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Ausgabe:

1912 Nr. 13

Spalte:

393-394

Titel/Untertitel:

Jahrbuch der Jüdisch-Literarischen Gesellschaft. VIII 1912

Rezensent:

Strack, Hermann L.

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393

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 13.

394

der Fabeln und der Weisheitsfprüche als ein nichtjüdifches
Werk anzufehen, deshalb werden auch die Fabeln und
Weisheitsfprüche der jüngeren Rezenfion zumeift nicht-
jüdifchen Urfprungs fein. Der internationale Charakter
der Weisheit, der im A. T. vielfach zutage tritt und besonders
von Ewald und Wellhaufen betont ift, wird durch
die Papyri urkundlich belegt. In weitem Umfang muß
hiernach die Spruchweisheit des A. T. gemeinfemitifchen
Urfprungs fein, wenngleich die Juden die ihnen von auswärts
zugekommenen Stoffe in immer fteigendem Maße
mit ihrem eigenartigen Gottesglauben durchtränkt haben.

Ob der Roman geradezu affyrifchen Urfprungs ift,
muß zweifelhaft bleiben. In der uns vorliegenden Geftalt
ift er offenbar erft nach dem Untergang des affyrifchen
Reiches entftanden, weil er von Sennaherib und Afar-
haddon als Königen einer fernen Vergangenheit redet.
Jedenfalls entflammt er aber dem affyrifch-babylonifchen
Kulturbereich. Vermutlich werden deshalb die Affyrio-
logen noch einige Rätfei des freilich ftark verftümmelten
und auch ziemlich verderbten Textes erklären können.
Uaß er fich bei den Kolonisten in Elephantine fand, erklärt
fich z. T. wohl daraus, daß fie befondere Erinnerungen
an Afarhaddon hatten.
Göttingen. _R. Smend.

Jahrbuch der Jüdifch-Literarifchen Gefelifchaft. (Sitz: Frankfurt
a. M.) VIII. 1910=5671. (III, 452 u. hebr. Abtlg.
114 S.) gr. 8°. Frankfurt a. M., J. Kauffmann 1911.

M. 12—; geb. M. 13 —

Auch der X. Band des Jahrbuches der Jüdifch-lite-
rarifchen Gefelifchaft (über die früheren vgl. Jahrg. 1910,
Nr. 18 und 1911, Nr. 6) bringt fowohl multa als auch
multum. Sah Stein befpricht das Buch Koheleth mit dem
Ergebnis: Es ift ,die Beichte eines Mannes, der feine
intimften Anfchauungen rückhaltlos aufdeckt, der uns
feine Zweifel unverhohlen mitteilt, . . . aber auch erkennen
läßt, wie er ehrlich an der Löfung diefer Zweifel arbeitet
und, da fie für menfchliche Vernunft unlösbar bleiben
müffen, fich vor dem Willen Gottes beugt, dem er feine
Vernunft unterordnet'. Wefentlich ebenfo haben W. Volck
und ich ftets geurteilt. Bei der Diskuffion bab. Sabbat
30b handelt es fich aber nicht um die Frage, ob das
Buch in die Sammlung heiliger Schriften aufzunehmen
oder auszufchließen' fei, fondern um Beibehaltung oder

nach nicht monogamifch, fondern polygamifch', und daraus
,folgt ohne weiteres die grundfatzlich verfchieden-
artige Rechtsftellung beider Ehegatten hinfichtlich des
außerehelichen Gefchlechtsverkehrs'. Dasjüdifche Sklavenrecht
folgt ,mehr der Analogie des Sachenrechts'. Der
von dem modernen Recht gefchaffene Begriff der Staatsangehörigkeit
. . . ift dem jüdifchen Recht feiner ganzen
Struktur nach völlig fremd. . . Das moderne Recht hat
zu feinem Gegenftand . . den Menfchen .. Gegenftand des
jüdifchen Rechts ift prinzipaliter der Jude'. Wie Ifrael
bei alle dem habe beftehn können und noch beftehe und
wie bei alle dem z. B. ein fo gutes Familienleben fich
gebildet und erhalten habe, darüber lefe man des Verfaffers
Ausführungen. B. Lewin macht weitere Mitteilungen zur
Charakteriftik und Biographie des Serira (Sarrira) Gaon.
Faft ein Drittel der deutfchen Abteilung ift der Gefchichte
der Juden in Fürth gewidmet: Verzeichnis hervorragender
Perfönlichkeiten (Salomo Hanau S. 106, David Ottenfoffer
S. 138). Durch W. Sombart's Buch ,die Juden und das
Wirtfchaftsleben' (Leipzig 1911) ift der Auffatz von Bondi-
Mainz ,Die wirtfchaftliche Tüchtigkeit der Juden' veranlaßt
. Die in der hebräifchen Abteilung durch Heinrich
Loewe veröffentlichten Memoiren des Mofes Wafferzug
,geben einen eigenartigen Einblick in das Kleinftadtleben
der pofenfchen und polnifchen Juden' von der zweiten
Hälfte der Fridericianifchen Zeit (Schleichhandel, Haß
gegen die Zoll- und Akzife-beamten) bis in die erften
Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts.

