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Ausgabe:

1912 Nr. 12

Spalte:

378-380

Autor/Hrsg.:

Löber, Georg

Titel/Untertitel:

Wie ist über den obligatorischen Gebrauch des Apostolikums bei der Taufe und bei der Konfirmation zu urteilen 1912

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 12.

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gehörigkeit zu Gott beizulegen. Ift damit bereits das
Wefentliche gefagt, fo gewinnen wir doch erft durch die
Behandlung der Geiftfrage den Abfchluß des trinitarifchen
Gefamtbildes. Das Liebeswirken Gottes an der Welt und
an uns als ihren Gliedern fetzt der Geift in organifcher
Weife fort. Diefen an der Glaubemgemeinde wirkenden
Geift Gottes wird nur ,ein unbefugtes Spiritualifieren mit
Chriftus konfundieren'; auch dem Vater-Gott gegenüber
ift der Geift ein andres. Ohne die Selbftändigkeit des
Geiftes gegenüber dem Vater und dem Sohn würde der
Vater zum Mittler zwifchen dem Sohne und der gefchicht-
lichen Menfchheit erklärt werden, während doch umgekehrt
der Sohn der Mittler und Träger der weltverföhnenden
Liebesnähe des Vaters ift. Damit ift auch die Perfön-
lichkeit des Geiftes gefetzt; ift er aber gottheitlich und
wirkt er perfonhaft, dann müffen wir feine perfonhaft-
göttliche Exiftenz in die ewigen Tiefen der Gottheit zurückverfolgen
, ganz wie die des Sohnes: in der offen-
barungsgefchichtlichen oder ökonomifchen Trinität liegt
die immanente oder ontologifche. Quod erat demonstrandum
.

Diefer Verfuch Sch.'s bewegt fich in den Spuren der
modern pofitiven Theologie, die bemüht ift, ,das Datum
des trinitarifchen Gottes in die unmittelbarfte und unbe-
dingtefte Beziehung zu dem perfönlichen Lebensftande
unfers Glaubens oder zu unferm religiös-chriftlichen Leben
zu fetzen'. Indem der Verf. ,den Trinitätsglauben zum
Offenbarungsglauben oder zur Folgeerfcheinung der Offenbarung
Gottes macht, lehnt er jeden Verfuch ab. auf dem
Wege rationaler Spekulation zu ihm zu gelangen'. Damit
ftimmt auch die Forderung, die trinitarifchen Auslagen
durchaus von unten, von der Offenbarungsgefchichte und
ihrer gläubigen Vergewifferung aus zu gewinnen. Daß
diefe Fragestellung den Einfluß Ritfchlfcher Gedanken
verrät, wird keinem Kundigen entgehen. Die Virtuofität
der biblifch-theologifchen und dogmatifchen Manipulation
flammt aus einer andern Schule. ,Der fachliche, innere
Zufammenhang des Markuszeugniffes von Jefus mit der
Geburtsgefchichte bei Matthäus und Lukas fällt erft dann
hin, wenn widerfpruchslos gezeigt wird, das Markus keine
perfönliche Zugehörigkeit Jefu, keinen perfönlichen Anteil
des Herrn an dem Leben Gottes kennt. Kennt er den
aber, dann hat er einen Jefus, der nicht Kreatur ift, wie
wir' (21). Ein andres Beifpiel derfelben Kunft liefert die
Erklärung der Perikope vom Gichtbrüchigen (Marc. 2,1—12)
Seite 16. Wo ein folcher Schriftgebrauch gilt, ift eine
weitere Diskuffion wohl ausfichtslos. — Mit Genugtuung
ftellt Sch. feft, daß die religionsgefchichtliche Forfchung
felber bezüglich der Behauptung fachlicher oder wurzelhafter
Zufammenhänge des trinitarifchen Chriftenglaubens
in feiner klaffifchen neuteftamentlichen Geftalt mit andern
Religionsformen zurückhaltender wird (44). Es ift nur
schade, daß daraus weder für die von Sch. gehandhabte
Methode, noch für das von ihm gewonnene Ergebnis
Kapital gefchlagen werden kann.

Straßburg i. E. _P. Lobftein.

Schrempf, Chriftoph: Zur Reform des evangelifchen Pfarramts
. Auffätze u. Reden. (103 S.) gr. 8°. Stuttgart,
F. Frommann 1911. M. 1.20

