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Ausgabe:

1912 Nr. 1

Spalte:

400

Autor/Hrsg.:

D‘Alès, Adhèmar

Titel/Untertitel:

Commodien et son Temps 1912

Rezensent:

Koch, Hugo

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Seite 1

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399

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 13.

hier eine beffere Eiklärung geben zu können. Einzuhetzen
hat man hier bei der bekannten Tatfache, daß nach
Piatos Spekulation die Weltfeele in Geftalt eines Chi
gebildet ift. Plato dachte dabei an die beiden großen
Himmelskreife der Fixftern — und Planeten-Laufbahn, die
fich im Äquinoktialpunkt fchneiden und fo das Chi oder
Kreuz am Himmel bilden. Daß man in chriftlichen und
gnoftifchen Kreifen frühzeitig auf diefe Spekulation des
Plato aufmerkfam wurde und durch fie die Phantafien
über das große Geheimnis des Chriftentums, das Kreuz,
befruchtete, kann Juftin Apologie I. 60 beweifen. Der
Horos der Valentinianer ift alfo nichts anderes als die
platonifche Weltfeele, und an Stelle der Chi-Geftalt der-
felben bei Plato ift hier die chriftliche Phantaüe der
Kreuzesgeftalt getreten, und nun verfteht man auch, weshalb
in valentinianifcher Spekulation der Chriftos fich auf
dem Stauros ausftreckt um feine weltordnende und fchöp-
ferifche Tätigkeit zu beginnen. Es ift ein erbaulicher
Gedanke, daß der am Kreuze hängende Jefus vonNazareth
der Anti-Typus des präexiftenten Chriftus ift, der ebenfalls
in Kreuzesgeftalt eine Welt fchuf und ordnete. Hier öffnen
fich die intereffanteften Ausblicke und Beziehungen, die
auch Verf. geahnt hat, wenn fie darauf hinweift, daß
fchon für Paulus das Kreuz eine transzendente Größe,
ein geheimnisvolles himmliches Myfterium geworden ift.
Ich befchränke mich in diefem Zufammenhang auf den
Hinweis, daß ebenfo wie die Valentinianer die platonifche
Weltfeele mit ihrem Horos-Stauros wieder aufnahmen, fo
auch die Manichäer die Geftalten ihres Urmenfchen mit
der platonifchen Weltfeele verwoben.

Richtig bemerkt Verf. S. 98 über die weibliche Gottheit
der Gnoftiker:,Sophia aber ift die Schöpfungsgottheit,
die lebensvoll und gewaltig im religiöfen Empfinden des
Gnoftikers lebte'. Sie vermutet hinter der Geftalt der
Sophia die ägyptifche Ifis; aber dies Problem kann freilich
nur in einer fehr viel tieferen und umfaffenderen Unter-
fuchung feiner Löfung entgegen geführt werden; einen
erften Verfuch dazu machte ich in den Hauptproblemen
der Gnofis S. 38ff.

Die ausführlichen kritifchen Bemerkungen mögen der
Verf. zeigen, mit welchem Intereffe der Referent ihrer fleißigen
und verdienftvollen Schrift nachgearbeitet hat.

Göttingen. B o u f f e t.

Lucas, Rabb. Dr. Leop.: Beiträge zur Gefchichte der Juden.

I. TL Zur Gefchichte der Juden im 4. Jahrh. (X, 134S.)
gr. 8°. Berlin, Mayer & Müller 1910. M. 3.50

Das Judentum im vierten nachchriftlichen Jahrhundert,
d. h. in der Zeit des fich vollendenden Talmuds, wird im
Spiegel der chriftlich-patriftifchen Literatur (Bafilius,
Athanafius, Chryfoftomus, Hieronymus, Ambrofius und
vor allem Auguftinus) fowie der fpätrömifchen Gefetz-
gebung dargeftellt. Das erfte Kapitel bringt eine Skizze
der Stellung der einzelnen Kirchenväter zum Judentum,
das zweite fchildert ,Motive und Verlauf des Kampfes'
(Chriftologie, asketifches Ideal, jüdifche Propaganda, Feind-
fchaft der Juden gegen [die] Chriften, chriftlicher Staat),
das dritte behandelt,die Erhaltung des Judentums' während
diefer Zeit nach ihren religiöfen und politifchen Urfachen.
Für Stoff und Auffaffung ift Harnack Hauptquelle und
Richtfchnur, doch bietet Verf. auch mancherlei aus Eigenem.
Um dem Titel zu genügen, hätte die nur fpärlich angeführte
, doch fo reiche jüdifche ,Patriftik' jener geiftig
lebhaft bewegten Zeit ausgiebiger herangezogen werden
füllen 1

Ungemein ftörend wirken die unzähligen Druckfehler, zumal in den
lateinifchen und befonders arg in den griechifchen Zitaten, auch Seltfam-
keiten wie die Überfetzung von ,civitas Dei' mit ,göttliche Komödie' und
die Bezeichnung der ,Neuchriften' des 4. Jahrh. mit dem mittelalterlichen
Ausdruck .Maraunos', fowie das Durcheinander der Auguftinus-Zitate teils
nach Migne, teils nach der alten Mauriner-Ausgabe, wo doch Migne in
benachbarten Städten leicht zu erreichen war.