Berlin-Lichterfelde W. Herrn. L. Strack.

Fracassini, giä Prof. Umberto: Che cos'e la Bibbia. Le-

zioni ftorico-critiche füll' ispirazione dei libri canonici.
(XI, 399 p.) gr. 8°. Roma, F. Ferrari 1910.

Der Verfaffer, früher Profeffor am Seminar in Perugia,
nach dem Imprimatur Dominikaner — der Zenfor heißt
nomen et omen Chiefa — befpricht in zwölf Vorlefungen
in bewußter Verbindung die allgemeinen Fragen mit
Bezug auf Eingebung und Kanonizität: I. Das infpirierte
Werk und Wort der Propheten; — II. Die infpirierten
Schriften der Propheten; — III. Infpirierte Schriften, die
die Prophetie ergänzen (weisheitsmäßige, apokalyptifche,
gefchichtliche, lyrifche); — IV. Der Kanon der Hebräer-
— V. Das A. T. im N. T.; — VI. Die Tätigkeit des
Geiftes im urfprünglichen Chriftentum; — VII. Die Quellen
Ausfchließung (gegen S. 293). In das Gebiet der Schrift- I der infpirierten Literatur des Chriftentums; — VIII. Die
auslegung führen uns S. Eppenftein, der Jofeph Qara's | Entwicklung der Lehre in der evangelifchen Literatur; —

' IX. Die Ergänzung der Lehre in der brieflichen Literatur;
-— X. Die Quellen des Kanons des N. T.; — XI. und XII.
Die letzte Stufe der Kanonifation der zwei Teftamente.
Eine zufammenfaffende Betrachtung von 14 Seiten und
Sach- und Schriftftellen-Liften fchließen das Buch.

Fracaffini kennt die Literatur des Fachs. Im erften
Kapitel erinnert er mit Recht an die heulenden und
tanzenden Derwifche als mit den altteftamentlichen Propheten
verwandt. So fehr er auch vom Anfang bis zum
Schluß die Vulgata als die infpirierte Schrift betont, fo
fcheut er fich nicht, gelegentlich, wie S. 21 Anm. mit
Duhm, S. 25 Anm. mitDriver, fich denen anzufchließen, die
von der Vulgata abweichen. Auch unter Jona war noch
Eänden Begonnenes fort: verkannte Formen der Nominal- j keine richtige Kanonifation, S. 31. Die Vorlefung unter

Esra bezieht er mit Reuß, Kuenen und Stade auf den
priefterlichen Kodex, S. 41. Aus III ift hervorzuheben,
daß der Verfafter S. 70 offen fagt, das Hohelied: ,biete
die größte Schwierigkeit, den Grund für feine Infpiration
[das will denn fagen, für feine Kanonifation. Ref.] zu verliehen
', wenn er auch fie beliehen läßt. Für den dritten
Kanon des A. T. fchließt die ausführliche Behandlung,
unter Betrachtung der neueften Anflehten darüber, mit
der Annahme des Jahres 110 n. Chr. Geb., fo IV, und der
Verfaffer verfährt demgemäß in V, und findet nicht, daß
das N. T. den dritten Kanon anerkennt.

Im VI. Stück fängt der Verfaffer damit an, daß das

**

Kommentar zum 2. Buch Samuel veröffentlicht (in Band
VII den zum 1. Buch), und A. Sulzbach durch eines
anonymen Verfaffers Kommentar zum Buche Hiob (aus
der Hamburger Stadtbibliothek Nr. 37). L. Grünhut-
Jerufalem fucht zu zeigen, daß mit dem Berge Hör Num.
34. 7 f. der Djebl el-'Aqra (füdlich von der Mündung des
el-'Asi) gemeint fei; fo fchon Estori Ha-parhi in feinem
l322 verfaßten geographifchen Werke Kaphtor wa-pherah
(nach Ex. 25, 33). Leop. Fifcher weift darauf hin, daß die
jüdifchen aramäifchen Papyri von Affuan von babylonifchen
Urkunden auch formell fich unterfcheiden und auch jü-
difches Gepräge tragen. H. Ehrentreu-München fetzt in
.Sprachliches und Sachliches aus dem Talmud' in früheren

Bildung qätöl, Verwendung doppelfinniger Wörter ufw.
Zu mfrfl ,Kelterer' vgl. Barth, Nominalbildung § 122 c.
Daß in dem Sprichworte milla besela mastuqa bithren
/das Wort gilt Einen Sela', das Schweigen zwei' mehrfach
der Nebenfinn .Efchenfrucht ift weniger wert als Maftix'
herausgehört worden ift, glaube ich nicht, vgl. Imm. Low,
Aram. Pflanzennamen S. 248. Ed. Biberfeld-Berlin weiß
dem Satze Itttt fWa httfl «iptt pH einen tieferen Sinn
abzugewinnen. — In fehr bemerkenswerter Weife verzichtet
L;aac Breuer in dem Auffatze ,Die rechtsphilofophifchen
Grundlagen des jüdifchen und des modernen Rechtes' auf
.talfche Apologetik'. ,Die jüdifche Ehe (fei) ihrem Begriffe