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Ausgabe:

1912 Nr. 15

Spalte:

454-456

Autor/Hrsg.:

Schmidtke, Alfred

Titel/Untertitel:

Neue Fragmente und Untersuchungen zu den judenchristlichen Evangelien 1912

Rezensent:

Hoennicke, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 15.

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u"d patriftifchen Literatur' eingereiht ift, foll — wie im
Vorworte betont wird — dem Studium des chriftlichen
Altertums als Hilfsmittel zur Beleuchtung des von Judentum
und Chriftentum auf gleiche Weife bekämpften Heiden-
j-umes dienen. Der Verfaffer weift auf die Ähnlichkeit
Ojn, die zwifchen diefem Mifchnatraktate und der Schrift
■1 ertullians ,de idololatria' obwaltet. Im Anhange gibt er
auch den Inhalt der 24 Kapitel derfelben fummarifch an
(S. 91—93) Außer dem Anhange, der noch von den im
Mifchnatraktate Aboda zara erwähnten Tannaiten handelt
(S 94—jqö^ erweitert der Verf. feine Arbeit durch verschiedene
, am Schluffe der einzelnen Kapitel flehende
E.xkurfe, aus denen folgende hervorgehoben feien: die in
fi 3 erwähnten heidnifchen Fefte (S. 19—26); die Afchera
in III, 7—10 (6of.); das Verhalten der Juden zur Bildhauerkunst
(S. 74f.). Die Einleitung (S. IX—XXIX) bietet
orientierende Angaben über die Mifchna und über den
Iraktat A. z.; ferner über das benutzte Text-Material.
Aus dem letzteren feien die bisher unbekannten Genizah-
kragmente erwähnt. Im Ganzen erinnert die vorliegende
Arbeit an Stracks Ausgabe desfelben Traktates (Leipzig
I9°9)i doch ift fie bequemer eingerichtet, indem fie die
englifche Überfetzung dem Texte gegenüberftellt; auch
find die Anmerkungen ausführlicher. Verfchieden von
Strack legt Elmslie dem Abdrucke des Mifchnatextes die

tun gfeiner Perikopen an geeigneten Stellen mit den Synoptikern
ausgeglichen. Alle literarkritifchen oder religions-
gefchichtlichen Unterfuchungen der Neuzeit find für diefe
Betrachtung vom Übel. Man kann es ja bei einem Grundriß
, der fich an das große Publikum wendet, verftehen, daß
das kritifche Gezänk vermieden und nur den wichtigen
Punkten des Lebens Jefu nachgegangen werden foll. In-
deffen berührt es doch eigentümlich, daß, während fo
vielen das moderne Denken bewegenden Fragen aus dem
Wege gegangen wird, ganz abfeits liegende Dinge in den
Mittelpunkt der Besprechung gerückt werden, wie z. B.
p. 53 der Abfchnitt über die Entblößung Jefu, wo man
den für eine gewiffe katholifche Frömmigkeit charakte-
riftifchen Satz zu lefen bekommt: ,Obwohl nachrömifchem
Brauch die Gekreuzigten in der Regel ganz nackt ans
Kreuz gehängt wurden, fo ift doch hiftorifch wahrfchein-
lich, daß der unter der Oberleitung der ftrenger denkenden
Hierarchen gekreuzigte Heiland ein Lendentuch
trug, wie auch fchon das Evangelium des Nikodemus
ausdrücklich bezeugt' Das ift nicht bloß für einen das
lebendige hiftorifche Intereffe überbietenden archaiftifchen
Sinn bezeichnend, fondern hier ift auch etwas von dem
Geifte zu verfpüren, der fich in der katholifchen Reiiquien-
und Gewänderverehrung kundgibt.

Die andere Brofchüre über Kirche und Papfttum ge-

Bomberg'fche Talmudausgabe (1523) zu Grunde, wodurch I hört in die Reihe der zahlreichen Gegenfchriften, welche
man oft die beffere und urfprüngliche Lesart im Varianten- ( die bekannte Schnitzerfche Veröffentlichung über das Them
apparat, der den Text in Fußnoten begleitet, fuchen muß.
Der Abdruck bietet den Mifchnatext punktiert mit großer
Korrektheit (als unerheblichen Fehler erwähne ich die
Punktation HX ohne folgenden Makkeph-Strich). S. 70,
Z. 3 fehlt 5E:C vor 57. Die Überfetzung ift gut lesbar
und paraphrafiert, wo es nötig ift, ohne die Einfchübe
durch Klammern zu bezeichnen. In den Anmerkungen
ift zum Verftändnis der Mifchna, dem fprachlichen fowohl
als dem fachlichen, eine Fülle von Daten verwendet, mit
reichen Literaturangaben. Überall ift der wiffenfchaftlich
gefchulte Geift und die hingebende Sorgfalt zu erkennen,
die hier zufammenwirkten, um eine zur Einführung in das
Studium des Mifchnatraktates möglichft geeignete Bearbeitung
zu erreichen. Ein Vokabular (S. Iii —131) und
zwei Regifter vervollftändigen das Ganze. — Was in der
Einleitung (S. XXIf.) über den Midrafch gefügt wird, muß
als lückenhaft und unklar bezeichnet werden. Die Bemerkung
, daß der V, 2 erwähnte Boethos nicht zur Sekte
der Boethufier gehörte (S. 77), ift überflüffig.

