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Ausgabe:

1912 Nr. 13

Spalte:

396-397

Titel/Untertitel:

The Cambridge Bible for Schools and Colleges. General Editor for the New Testament: St. John Parry. The Epistle of Paul the Apostle to the Galatians by A. Lukyn Williams 1912

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 13.

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Werk der Propheten in Ifrael mit der Kanonifation des
Gefetzes zur Zeit Efras und Nehemias — doch vgl. oben —
aufhörte, und er beftreitet Harnack's Anficht, daß die
prophetifche Gabe im fpäteren Judentum fich häufig zeigte.
Im Chriftentum, S. 135, ift der Belitz des heiligen Geiftes
nicht mehr vorübergehend, fondern dauernd, nicht mehr
auf einzelne, wie die Propheten, befchränkt, fondern allen
Gläubigen gemein. Es freut mich, daß der Verfaffer das
Zungenreden, S. 138, vom Reden in fremden Sprachen
fcheidet. In VII findet Fracaffini, daß die Lehre des
Paulus nicht von der der Chriften im allgemeinen wefentlich
verfchieden war, und bleibt bei den paulinifchen Briefen
als dem Anfang des N. T. Die VIII. und IX. Vorlefung
behandeln ins einzelne die Überficht der Lehren der
Evangelien und der Briefe, und läßt den Kanon der
Evangelien im zweiten Jahrhundert entftehen, dem fich
die Briefe Pauli fpäter anfchloffen. Die Gründe für die
fpäte Kanonifation werden gut vorgetragen. Der allmähliche
Abfchluß des Kanons zeigt fich, S. 329, deutlich im
Satz: ,Ein entfchiedener Schritt in der Richtung der genauen
Beftimmung einer Sammlung der heiligen Bücher,
fowohl des Neuen wie auch des Alten Teftaments, end-
giltig abgefchloffen und giltig für die ganze Kirche, wurde
im vierten und fünften Jahrhundert getan', und zwar unter
dem Einfluß der Dogmatik. Die Befprechung der Vul-
gata in XI und XII ift für Proteftanten intereffant. Im
Schluß vergleicht der Verfaffer das N. T. mit dem corpus
juris. Die Gelehrfamkeit, der weite Blick, die Selbftbe-
herrfchung, die vornehme Gefinnung, das warme chriftliche
Gefühl des Verfaffers, auch feine klare, fchöne Schreibweife
, machen diefes Buch für Katholiken und für Proteftanten
in hohem Grad wertvoll und lehrreich.

Leipzig (Las Vegas, Nevada, den 13. Januar 1912).

Caspar Rene Gregory.

Lahy, J. M.: La Murale de Jesus, sa part d'influence dans la
morale actuelle. (196 S.) kl. 8°. Paris, F. Alcan 1911.

fr. 2.50

Die 40 erften Seiten diefes Buches find einer Erörterung
über die Grundfätze einer wiffenfchaftlichen
Moral gewidmet. Diefe Erörterung ift durchaus im Sinne
des pofitiviftifchen Philofophie gehalten. Die Religion
kommt in ihr nur als eine primitive Form des Welterkennens
in Betracht. Von diefer Grundlage aus wird
dann, im Anfchluß an die von Dürkheim aufgeftellten
Prinzipien, ein Schema entworfen, nach welchem der
Verfaffer feinen fpeziellen Gegenftand zu behandeln gedenkt
. Es gilt zunächft, die Erkenntniffe darzuftellen auf
die eine Moral aufgebaut ift, fodann die fittlichen Regeln
zu erörtern, und zwar zunächft die, welche für die ver-
fchiedenen gefchloffenen fozialen Gruppen beftimmt
find, fodann die, welche den fozialen Verkehr überhaupt
angeben, endlich die, welche die rein individuelle Moral
betreffen. Diefe Darftellungsmethode erfcheint dem Verfaffer
auch für die Moral Chrifti und des Urchriftentums
als durchaus angemeffen.

Er beginnt hierauf mit einer verhältnismäßig ein-

gehenden Skizzierung der Moral des Volkes Ifrael.
'bwohl er eine genaue Kenntnis der altteftamentlichen
Kritik verrät, behandelt er doch das mofaifche Gefetz,
wie es im Pentateuch vorliegt, als eine Einheit, und den j
Prophetismus als eine auf diefes Gefetz folgende Er-
fcheinung. Am Schluffe diefes Abfchnitts werden die
Einflüffe fremder Religionen auf die Frömmigkeit und
Sittlichkeit des jüdifchen Volkes unterfucht.

