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Ausgabe:

1912 Nr. 14

Spalte:

423-425

Autor/Hrsg.:

Chapman, Dom John

Titel/Untertitel:

John the Presbyter and the fourth Gospel 1912

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 14.

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ausgaben, hätte Verf. lieber den Druck feines Buches
etwas forgfältiger überwachen follen. Namentlich was die
griechifchen Zitate anlangt, wimmelt es von Unrichtigkeiten
.

In einem Eufebiuszitat, das nach Schwartz' Ausgabe gegeben fein
foll (p. 77, 3), zähle ich, von fehlenden Akzenten, die abgeiprungen fein
könnten, abgefehen, auf 4V2 Zeilen heben Fehler, in einem nicht ganz
2 Zeilen umfaffenden Schriftwort deren fünf. Dinge wie (taQZVQU (p. 46),
ßtjösvi (79), s&vtnv (81), noißtveQ (171. 177) find auf der Tagesordnung.
Dabei ift das Bedürfnis S.s, falfche Akzente zu fetzen, fo ausgeprägt,
daß er Händig Renan fchreibt (16. 172). Dazu kommen auf Schritt und
Tritt Verfehen wie Ed. Schwarz (19), TifTchendorf (38), (J. H.) Kurz (66.
177), Archeiis (168). — Das Ganze eine wenig erfreuliche Erfcheinung.

Marburg i. Heffen. Walter Bauer.

Chapman, Dom John, O. S. B.: John the Presbyter and the

fourth Gospel. (108 S.) gr. 8°. Oxford, Clarendon Press
1911. s. 6 —

Der Verfaffer bewegt fich in den landläufigen Bahnen,
die auf dem Gebiet der Verteidigung der Echtheit des
4. Evangeliums beliebt find (wo das nicht gefchieht, foll
es noch hervor gehoben werden). Erftaunlich ift dabei
nur die Kühnheit, oder follen wir lieber fagen Keckheit,
mit der er Forfcher, wie Harnack, Wellhaufen, Jülicher,
beinahe als Schulbuben behandelt. Ein Beifpiel von
vielen mag hierher gefetzt fein: zu den Ausführungen
Harnacks über feine bekannte Presbyter-Apoftel-Hypo-
thefe bemerkt der Verf. p. 76: ,We are accustomed perhaps
to such Statements in German, though seldom from Harnack
. But in Englifch or French they are rather painful.
I will not suppose that Harnack still holds to this theory'.

Außergewöhnlich ift zum anderen auch die Gabe des
Verf. in feinen kritifchen Unterfuchungen Mücken zu feigen
und Kamele zu verfchlucken. Verf. beginnt mit einer
langen und gründlichen Unterfuchung des bekannten
Papias-Citates bei Eufeb. III, 39, bei der manches Gute
nebenbei abfällt; aber der langen Rede kurzer Sinn ift
doch fchließlich der, daß die beiden hier genannten Johannes
ein und derfelbe Johannes feien. Alfo wenn ein
Schriftfteller in demfelben Satze zwei Perfonen mit Namen
Johannes einführt, diefe beidemale in eine ganz verfchie-
dene Umgebung ftellt, dem einen Johannes ausdrücklich
den Namen ,der Presbyter' gibt während er den anderen
ohne Beiname läßt, den einen Johannes unter den Zeugen
der Vergangenheit anführt, den anderen unter denen der
Gegenwart nennt, fo meint er beide male denfelben Johannes
! Das glaube wer will. Als Zeuge für diefe kühne
Behauptung muß Irenaeus herhalten, der das Werk des
Papias gelefen hat und der nur einen Johannes kennt. Ja
diefer Irenaeus war fogar bekannt mit einem Zeitgenoffen
des Papias, dem Polycarp, und hat ihn nicht nur als
Knabe kennen gelernt, fondern — das ift nun eine SpezialEntdeckung
des Verf. — noch in einem Alter von 25—30
Jahren gefprochen und feinen Johannes-Erinnerungen ge-
laufcht, denn das glaubt Ch. aus dem einen Wort ,ev
rfj nomxyi rlmia' (Iren. III 3, 4,) fchließen zu können.
Irenaeus kann fich alfo in der Johanneifchen Frage nicht
geirrt haben, und damit ift für Ch. die ganze Fr:.ge eigentlich
erledigt; man wundert fich eigentlich, weshalb er fich
noch fo viel Mühe mit Nebendingen gibt.

