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Ausgabe:

1912 Nr. 1

Spalte:

325-332

Autor/Hrsg.:

Weinel, Heinrich

Titel/Untertitel:

Biblische Theologie des Neuen Testaments. Die Religion Jesu und des Urchristentums 1912

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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325

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. II.

angedeutet, Habakuk, foviel ich fehe, gar nicht erwähnt.
Das mag für eine biblifche Theologie angehn, nicht für
die Literaturgefchichte. Schärfer dürfte das Deutero-
nomium herausgearbeitet fein. Von Efra und Nehemia
befonders von den amtlichen Urkunden und den Ich-
ftücken, war auch literargefchichtlich mehr zu fagen; auch
von dem Elephantinefund durfte hier nicht gefchwiegen
werden. Warum ift S. 70 der Abfchnitt Prov. 1—9 n'cnt
gefondert behandelt? Warum ift S. 72 nichts von dem

Theologie von B. Weiß, auf die wir in unferer theologi-
fchen Jugend angewiefen waren, den Vergleich ziehen, fo
ift der Fortfehritt ein erfreulicher und in die Augen
fallender. Dort mühfam, in Kapitel und Paragraphen, in
Einteilungen mit 1, 2, 3, 4 a. b. c. d. eingefchachtelte Lehrbegriffe
und hier eine lebendige Einführung in das Leben
und Fluten der Gedanken und des Geiftes der Urchriften-
heit. Natürlich muß ein jedes folches kurzes Lehrbuch
feine Bedingtheiten und Schranken haben. Es ift gar
OHginVfdeVJefus Sirach mitgeteilt? Ob Pf. 49 ausgeprägt nicht möglich, daß es den gefamten Tatbeftand wiffen-
perfönlichen Unfterblichkeitsglauben ausfpricht (S. 76f-)> j fehaftheher Forfchung auf feinem Gebiete widerfpiegelt,
ift doch fehr zu überleben. I namentlich nicht nach feiner vorwärtsdrängenden Seite

An Druckfehlern verbeffere man: S. 19 Fußnoten ; hin, mit feinen neuen Problemftellungen und den noch
Z. 4 ,noch nicht' für ,noch', S. 38 Rand Z. 4 Jofia' 1 im Fluß befindlichen Fragen. Befonders muß das auf
ftatt ' Jofua' S 68 Mitte ,Chokma = Weisheit' ftatt ! unferem Gebiet der Fall fein, wo augenblicklich durch die
Chokma-Weisheit'. I ^ai"ke Erfchließung der religionsgefchichtlichen Umgebung

' K Budde ^es Neuen Teftaments und durch die energifche Beteiligung
neuer Mitarbeiter, die von außenftehenden Gebieten
her auf das Neue Teftament vorwärts dringen, fo vieles
in Gärung und Fluß geraten ift.

Unter diefen Gefichtspunkten kann man wohl als den

Staerk, Prof. D.Dr. W.: Altjüdilche liturgilche Gebete. Ausgewählt
u. m. Einleitgn. hrsg. (32 S.) 191O. M. I —
— Der Misnatraktat Berakhoth in vokalifiertem Text m-i vollendetften Tdl ^

fprachl. u. fachl. Bemerkgn. (18 S.) I bezeichnen. Es ift das freilich kein Zufall, fondern es

(Kleine Texte für theolog. u. philolog. Vorlefgn. u.
Ubgn. Hrsg. v. H. Lietzmann. 58 u. 59.) Bonn, A.
Marcus u. E. Webers Verl. 1910. M. — 60

