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Ausgabe:

1912 Nr. 11

Spalte:

334-335

Autor/Hrsg.:

Kampers, Franz

Titel/Untertitel:

Karl der Große 1912

Rezensent:

Hauck, Albert

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333

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. II.

334

tunatien, Melanges d'Archeol. et d'Hiit. 28, 1908, 31— 78
(für Echtheit; noch 1907 hatte D. in der Hiftoire ancienne
de l'eglife 2 254 Note wenigftens den Brief .Studens paci
für unecht erklärt); A. L. Feder, Studien zu Hilarius von
Poitiers (für Echtheit); J. Chapman, The Contefted Letters
ofPope Liberius, Rev. Bened. 27, 1910, 22—40, 172 bis
203, 325—351, auch Sonderdruck Maredsous 1910 (tur
Unechtheit; .Studens paci' von Fortunatian, die anderen
Briefe von Luciferianern [f. o. Saltet] gefälfcht); J. F. de
Groot, De iongste onderzoekingen naar de echtherd der
Liberius — brieven, Studien 75,1911,291—320; P. Maiocchi,
Gli studi di P. Fedele Savio S. J. intorno a papa Libeno,
La scuola cattolica 19, 1911, 361—371.

Savio, zu dem ich mich nunmehr wende, ift von
der ohne Schwanken feftgehaltenen Rechtgläubigkeit
(la piena, perfetta e fovratutto coftante ortodoffia) des
Papftes fo überzeugt, daß er fich bei ihrer Verfechtung
als Werkzeug der Vorfehung (la Divina Bontä) fühlt
(1911, 56), wenn er auch früher (1907, 25) erklärt hatte,
daß es ihm fern liege, den Papft um jeden Preis wie ein
.avvocato a furia di retorica' zu verteidigen. Unter folchen
Umftänden verlieht es fich von felbft, daß er die Echtheit
der Briefe verwirft. Nun bin freilich auch ich der
Meinung, daß die Unechtheit der Briefe, trotz allem, was
Duchesne u. a. für die Echtheit vorgebracht haben, das
allein Wahrfcheinliche ift. Wie man insbefondere den
Brief .Studens paci' mit feiner ganz unmöglichen Haltung
o-eo-enüber Athanafius für echt halten kann, ift mir immer
noch unerfindlich; Duchesnes Vernich, ihn dadurch zu
retten, daß er ihn 357 gefchrieben fein läßt, wirkt gar
nicht überzeugend, und dadurch, daß D. Abfaffung aller
Briefe durch Fortunatian im Auftrag des Papftes annimmt
, wird zwar die Klippe der Stildifferenz zwifchen
den anerkannt echten Briefen des Papftes und den in
Frage flehenden vermieden, fonft aber nichts gebeffert.
Aber wenn auch die Briefe wahrfcheinlich unecht find —
auch Savio hat in diefer Richtung wirklich Durchfchlagendes
nicht vorzubringen vermocht —, wird doch die Art, wie
der italienifche Gelehrte den Papft weißzuwafchen fucht,

Mir fcheint auch diefe Verteidigung gekünftelt. Von
nichts kommt nichts, auch nicht der Glaube eines Hilarius,
Athanafius, Hieronymus an den Wankelmut eines Papftes.
Man braucht die Briefe nicht, um diefen aus der Gefchichte
herauszulefen; aber wer die Gefchichte richtig lieft, wird
auch den Wankelmut nicht ungeheuerlich finden.

In Savios Apologie fpielt auch das von De Roffi
aufgefundene und auf Liberius bezogene Lobgedicht auf
einen ungenannten Bifchof eine von 1907 bis 1911
wachfend wichtige Rolle. Er tritt für De Roffis Deutung
ein (anders als Chapman, der fchreibt: common sense
surely obliges us to quit De Roffi here and side with
Funk) und glaubt Funks Widerfpruch dadurch entkräften
zu können, daß er in dem Verfe ,infuper exilio decedis
martyr ad aftra' das ,exilio' als ablativus modi, nicht tem-
poris oder loci faßt und fomit dem gegen Liberius
natürlich entfcheidenden Bedenken, daß der gefeierte
Bifchof im Exil geftorben ift, zu entgehen fucht. Savio
ift fehr ftolz auf feine, oder (wie er mitteilt, des Barna-
biten De Feis) Entdeckung und hat fich ihre Richtigkeit
durch drei angefehene Latiniften, deren Gutachten er 1911
abdruckt, befcheinigen laffen. Ich zweifle auch nicht an
der grammatifchen Möglichkeit, wenn ich fie auch um des
ganzen (hier nicht darzulegenden) Zufammenhangs willen
nicht für die fachlich vorzuziehende halte. Man muß aber
überhaupt, wie Savio, die ,convinzione della piena inno-
cenza' des Papftes haben, um gleich die Eingangsworte
Gedes dichtes auf ihn beziehen zu können. Oder follten
es wirklich die Eltern des Liberius fein, von denen es
heißt: ,qui confessorem talem genuere potentem atque
sacerdotem sanctum sine feile columbamr' Und wenn's
fo wäre, ein Panegyrikus kann das Zeugnis der Gefchichte
fo wenig befeitigen wie ein Apologet.