Ich hebe übrigens hervor, daß Ch., um fich zu erklären, weshalb
Irenaeus von dem Evangeliften und Apoftel Johannes eigentlich immer
nur als von einem Jünger des Herrn fpricht, und weshalb auch bei Papias
der von ihm als Apoftel verftandene Presbyter nur als Jünger Jefu bezeichnet
wird, die treffliche Beobachtung macht, daß Apoftel ein Begriff ift,
der in der älteren evangelifchen Literatur nicht heimifch ift und erft bei
Paulus auftritt. Für feine Thefe würde freilich diefe Beobachtung erft
dann etwas beweifen, wenn zuvor der Beweis erbracht wäre, daß das
Johannes-Evangelium von dem Apoftel und nicht von irgend einem Jefus-
jünger flamme. Befonderen Kummer macht dem Verf. die Überlieferung
über Philippus von Hierapolis mit feinen Töchtern. Denn hier fcheint
in der Tat ein Mufter-Beifpiel dafür vorzuliegen, daß ein einfacher Jünger,
der Evangelift Philippus, zu einem Apoftel des Herrn geworden ift, und
das könnte wieder in fataler Weife auf den Gedanken bringen, daß eine
ähnliche Verwechflung auch hinftchtlich des Johannes vorliege. Aber
Ch. löft dies Problem fpielend, für ihn ift Philippus von Hierapolis wirklich
der Apoftel: alfo, wenn einmal in der Apoftelgefchichte von
einem Manne Philippus mit 4 jungfräulichen weiffagenden Töchtern die
Rede ift und das andere mal in der Überlieferung bei Eufebius wiederum
die 2 oder 3 jungfräulichen Töchter eines Mannes Philippus erwähnt
werden, ohne das grade von ihrer Weiffagung die Rede ift, fo follen wir
annehmen, daß in den Quellen zwei verfchiedenen Philippi, einmal
der Apoftel, das andere mal der Evangelift gemeint feien, und dies,
obwohl ein nicht zu verachtender Zeuge, der Bekämpfer des Montanismus,
Gajus, ausdrücklich von 4 Töchtern des Philippus in Hierapolis redet.
Die Kunft des Verf., aus zwei eins zu machen, wie oben in dem Fall des
Presbyters und des Apoftels Johannes, und wiederum aus eins zwei, wie
in diefem Fall des Evangeliften und des Apoftels Philippus, ift wahrhaft
beneidenswert.

Das berühmte Papias-Fragment, das uns mitteilt, daß
Johannes und Jakobus von den Juden getötet wurden,
macht ihm gar keine Schwierigkeiten, er befchränkt fich
auf 4 kurze Bemerkungen: 1. kann Papias diefen Satz
unmöglich gefchrieben haben, weil er allem Zeugnis der
Schriftfteller, die Papias gekannt haben, und namentlich
dem des Irenaeus widerfpricht. Leider kann fich an
diefem Punkt Ch. auch auf ein Urteil Harnacks berufen;
damit wird aber die Behauptung nicht richtiger. Denn es
liegt doch zu Tage, wie man fich von den Kirchenvätern
an bis zu den neueften Apologeten hin mit einer unbequemen
Notiz, die in die vorgefaßte Meinung nicht paßte,
alle Zeit durch Exegefe abzufinden gewußt hat. Warum
follte nicht Irenaeus, wie gegenwärtig Th. Zahn, in dem
im obigen Satz erwähnten Johannes den Täufer erblickt
haben? 2. Mit dem bekannten Zeugnis des fyrifchen
I Martyrologiums findet Ch. fich noch fchneller ab mit dem
Hinweis darauf, daß die Erwähnung des Feft.es des Johannes
noch nicht auf ein Martyrium mit tödlichem Ausgang
hinzudeuten brauche. Ich geftehe zu, daß die Unterfuchung
hier noch nicht abgefchloffen ift, aber nach wie
vor will es mir als höchft unwahrfcheinlich erfcheinen,
daß Johannes in jene Märtyrerreihe: Stephanus, Petrus,
Paulus, Jakobus aufgenommen wäre, wenn dem nicht eine
Tradition von einem wirklichen Martyrium zugrunde läge.
3. Nach Ch. können fich die Stellen Mk. 10, 39 und Matth.
20, 23 nicht auf das Martyrium des Johannes beziehen,
weil alle alten Ausleger diefe Stelle anders deuteten
. Als wenn das nicht natürlich wäre, nachdem eben
die Tradition vom kleinafiatifchen Johannes fich durchgefetzt
hat. 4. follen die Ausführungen im 21. Kap. des
Joh.-Evangeliums gegen die Überlieferung vom frühen
Martyrium des Joh. zeugen. Das wäre richtig, wenn
nachgewiefen wäre, was nicht nachgewiefen ift, daß Joh.
21 fich auf den Apoftel und nicht auf den langlebigen
Presbyter von Klein-Afien bezieht. Ein Problem wenig-
ftens hat dem Verf. fchließlich trotz feiner erftaunlichen
Schnellfertigkeit doch Mühe gemacht, nämlich die Stilverschiedenheit
zwifchen Evangelium und Apokalypfe bei
der Annahme desfelben Verfaffers für beide, aber auch
hier findet fich Rat. Als homo illiteratus hat der Apoftel
bei Abfaffung feiner Schriften einen Amanuenfis zur
Seite gehabt: ein folcher Amanuenfis hat in der Apokalypfe
den Stil Pauli und des alten Teftaments nachgeahmt
, ein anderer Famulus hat in dem Evangelium fich
bemüht, die kurzen und einfachen Sätze des Apoftels in
gutem Griechifch wiederzugeben. Diefe vortreffliche Erfindung
ift ja nicht ganz neu, fo hat man bereits feit längerer Zeit
den paulinifchen Stil des erften Petrus-Briefs auf Rechnung
des Amanuenfis Silas gefetzt; und leider können wir hier
Ch. Angriff auf deutfche Wiffenfchaft nicht zurück geben,
wir find leider auch in Deutfchland an derartige Einfälle
gewöhnt. Im übrigen empfiehlt fich diefe Methode, mit
der Annahme eines Amanuenfis zu arbeiten, vortrefflich;
fie würde alle Schwierigkeiten der Einleitungsfragen auf
die einfachfte Weife löfen. So empfehle ich einen alexan-
drinifchen Amanuenfis des Paulus, und der Hebräerbrief
könnte wieder paulinifch fein, oder einen kirchenpolitifch
intereffierten Famulus, und wir hätten die Paftoral-Briefe
gedeutet. Zum Schluß kann ich mich einer Überein-
ftimmung mit dem Verf. erfreuen. Er weift nämlich nach,
daß das vermeintliche Papias-Zitat über die von Chriftus