Leipzig. Erich Bifchoff.

D'Alds, Adhemar: Commodien et son Temps. (Extrait des
Recherches de Science religieuse, 1911, Nos 5 et 6.)
(S. 480—616.) gr. 8°. Paris, Bureaux des ,Recherches
de Science religieuse'.

In diefer Zeitung wurde wiederholt (1907, Sp. 82, 191 r,
Sp.365) von Dräfeke die Löfung der Kommodianffage durch
Brewer S.J. mit der Löfung der Dionyfiusffage in Parallele
geftellt. Während fich aber in der Dionyfiusffage die
Gemüter beruhigt haben — mit Ausnahme des Kapuzinerpaters
Leoniffa, der von Zeit zu Zeit fein Klaglied über
die Verblendung der die Echtheit der Areopagitika nicht
einfehenden Theologen erfchallen läßt, kürzlich aber
fogar in der Innsbrucker Ztfchr. f. kath. Theologie eine
eindringliche Lektion erhielt (1911, 767—775) —, find die
Akten über Kommodian noch nicht gefchloffen und
werden, wie es fcheint, auch nicht fo bald gefchloffen
werden. Nicht als ob dabei ein die Unbefangenheit
irgendwie Hörendes Intereffe hereinfpielte — wenn bei
allen Kontroverfen kirchlich dogmatifche Wünfche fo
wenig beteiligt wären, wie in der Kommodianffage, würde
die Forfchung viel an Leidenfchaftlichkeit verlieren und
rafcher vorwärts kommen —, vielmehr zeigt eben Kommo-
dians Antlitz Züge, die bald in diefe, bald in jene Zeit
und Gegend zu paffen fcheinen. Nur darüber ift man
einig geworden, daß der Dichter die Mitra, die ihm das
8. Jahrhundert aufgefetzt hat, zu Unrecht trägt, daß er
überhaupt nicht Kleriker, fondern einfacher Laienasket war.

D'Ales gehört zu denen, die fich durch den ver-
führerifchen Löfungsverfuch Brewers nicht blenden ließen.
Während Raufchen nach längerer Gegenwehr die Waffen
ftreckte und fich gefangen gab, hält er, ebenfo wie
Weyman (Theol. Revue 1912, Nr. I, Sp. I —10, wo auch
die weitere Literatur nachgetragen ift), den Widerfpruch
aufrecht. Nach einer den Stand der Frage darlegenden
und die Literatur verzeichnenden Einleitung unterfucht
er in Nr. II das Bild des Heidentums und Judentums,
wie es aus Inftr. I herausfcheint, in Nr. III den Stand
der chriftlichen Gefellfchaft nach Inftr. II, in Nr. IV
die Angaben und Fingerzeige des Carmen apologeticum,
in Nr. V die ,realites' Kommodians (feine perfönlichen
Verhältniffe und feine Quellen). Das Refultat ftimmt mit
dem Zellers (Die Zeit Kommodians, Tübinger Theol.
Quartalfchr. 1909, 161—211 und 352—406, auch feparat
erfchienen) überein: die beiden Bücher der Inftruktiones
find gefchrieben zwifchen 251 und 254, das Carmen
apologeticum vor 258. Nur glaubt er, daß der Dichter
in Inftr. II, 25, I—6 nicht allein das afrikanifche Schisma
des Felicifiimus, fondern auch, fogar in erfter Linie, das
novatianifche Schisma in Auge habe.

Unter dem erften oberflächlichen Eindruck des
Brewer'fchen Materials hielt ich feinerzeit die alte Datierung
für ,mindeftens ftark erfchüttert, wenn nicht tödlich getroffen
' (Theol. Revue 1908, 412). Die Darlegungen
Zellers aber haben mich überzeugt, und die von d'Ales
und Weyman in der Überzeugung beftärkt, daß Brewer
mit einer Fülle von Gelehrfamkeit und Scharffinn
grandes passus extra viam gemacht hat, daß Kommodian
in Wirklichkeit nicht ins fünfte Jahrhundert und nicht
nach Gallien, fondern ins dritte Jahrhundert und nach
Afrika gehört.

Wenn der Satz bei d'Ales S. 508: Lactance loue
chez Commodien ,voluntariae paupertatis amorem'
ftimmte, dann wäre die Kommodianffage mit einem
Schlage aus der Welt gefchafft. Allein ftatt Lactance
muß es leider heißen Gennade, wie am Schluß S. 616
korrigiert wird.
München. Hugo Koch.

Lewin, Dr. Rhold.: Luthers Stellung zu den Juden. Ein Beitrag
zur Gefchichte der Juden in Deutfchland während
des Reformationszeitalters. (Neue Studien zur Ge-