Das Bändchen vereinigt fieben verfchiedene Stücke:
einen Auffatz ,Zum Fall Jatho*, gefchrieben vor der Entscheidung
; ,Noch ein Wort zum Fall Jatho', aus zwei in
Dortmund nach der Entfcheidung gehaltenen Reden zu-
fammengearbeitet; eine Reihe von Zeitungsartikeln, unter
denen einer von Max Maurenbrecher, einer von Sch.
felbft ift, Und die über Apoftolikum und (zumal württem-
bergifche) Konfirmation handeln; eine Auseinanderfetzung
mit der Schrift von A. Pauli ,1m Kampf mit dem Amt'
(f. Theol. Lit.-Ztg. 1912, Sp. 186 f.); eine Rede (geh. 20. 6.
1911) an Tübinger Theologie-Studierende über die Frage:
.Kann der kritifche Theologe in den Kirchendienft eintreten
?' (Antwort unter den zurzeit beftehenden Verhältniffen:
Nein); endlich ein Gutachten ,Zur Reform des evang.
Pfarramts'. Schon aus diefer Inhaltsangabe, die übrigens
die Reihenfolge abgeändert hat, wird man entnehmen, daß
es fleh durchaus nicht um eine alle Seiten des Problems
befprechende, fyftematifche Behandlung der Pfarramtsfrage
handelt; fo ift die Sache nicht einmal in dem ihr
eigens gewidmeten Auffatz angefaßt. Sch. legt vielmehr
eine Reihe von temperamentvollen Äußerungen vor, die
ihm meift aus der Jatho-Situation 1911 erwachfen find und
in denen immer der eine Gedanke durchfehlägt: der
evangel. Pfarrer kann die ordnungsmäßige Liturgie nur
brauchen, kann nach der vorgefchriebenen Agende fich
nur dann ordinieren laßen, nur dann nach ihr taufen und
konfirmieren, wenn er heuchelt. Alfo bleibt für den Ehrlichen
, wie die Dinge liegen, nur Trennung vom Amt.
Gelegentlich gibt er allerdings zu, daß eine andere Löfung
individuell möglich ift (S. 72); aber das Zugeftändnis hat
für feine Gefamtauffaffung keine Konfequenzen; der kritifche
Theologe foll nicht ins Amt gehen; der im Amt
Stehende foll fich weigern, die Liturgie weiter zu gebrauchen
; gefchieht es nicht, fo ift es ,heilige Proftitution'.
Die Reform foll darin beliehen, daß der Pfarrer Freiheit
bekommt: Freiheit vom Zwang zur Benutzung einer vorgefchriebenen
Liturgie, zur Predigt über beftimmte Texte,
von der Verpflichtung auf Schrift und Bekenntnis. Er
foll vor der Gemeinde bekennen, daß er von Jefus lernen
und, was er lernt, mitteilen will; er foll verpflichtet werden,
amtlich nichts zu fagen, was er perfönlich nicht vertreten
kann. Der ganze Schrempf! Ein einziger Gedanke regiert
: der der intellektuellen Wahrhaftigkeit. Jede Möglichkeit
, eine Formel, ein Bekenntnis anders als buchftäblich
zu verliehen, ift für ihn ausgefchloffen. Daß man, was
der durch Schwere Kämpfe Gegangene mit heiligem
Wahrhaftigkeitseifer, man darf fagen: mit feinem Herzblut
fchreibt, nur mit Bewegung lefen kann, daß wir uns
gern von ihm mahnen laffen, diefen fpezififch Schrempf-
fchen Gefichtspunkt ja nicht zu vergehen, verlieht fich
von felbft. Aber wir vermiffen den Blick für eine ganze
Reihe von anderen, mit der Sache notwendig zufammen-
hängenden Fragen, für Gemeinde, Kirche, Gefchichte und
— Wefen des Chriftentums. Wir vermiffen übrigens auch
im Einzelnen mancherlei, insbefondere eine klare Einficht
in das Befondere der Theologie Jathos und in ihre völlige
Abweichung von dem, was man unter .moderner Theologie
' bisher verftand. Nur weil diefe Einficht fehlt, kann
Schrempf immer wieder die Profefforen der Theologie
(mit Bezug auf feinen eigenen Fall insbefondere K. Weiz-
fäcker) anklagen, daß fie ihre ,Schüler' im Stiche laffen
(S. 13, 17, ioifv). Derartige Befchuldigungen find für den,
der die heutige Theologie kennt und Jatho kennt, abfolut
gegenftandslos. — Die Schrift kann alfo recht wohl ge-
wiffenfchärfend wirken, aber fie ift fehr einfeitig und vielfach
ungerecht. Die Reform des Pfarramts muß anders
angefaßt werden.

Gießen.__M. Schian.

Lbber, Pfr. Georg: Wie ift über den obligatorifchen Gebrauch
des Apoftolikums bei der Taufe u. bei der Konfirmation zu
urteilen. (SA. aus Neues Sächf. Kirchenblatt.) (48 S.)
8°. Leipzig, G. Wigand 1911. M. —60

Die feit einiger Zeit wieder einfetzenden öffentlichen
Verhandlungen über den liturgifchen Gebrauch des Apoftolikums
tragen bis jetzt ein wefentlich anderes Gepräge,
als der .Apoftolikumsftreit' vom Jahre 1892. Damals
viel Leidenfchaft, viel Verdächtigung der Gegner auf
beiden Seiten und tiefgehende Erregung des chriftlichen
Volkes. Heute weit mehr Befonnenheit, Wirklichkeits-
finn, Bereitfchaft, auf die Gegner zu hören und die eigenen
Argumente zu revidieren. Damals wäre es undenkbar
gewefen, daß Mitglieder des Preußifchen Oberkirchenrats,
wie D. Lahufen und D. Kawerau, auf Berliner Kreisfyno-