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Ausgabe:

1912 Nr. 12

Spalte:

380-381

Autor/Hrsg.:

Külpe, Oswald

Titel/Untertitel:

Die Philosophie der Gegenwart in Deutschland. Eine Charakteristik ihrer Hauptrichtgn. nach Vorträgen, geh. im Ferienkurs für Lehrer 1907 zu Würzburg. 5. verb. Aufl 1912

Rezensent:

Goedeckemeyer, Albert

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 12.

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den offen erklärt hätten, die Konfirmanden follten nicht
auf den Wortlaut des Apoftolikums verpflichtet werden,
und daß der Oberkirchenrat (Erlaß an die Generalfupe-
rintendenten vom 6. Juni 1911) es als Mißverftändnis bezeichnet
hätte, daß der Gebrauch des Apoftolikums bei
dem von den Konfirmanden abzulegenden Glaubensbekenntnis
als die Verpflichtung auf den Wortlaut einer
Bekenntnisformel gemeint fei. Eine überaus wichtige
Kundgebung, da fie von der höchften kirchlichen Behörde
in Preußen ausgeht, deren pietätvolle gefchichtliche
und religiöfe Würdigung des Apoft. niemand zu bezweifeln
wagen wird. Allein diefe Kundgebung genügt nicht,
weil fie nur negativ gehalten ift. Was heißt das: nicht
auf den ,Wortlaut' verpflichtet werden? worauf follen fie
denn verpflichtet werden? Verpflichtung' (zum Glaube^
kennt die evangelifche Kirche nicht, und der Unterfchied
zwifchen Glaubensbekenntnis' und ,Bekenntnisformel'
dürfte fchwer zu definieren fein, davon abgefehen, daß
der .Wortlaut' eines Glaubensbekenntniffes die Subftanz
desfelben ift. Die Hauptfrage wird mit dem allen nicht
berührt: fie lautet, ob das Apoft. als Bekenntnis des
evangelifchen Glaubens überhaupt anzufehen ift. Eins
der Häupter lutherifcher Orthodoxie im 17. Jahrh.,
Abraham Calov, hat in feinem Werke Syncretismus Calix-
tinus (1653) die Frage mit rundem Nein beantwortet,
weil nur die fides salvifica, nicht f. historica den Anfpruch
auf evangelifchen Glauben erheben darf. Die Deutung,
daß nicht die angeführten Tatfachen als folche Gegen-
ftand des Glaubens find, fondern die Heilandswürde
Chrifti, die nach der Meinung der Verfaffer durch die
Tatfachen ficher geftellt werden foll, ift an fich richtig
und der theologifchen Bildung durchaus verftändlich,
aber fchwerlich den .Laien' (s. v. v.) und vollends Konfirmanden
von 14 Jahren. Aber der Vorwurf, anderes zu
meinen als dafteht und doch das Daftehende als Ausdruck
des Glaubens zu behaupten, wird ftets aufs neue
fich erheben und die Gemüter verwirren, wenn fie fich
nicht zur Schädigung ihres Glaubenslebens an der f.
hiftorica wollen genügen laffen. Wir werden nicht zur
Klarheit und Wahrhaftigkeit gelangen, wenn nicht der
radikale Schritt gewagt wird, das Apoft. als Bekenntnis
des evangelifchen Glaubens überhaupt nicht mehr litur-
gifch zu verwerten.

So weit geht Löber nicht. Er will nur den obli-
gatorifchen Gebrauch des Apoft. bei der Taufe und
bei der Konfirmation befeitigt wifien und fucht das Ziel
durch Forderung von Parallelformularen, deren Verwendung
den Gemeindegliedern zu überlaffen fei, zu erreichen.
Daß er den obligatorifchen Gebrauch im Hauptgottes-
dienft nicht in Betracht zieht, hat darin wohl feinen Grund,
daß die fächfifche Landeskirche ftatt des Apoft. ein
Glaubenslied verwendet. Die Argumente Löbers find
rein praktifcher Natur; einerfeits die Anftöße vieler
denkender Chriften an einzelnen Sätzen des Apoft., in-
fonderheit an der Jungfrauengeburt, der Höllenfahrt, der
Himmelfahrt, der Auferftehung des Fleifches, anderfeits
die Übung in der Brüdergemeinde und bei den Siebenbürger
Sachfen, die das Apoft. weder bei der Taufe
noch bei der Konfirmation verwenden. Wird doch felbft
bei der Konfirmation der Preußifchen Prinzen das Apoft.
nicht gebraucht. Zum Wefen der beiden Handlungen
gehöre demnach das Apoft. nicht. Daß das Kirchenrecht,
das evangelifche wie das römifch-katholifche, die Gültigkeit
der Taufe vom Gebrauch des Apoft. nicht abhängig
macht, daß auch kein dogmatifcher Grund den Gebrauch
bei der Konfirmation fordert, berückfichtigt Löber nicht.
Obgleich durch die Darlegungen des Verfaffers die
brennende Frage wohl nicht zum Austrag kommen wird,
fo haben wir es doch aufs wärmfte zu begrüßen, daß
ein im Pfarramt fliehender, in jeder Beziehung durchaus
.pofitiver' Theologe feine Stimme in einer Frage mit aller
Deutlichkeit und Befonnenheit erhebt, deren öffentliche
Behandlung, wohl nicht ohne Wunden im Streit, hoffentlich
eine der Wahrheit dienende Beantwortung finden
wird.

Marburg._E. Chr. Achelis f.

Referate.