Gießen. G. Krüger.

Kamp er s, Franz: Karl der Große. Mit Mofaikdruck-
Titelbild und 74 Abbildungen. 1.—5. Taufend. (Welt-
gefchichte in Karakterbildern, hrsg. von F. Kampers.
fchwerlich Anklang finden. Die Liberius belaftenden j S. Merkle u. M. Spahn. 2. Abteilung. Mittelalter. Die

Äußerungen des Athanafius und Hieronymus erklärt er Grundlegung der mittelalterlichen Kultur und Welt

für gefälfcht oder mindeftens interpoliert; das Zeugnis
des Sozomenus fucht er abzufchwächen. So wird alles,
was der .Unfchuld' des Liberius im Wege fleht, weggeräumt
und dem wirklichen Verlauf der Dinge Gewalt

anfchauung.) (V, 127 S.) Lex. 8°. Mainz, Kirchheim
u. Co. 1910. Geb. M. 4—

Kampers' Karl d. Gr. bildet einen Band der vom

angetan. Hat Liberius dem Konftantius keinerlei Nach- : Verfaffer in Verbindung mit Merkle und Spahn heraus
giebigkeit gezeigt, fo bleibt des Kaifers Entfchluß, ihn 1 gegebenen ,Weltgefchichte in Karakterbildern'. Der
zurückzufenden, innerhalb der Situation von 357 und 358 , Lefer erwartet demnach eine Biographie Karls, die den
unverftändlich, es fei denn, daß man den fchönen Augen : Nachdruck weniger auf die Schilderuno- von Ereigniffen
der Römerinnen, die nach Theodoret den Kaifer um die j und Tatfachen als auf die Zeichnung (der Eio-enart des
Rückkehr des Papftes anflehten, allbezwingende Gewalt ! großen Herrschers legt. Aber Kampers bietet etwas
zumißt. Trotz aller Verficherung vom Gegenteil ift Savio '
Apologet, die ,piena convinzione della innocenza di Li-
berio' (1907, 101) führt ihm die Feder. Da verfährt Chapman
, für den es auch keinen .Fall' des Liberius gibt,
doch feiner. Nach ihm forgten im Offen Homöer und

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Anhomöer für Verkürzung der Reputation des Papftes | im Orient an über Alexander und den Hellenismus nach
(Niederfchlag bei Sabinus, der wiederum die Vorlage des | Rom, fchildert dann den Zufammenfchluß von Weltftaat
arglofen Sozomenus bildete), und zeitweilig hat auch der I und Weltkirche und zeichnet endlich die Eroberung der
verbannte Hilarius daran geglaubt, daß Liberius in Be- j Weltbildung durch die Weltkirche: das Papfttum fcheint

völlig anderes. Er greift weit aus; die Kaiferkrönung
Karls eröffnet ihm ,eine unendliche Perfpektive in die
Vergangenheit'. So verfolgt er denn im erften Teil das
Werden und die Entwickelung der Idee ,des nicht an
Raum und Zeit gebundenen Imperiums' von ihrer Geburt

lohnung feines Falles wieder eingefetzt worden fei; auch
der Ausfpruch des Athanafius beweift, daß man weithin
daran glaubte. Im Weiten wurde die öffentliche Meinung
(z. B. Hieronymus, nicht aber Rufin, der die Fälfchung

den alten imperialiftifchen Gedanken ganz aufgefogen zu
haben. Im zweiten Teil ftellt er diefen Bildern ein ganz
anders geartetes gegenüber: den ,durch den Inftinkt der
germanifchen Raffe' (S. 29) bedingten Wiedereintritt des

durchfchaute) durch die unechten Briefe beeinflußt, von nationalen Prinzips in die Weltgefchichte, der feinen
denen der eine (Studens paci) zufammen mit den echten Höhepunkt in der Gründung des fränkifchen Reichs

Briefen von Hilarius felbft nach dem Konzil von Arminium

findet. In diefe zwiefpältige Welt tritt Karl d. Gr. ein.

dem Werke gegen Valens und Urfacius abfichthch ein- 1 Erft damit, ziemlich genau in der Mitte des Buchs kommt
gefugt und mit einem erklärenden Zufatz begleitet wurde, i Kampers zu feinem Helden. Er fchildert ihn unter drei
der auf die Fälfchung hinweifen follte, während die drei ■ Geflchtspunkten: als den Begründer der Einheit des
anderen Briefe zufammen mit dem angeblichen Brief des j Staats (sie) durch die Unterwerfung Sachfens und Baierns
EufebiusvonVercellae an Gregor von Elvira in das Werk des j und die Angliederung Italiens und der fpanifchen Mark
Hilarius von dritter Hand eingefchmuggelt worden find. 1 an das fränkifche Reich, als den Schirmherrn der Einheit