Als Quellen für die Kenntnis der Lehre Jefu werden
die Synoptiker und Johannes unterfchiedslos benutzt.
Jefus hat einen neuen Gottesbegriff aufgeftellt und in-
folgedeffen auch die Moral Ifraels umgeschaffen. Seine
Ethik wird wefentlich vom fozialen Gefichtspunkt aus betrachtet
, aber nicht fozial genug, fondern zu individualiftifch
befunden. Die .Pflichten gegen Gott', wie fie Jefus gelehrt
haben foll, werden unter der Rubrik der .morale
civique' abgehandelt. Zum Schluß ift, wie es auch fchon
im vorhergehenden Kapitel der Fall war, von den Strafen
und Belohnungen die Rede. Das Gefamturteil des
Verfaffers über die Moral Jefu ift wohl am bündigften
in folgendem Satze zufammengefaßt: ,La morale chretienne,
toute proche et la passivite hindoue, n'a jamais ete un
stimulant ä l'activite et au progres humain dans l'ordre
social et scientifique' (S. 133). Paulus wird, im Gegenfatz
zu Jefus, der mehr ein Träumer war, als der eigentliche
Urheber des chriftlichen Dogmas und als der Organifator
der chriftlichen Kirche gepriefen. Der Verfaffer
ftellt ihn fehr hoch. Wie es aber mit feinem Verftändnis
der paulinifchen Theologie beftellt ift, mag der Ausfpruch
S. 182 dartun: ,La foi, pour St. Paul, consiste en une
adhesion dans examen ä la verite imposee par la religion'.
Natürlich ift die Moral des Paulus fo gut wie die Jefu
veraltet, weil fieaufVorftellungen beruhen, die der modernen
Wiffenfchaft widerfprechen. Das diefe Moral noch
heute Geltung hat, kann fich der Verfaffer nur daraus
erklären, daß bisher nur wenige Geifter begriffen haben,
daß die Moral mit dem Gang der Wiffenfchaft Schritt
halten muß.

Der Gefamtftandpunkt des Verfaffers fowie unzählige
einzelne Behauptungen fordern zum Widerfpruch heraus.
Indeffen nähere Erörterungen fcheinen unangemeffen,
einem Werke gegenüber, das feine Behauptungen nur
fchwach begründet und fich in keine Auseinanderfetzungen
mit abweichenden Anflehten einläßt. Neue Gefichts-
punkte, die in der Jefus- und Paulusliteratur nicht fchon
aufgeftellt wären, bietet es nicht. Die Lektüre des Buches
ift denen zu empfehlen, die fich darüber unterrichten
wollen, bis zu welchem Maße des Verftändniffes Jefu und
des Urchiftentums man vom Standpunkt eines doktrinären
Pofitivismus aus gelangen kann.

Paris. Eug. Ehrhardt.

The Cambridge Bible for Schools and Colleges. General
Editor for the New Testament: St. John Parry, B. D.
The Epistle of Paul the Apostle to the Galatians.
Ed. by A. Lukyn Williams, B.D. With Introduction
and Notes. (LH, 127 S. m. 1 Karte.) kl. 8°. Cambridge,
University Press 1911. sh. 1.6

Die Vorrede diefes Bändchens ift fchon ,Okt. 1910'
unterzeichnet; der Verf. (auf dem Titel noch B.D. jetzt
D. D, examinierender Kaplan des Bifchofs von Durham)
hat für The Cambridge Greek Teftament for Schools
and Colleges außer Galater auch Koloffer und Philemon
bearbeitet; diefes Bändchen fcheint an die Stelle der
auf dem Umfchlag und in den literarifchen Anzeigen
genannten Bearbeitung von E. H. Perowne zu treten.
Es ift fehr forgfältig gearbeitet, vertritt die nordgalatifche
Theorie, und verlegt den Brief zwifchen 2. Kor. (Mazedonien,
Herbft 55) und Römerbrief (Frühjahr 56, Korinth) in den
Spätherbft 55 nach Mazedonien oder Winter 55)6 Korinth.
Entfcheidend ift dem Verf. insbefondere die Verwandt-
fchaft mit dem Römerbrief; Lakes neue Erklärung der
letzteren konnte er noch nicht berückfichtigen. Zu 1, 1
vermiffe ich Berückfichtigung der Zahnfchen Interpunktion
; in 1, 12 wird eine wahrfcheinlich nicht abfichtslofe
Anfpielung auf Matth. 16, 17 gefunden. Befonders forgfältig
find , die fprachlichen Erörterungen, z. B. über
öia&Tjxr]. Überrafchend ift zu 3, r. daß die Douay-Bibel
mit der Sixtina ,proscribed' hat, während die Clementina
doch praescriptus bot. Den Meiften neu wird die Anficht
fein, daß ßvßXoq probably only another form for
najtvQoq ift. Die Bemerkung zu 3,17, daß nur die erfte
Hand von B ,35' ftatt ,430' habe, ift mißverftändlich;
fie hat natürlich 435. Dankenswert ift die Karte, auf
der ich nur Nacoleia vermiffe. Die Angabe der AG.
16, 6, daß der .heilige Geht' die reifenden Apoftel be-