Die bekannten Lietzmannfchen .kleinen Texte' haben
durch diefe beiden Hefte eine willkommene Bereicherung
erfahren. Heft 58 bringt 1. die Benediktionen vor und
nach der morgendlichen und der abendlichen Rezitation
des .Schema-(Deut. 6,4—10. 11,13—21. Num. 15,37—41);
2. das .Schemoneh esreh' (Achtzehnergebet) in der palä-
ftinifchen Rezenfion und in der heutigen Geftalt; 3. das
kurze Erfatzgebet (für Sch. e.) .Habinenu' in der palä-
ftinifchen und babylonifchen Textform; 4. die Musaph-
(d. i. fefttäglichen Zufatz-) Gebete; 5. die .Habdalah'
(Fefttagsfchlußfegen und Gebet); 6. alte Sabbathgebete;
7. die Bußlitanei ,Abinu malkenu'; 8. das .Kaddifch' (K.
jathom u. K. derabbanan). Jedem Abfchnitt geht eine
knappe orientierende Einleitung voraus. Ein kurzer kri-
tifcher Apparat fteht unter dem Texte; darunter wiederum
befinden fich lobenswert knappe fachliche Bemerkungen
und gerade fo viel fprachliche Hülfen, daß man
den Text auch mit Gefenius-Buhls WB lefen kann —
ein dankenswertes Verfahren, da nun jeder Theologe fich
ohne viel Mühe in diefe Texte einarbeiten kann. Ebenfo
verfährt St. in Heft 59 bei der Mifchnah Berachoth, wo
natürlich etwas mehr folcher Hülfen nötig find. Statt
Goldfchmidts notorifch ungenauer Wiedergabe des Bom-
bergfehen Talmuddruckes hätte diefer felbft benutzt werden
follen. Bei Bomberg fteht z. B. ftets TB rrnp III 1,
ferner -pTp I i und in Bibelzitaten richtig die maffore-
thifche scriptio defectiva, z. B. 512» II 1; III 1: DrPSlbm
(DjiBibn iBibm ufw.

Leipzig. Erich Bifchoff.

Weinel, H.: Biblüche Theologie des Neuen Teftaments. Die

Religion Jefu und des Urchriftentums. (Grundriß der
Theolog. Wiffenfchaften. 3.Teil,2.Bd.) (XV,6o3S.) gr.8«.
Tübingen, J. C. B. Mohr 1911. M. 10.50; geb. M. 11.50

So hätten wir alfo nun das Lehrbuch der Biblifchen
Theologie des Neuen Teftaments auf modern-kritifcher
Grundlage, das wir als befonders für fie beftimmt und

berechnet den Theologie-Studierenden vertrauensvoll in Gemeinfchaftsbildungen vorübergeht, die einzelne menfehliche Seele vor

AinU~nA--1____ 1 .. __' • A .n____1 • . i die letzten Ziele ftellf „n/1 a„nn Apn ftnrlren nerfnnlieben r..ma;nr.l,.A.

liegt wohl auch zum Teil daran, daß die Arbeit hier
augenblicklich nach ftürmifchem Vorwärtsdringen noch in
letzter Zeit jetzt in ein gewiffes Stadium der Ruhe und
der Überfchaubarkeit getreten ift. So ift es hier dem
Verfaffer leichter geworden, in glänzender Weife zufammen-
zufaffen und zum Abfchluß zu bringen. — Ich hätte nur
Weniges gegen die Darfteilung einzuwenden.

Am meiften Bedenken hege ich noch gegen die etwas künftliche
Einteilung. Weinel überfchreibt den erden Abfchnitt: Jefus und die
äfthetifche Erlöfungsreligion und handelt hier über die Themata: Reich
Gottes, Askefe, Sakrament, Myftik. Ich muß geliehen, daß ich erft bei
Weinel habe nachblättern müden, um zu erfahren, was er denn eigentlich
unter dem weitfehichtigen Begrid .äfthetifche Erlöfungsreligion' verliehe.
Dann folgt ein 2. Abfchnitt: Vollendung der fittlicheu Religion, endlich
ein 3.: die fittliche Erlöfungsreligion. So gerät der Gottesglaube hinter
die Darfteilung der fittlichen Forderung des Evangeliums, und überhaupt
erfcheint das Ganze der Einteilung mir reichlich gekünftelt und zerreißt
Zufammengehöriges. Ganz aber ftimme ich Weinel darin zu, daß er die
Probleme des Selbftbewußtfeins Jefu ganz an den Schluß der Darfteilung
gerückt hat; denn wenn wir auch annehmen dürfen, daß für Jefus fein
.Selbftbewußtfein' das Grunddatum für feine gefamte Verkündigung ge-
wefen fein möchte, von dem aus für ihn diefe fich gliederte und be-
ftimmte, fo muffen wir den umgekehrten Weg gehen. Denn für uns ift
das einigermaßen Sichere und Gegebene das Evangelium Jefu, von
dem aus wir nur mühfam und unficher den Weg zum .Selbftbewußtfein'
zurückfinden.