Budapeft. W. Bacher.

Daufch, Prof. Dr. P.: Das Leben Jehl (Grundriß). (Biblifche
Zeitfragen IV, 1.) (69 S.) 8°. Münfter i. W., Afchen-
dorff 1911. M. —60

— Kirche u. Papfttum — eine Stiftung Jefu. (Biblifche Zeitfragen
IV, 2.) (40 S.) 8°. Ebd. 1911. M. — 50
Der Afchendorfffche Verlag, der in feinen ,Biblifche
Zeitfragen' dem gebildeten Laienpublikum die wichtigen
urchriftlichen Probleme in gemeinverftändlicher Sprache
vorlegen will, hat mit den vorliegenden Heften die vierte
Folge diefer Brofchürenfammlung begonnen. Die auf den
Titeln angegebenen Gegenftände werden, wie nicht anders
zu erwarten, in katholifchem, korrekt kirchlichem
Sinne erörtert. Die Lebensgefchichte Jefu wird fonder
Bedenken, mit beneidenswerter Seelenruhe direkt aus den
Texten der Evangelien gefchöpft. Und hier gelten (amtliche
Perikopen bis in alle Einzelheiten hinein für urkundlich
geficherte Berichte. Nicht bloß die galiläifche und
die letzte jerufalemifche Epoche des Lebens Jefu find einwandfreie
Gefchichte, fondern auch die ganze Vorge-
mnichte, die lukanifchen Erzählungen von Maria und
Llifabeth, von den Hirten und den Engeln, ufw. Das
J°nannesevangelium bereitet dem Verfaffer keinerlei
Schwierigkeit, es wird nach altem Rezept, durch Einfchal-

a

im katholifchen Lager hervorrief. Schon der Titel ift
antithetifch gegen Schnitzer gemeint. Das vom Münchener
Theologen hinter ,eine Stiftung Jefu (?)' gefetzte
Fragezeichen wird hier durch den kategorischen Punkt
verdrängt. Doch die Abwehr D.'s befchränkt fich nicht
auf folche Leiftung. Nicht bloß mit dogmatifchen Versicherungen
foll das Recht der katholifchen Pofition verfochten
werden. Mit fcharfem exegetifchen Schwert will
der Verf. ins Feld ziehen und die Schriftzeugniffe für
das Papfttum aufweifen. Er bemüht fich befonders,
das Ärgernis der eschatologifchen Anfchauung Jefu zu
entfernen. Man bekommt hier das alte Lied wieder zu
hören, daß die Ausfagen über das Kommen Jefu bald
diefen, bald jenen Sinn haben, daß auch fchon das Gericht
über Jerufalem ein folches Kommen war, ufw. Bei
dem übermächtigen apologetifchen Eifer wird bisweilen
die dogmatifche Korrektheit überfehen. So wird jede
Möglichkeit eines Irrtums von feiten Jefu abgewehrt, aber
die Erwartung einer baldigen Wiederkunft in der Ur-
gemeinde und in den paulinifchen Schriften wird nicht ganz
von der Hand gewiefen. Damit gerät dann allerdings das
Dogma von der durchgehenden Schriftinfpiration etwas
in's Wanken. Für die Stiftung der Kirche durch Jefus ruft
D., da die Evangelien keine rechte Sicherheit gewähren,
befonders den Paulus zu Hilfe. Die Priorität des Markus
vor Matthäus, der die entfcheidenden Kirchenftellen enthalten
foll, bezweifelt er. Mit Freuden werden die neuesten
Konzeffionen Harnacks an die Hierarchie begrüßt.
Die Thefe, daß die katholifche Kirchenzucht fchon im
Urchristentum ihre Wurzeln habe, wird gleich zu dem
Ende gesteigert, daß Jefus felbft Kirchenzucht, Richteramt
ufw. eingefetzt habe.

Gießen. W. Baldenfperger.

Schmidtke, Alfred: Neue Fragmente u. Unterluchungen
zu den judenchriftlichen Evangelien. Ein Beitrag zur
Literatur u. Geschichte der Judenchriften. (Texte u.
Unterfuchungen z. Gefch. d. altchriftl. Lit. 3. Reihe,
7- Bd., Heft I.) (VIII, 302 S.) gr. 8". Leipzig, J. C.
Hinrichs 1911. M. 10 —

In dem vorliegenden Buch bietet Sch. Studien zur
Literatur und Gefchichte der Judenchriften. Als einft-
maliger Mitarbeiter an dem großen textkritifchen Werk,
welches von Soden begonnen hat, befitzt Sch. eine gute

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