner vorreformatorifchen Zeit
wobei der von Pius x. genehmigte Titel corredemptrix vermieden wird. • wirkfam geworden find, und zum Schluß eine Befnrechunrr

/u Satz 456 ift zu bemerken, daß an der zitierten Stelle Aphraates (Dem.---TT______>- ___ z z ^iiung

12, 10) die Fußwafchung nicht als einen ,ritus sacer impetrans gratias
abundantiores contra coneupiscentiam' auffaßt, fondern fie ganz deutlich
mit der Taufe identifiziert; De myst. 6,32 aber wird fie im Unterfchied
von der die eigenen Sünden tilgenden Taufe als ein Mittel zur Tilgung
der Erbfünde betrachtet, ähnlich De sacram. 3, 1, 7. Auguftin aber zieht
die Fußwafchung wieder ganz in die Taufe hinein (in Evang. Joann. 80, 3).
Man muß fich auch in der Tat wundern, warum die Fußwafchung kein
kirchliches Sakrament wurde, obwohl die drei ein Sakrament bedingenden
Momente (äußeres Zeichen, innere Gnade, Einfetzung durch Jefus Chriftus)
nach Joh. 13,4—15 bei der Fußwafchung zufammen deutlicher heraustreten
, als bei irgend einem Sakrament.

Alles in allem: wer das Enchiridion wirklich wiffen-
fchaftlich gebrauchen will, muß fich den Suggeftions-
verfuchen des Index theologicus entziehen. Jedenfalls aber
Ift es eine brauchbare und dankenswerte Sammlung theo-

iogifch wichtiger Väterftellen.

München. Hugo Koch.

Kawerau, Guftav: Luther in katholifcher Beleuchtung. Gloffen
zu H. Grifars Luther. (Schriften des Vereins für Refor-
mationsgefchichte. Nr. 105.) (III, 71 S.) gr. 8°. Leipzig,
R. Haupt 1911. M. 1.20

Über Grifars neue Luthermonographie hat Harnack
»n diefer Zeitung (1911, Sp. 301 ff. 751 f.) berichtet. Seine
Darlegungen und Urteile über den erften der beiden bisher
erfchienenen Bände des großen Werkes werden in
erwünfehtefter Weife ergänzt durch die vorliegende Schrift
von Kawerau, der in diefer gerade auch auf wichtige Einzelheiten
einzugehen in der Lage war. Zunächft erkennt er
a.n. was im Unterfchiede von bekannten anderen katholifchen
Büchern über Luther in Grifars Vorwort auch Pro-
teftanten wohltuend berührt (S. 4 f.), um doch alsbald im
Hinblick auf deffen Anfprüche auf hiftorifche Objektivität
jeftftellen zu müffen: ,Wer über Luther arbeiten will,
fteht . . . vor allem vor der Aufgabe, die religiöfe Perfön-
hchkeit und deren innere Entwicklung zu erfaffen. Hier

der auch fchon von Harnack (Sp. 302) erörterten Ausführungen
Grifars über Luthers .Entdeckung auf dem
Klofterturm'.

Kaweraus durchaus fachlich gehaltene und auf ein-
gehendfter Quellenkenntnis beruhende Darlegungen find
in hohem Grade dankenswert und jedem Lefer des Gri-
farfchen Luther als Hilfsmittel zur richtigen Würdigung
des in diefem Buche geübten Verfahrens zu empfehlen.
Hoffentlich entfchließt fich der Verf. feinerzeit auch dazu,
Grifars fpätere Bände einer ähnlichen, womöglich aber
noch umfaffendern Prüfung zu unterziehen.

Bonn. O. Ritfchl.

Monumenta Reformationis Polonicae et Lithuanicae. Serie I,
Heft 1. (XIV, 201 S.) gr. 8°. Wilna. Warfchau, E.
Wende 1911.

Die litauifche reformierte Synode hat 1908 die Herausgabe
von Quellenmaterialien zurGefchichte der Reformation
in Polen und Litauen in 12 Serien befchloffen. Vor
allem ift die Veröffentlichung der bisher nur fpärlich er-
forfchten Synodalakten geplant; außerdem follen die zahlreichen
Gemeindebücher bekannt gemacht werden. Für
die erfte Serie, deren erftesHeft nun vorliegt, find Privilegien,
Schenkungen, Aufrufe und andere Einzeldokumente be-
ftimmt. Bei den lateinifchen und polnifchen Akten ift die
urfprüngliche Schreibweife beibehalten. Die in der Cyrillika
abgefaßten litauifchen Dokumente find in lateinifcher Um-
fchrift wiedergegeben. Der auch fonft als Forfcher auf
diefem Gebiete bekannte Petersburger Prof. H. Merczyng
ift der wiffenfehaftliche Leiter des Unternehmens.

Calvins Warnungsfehreiben vor Blandrata an die Geift-
lichen der Wilnaer Gemeinde v. 9. Okt. 1561, zum erften-
mal nach dem Original veröffentlicht — CRXIX Nr. 3562
liegt eine Abfchrift zugrunde —, eröffnet die Sammlung