Ich merke noch einige Einzelheiten an. Faft ganz und gar ftimme
ich der Behandlung des Reich-Gottes Gedankens bei W. zu. Daß die
gefamte Reich-Gottes-Predigt bei Jefus imEschatologifchen, Supranaturalen,
zeitlich Bedingten liegt, daß andererfeits die Gemeinde an dem Reich-
Gottes-Gedanken in zwei Richtungen weiter gearbeitet hat, indem fie aus
dem Reich Gottes ein Reich Chrifti machte und aus dem zukünftigen
Reich das gegenwärtige der chriftlichen Gemeinde (Kirche), ift unbedingt
richtig. Die Originalität der Verkündigung Jefu vom Gottesreich findet
W. in ihrer Schlichtheit und in dem Fehlen jeder apokalyptifchen
Rechnerei. Hier fehlt m. E. etwas, was in diefem Zufammenhang notwendig
hätte erwähnt werden müffen, nämlich der Hinweis auf die verhältnismäßige
Freiheit der Reichsverkündigung Jefu von allen nationalen
Elementen und auf ihre religiöfe und fittliche Reinheit. Diefe Ausführungen
find natürlich bei W. vorhanden, aber, eben durch die künftliche
Dispofition verzettelt, finden fie fich erft § 16 in dem Abfchnitt: Inhalt
der fitthehen Forderung. — Sehr gut find die Ausführungen W.'s über
die Askefe Jefu abgewogen, obwohl ich zu den Sätzen S. 58 ff über die
Stellung Jefu und feiner Jünger zur Armut mein Fragezeichen machen
möchte. Aufgefallen ift mir, daß W. in feiuer Darftellnng der asketifchen
Stimmung des Evangeliums fo ganz in der Defenfive bleibt. Ich ver-
miffe eine ftarke und kräftige Hervorhebung der ungeheueren Bedeutung
diefes religiöfen, herben und einfeitigen Indivi-
dalismus, der an allen Gütern des Lebens, auch den meifteu fittlichen

die Hand creben können Hnlrvmanns in 2 Auflage hinter- ! dVv*ten ziele ftRlIt und doch den ftarkea Perf°nlichen Gemeinfchafts

laffene« vweikL^ aa n ? -a aOH T l u V, SedaQke° behält. Hier würde m. E. der Zentralpunkt für eine pofitive

lallenes zweibändiges Metfterwerk ift diefes Lehrbuch 1 DarftelW der Ethik Jefu gegeben, die mir bei w. zu fehr in EiL-

nicnt, dazu llt es zu fchwerflüffig und ZU itark mit Stoff heiten zerfällt. Fall gar nicht übereinftimmen kann ich mit W. in deffen

Überladen, es ift ein Vollkommenes Repertoir biblifch- Ausführungen über das Sakrament des Abendmahls. Hier werden denn

theologifchen Wiffens verp-nnp-ener Jahrzehnte geworden ?°.ch die Refultate ein wenig allzu ftUrmifch gewonnen. Ich kann mich

aKf>r l-oin Rn/-b f.;„ Cz j s^'s1-"':1 J . b ' keineswegs durch W.'s Darlegungen davon überzeugen laffeu daß wir

^^^T^^^^^J^ T K erf61"2 im Ma'k-TR*t den zuverläffigen Abendmahlsberichtgfo einth itflßln

ZWllCHen dem vorliegenden Lehrbuch und der biblifchen Und wenn W. meint, daß die bisher übliche fymbolifche Ausdeutung

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