[Stolz, Alban, und Julie Meineke.] Fügung u. Führung. EinBrief-
wechfel m. Alban Stolz. Hrsg. von Prof. Dr. Julius Mayer.
2. u. 3. Aufl. (VI, 171 S.) kl. 8". Freiburg i. B., Herder (1911).

M. 2.20; geb. M. 3 —
Das vorliegende Buch enthält den Briefwechfel des vielgenannten
, überaus fruchtbaren katholifchen Volks fchriftftellers
Alban Stolz (1808 —1883) und einer durch feine Schriften für den
Katholizismus gewonnenen jungen Konvertitin, Julie Meineke,

j der fehr belefenen und etwas romantifch veranlagten zweit-
jüngften Tochter des langjährigen Direktors des Joachimsthalfchen
Gymnafiums in Berlin, Auguft Meineke. Der Wert diefer Brief-
fammlung, die nicht in extenfo, fondern nur in einer verkürzten
Bearbeitung vorliegt, befteht wefentlich darin, daß fie uns die
Perfönlichkeit des bedeutenden Schriftftellers menfchlich nahe-
rückt und uns durch die Briefe feiner jugendlichen Verehrerin
ein pfychologifch wertvolles Material zu dem intereffanten Kapitel
.Konverfionen' übermittelt. Was Julie Meineke zum Katholizismus
führte und in ihrer Begeifterung für denfelben erhielt, war

1 die Schwärmerei für Alban Stolz, den fie zwar nie gefehen hatte,
deffen geiftiges Bild fie fich aber gerade deshalb um fo idealer
vorftellen konnte. Was Stolz ihr fchrieb, galt ihr von Anfang an
als unbedingte Wahrheit und fie ordnete fich feinem Urteil in
einer Weife unter, daß fie darüber ihre eigenen Anflehten und
Meinungen vollftändig vergaß und fich einreden konnte, überhaupt
immer fo geurteilt zu haben. Obwohl fie nie fein Beichtkind
war und der räumlichen Entfernung halber auch nicht fein
konnte, fo lebte fie fich doch täglich mehr in die geiftige Abhängigkeit
von ihm hinein und brachte es darin fchließlich zu

I einer eigentlichen Virtuofität. Deshalb war es ihr auch äußerft
peinlich, wenn feine Briefe etwas länger auf fich warten ließen,
und fie fühlte fich fehr enttäufcht, wenn fie von ihm einmal nicht
nach dem Range eines feiner Freunde erften Ranges' behandelt
wurde. Man darf wohl fagen, daß Julie Meineke ebenfogut zu
irgend einer Gemeinfchaft oder Sekte fich hätte bekehren können,
wenn fie dort einem Manne begegnet wäre, der auf ihre leicht-
empfängliche Seele einen ebenfo ftarken religiöfen Einfluß ausgeübt
hätte.

Esperanza de Santa Fe. Alb. Bruckner.

I Koerber, Pfr. A.: Kampf und Leiden in der Gefchichte der deutfehen
evangelifchen Gemeinde in Lyon. Der Verluft ihrer Kirche.
Ein Beitrag zu ihrer Gefchichte als Gedenkblatt zu ihrem
60. Geburtstag am 14. V. (1851—1911). Im Auftrag des Pres-
byteriums hrsg. (74 S.) 8°. Stuttgart, J. F. Steinkopf 1911.

M. 1 —

Es ift eine erftaunliche Gefchichte, die der Verf. erzählt:
eine deutfehe evangelifche Gemeinde in Frankreich hat mit deutfehen
Mitteln Kirche und Pfarrhaus unter unfäglichen Opfern gebaut
und dann infolge des Trcnnungsgefetzes alles an das fran-
zöfifche lütherifche Consistoire in Paris nach langwierigem
Prozeß durch Entfeheid des Staatsrates verloren. ,Eine Viertelmillion
Franken deutfehes Geld, von deutfehen Proteftanten
für deutfehen evangelifchen Gottesdienft in Frankreich gefam-
melt und gegeben, ift von der franzöfisch-lutherifchen Kirche
weggenommen worden. Das verlieht man in Frankreich und
befonders in Elfäffer Kreifen unter Revanche.' Trotzdem der
Parifer Theologieprofeflbr E. Menegoz dies als Raub bezeichnete
, war alles vergeblich, und die Gemeinde hat nun erft ihr
Befitztum mieten müffen, geht aber fofort an die Schaffung
neuer Inftitutionen. Das ift erfreulich zu lefen, wie unfere Landsleute
durch entftandene Schwierigkeiten nur um fo treuer zufam-
menhalten. Auch fonft bietet das Heftchen manches Prinzipielle,
z. B. die Ausführungen des erften Pfarrers der Gemeinde über
die Frage: Wozu eine deutfehe Kirche im fremden Lande.''
(S. 14—16). Dem Heftchen find die Aktenftücke in 9 Beilagen
angefügt.

Ahlden (Aller). E. W. Bussmann.

Külpe, Oswald: Die Phllofophie der Gegenwart in Deutichland. Eine
Charakteriftik ihrer Hauptrichtgn. nach Vorträgen, geh. im
Ferienkurs für Lehrer 1907 zu Würzburg. 5. verb. Aufl. (Aus
Natur u. Geifteswelt. 41.) (VII, 136 S.) kl. 8». Leipzig, B. G.
Teubner 1911. M. 1 —; geb. M. 1.25

Von der in diefer Zeitfchrift 1903 Sp. 506f. befprochenen

1 Aufl. unterfcheidet fleh die neuelte dadurch, daß fie einige für