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Ausgabe:

1912

Spalte:

300

Autor/Hrsg.:

Thieling, Walter

Titel/Untertitel:

Der Hellenismus in Kleinafrika. Der griechische Kultureinfluß in den römischen Provinzen Nordwestafrikas 1912

Rezensent:

Wendland, Paul

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299

300

folgendermaßen: i. Die Urapokalypfe. Ihr Umfang ift
ungefähr derfelbe geblieben wie bei den früheren Arbeiten
V.s, fie findet ihren Höhepunkt in der Ge-
richtsfzene 14, 14—20; doch weift jetzt der Verf. entgegen
feinen früheren Behauptungen das ganze Kap. 18
der folgenden Überarbeitung aus dem Jahre 68 zu und
läßt deshalb auch die Verfe 19, 1 —IO jetzt hinter 14,
14 — 20 flehen, ohne wie früher umzuftellen. Der Verf.
weiß noch immer, daß diefe Apokalypfe aus dem Jahre 65
flammt und von Joh. Markus gefchrieben ift. 2. Der von
dem Verf. felbft gefchriebene Nachtrag aus dem Jahre 68
die Kap. 10, 17, 18 und 11, I —13 umfaffend. In der
erften Auflage waren diefe Kapitel dem Werk des Kerinth
einverleibt, jetzt erfcheinen fie wieder davon getrennt.
3. Die Apokalypfe Kerinths, ein Fündlein, an dem Verf.
fall feit Anbeginn feiner apokalyptifchen Forfchung
mit einer gewiffen Zähigkeit feilgehalten hat. Sie beginnt
mit Kap. 12; bemerkenswerter Weife ift der Verf.
jetzt geneigt, auch das ganze Kap. 13 diefer Quelle zuzuweisen
(früher Zutat des Redaktors). So finden wir
denn hier auch eine neue Deutung der Zahl des Tieres 666
auf Titus Flavius Vespasianus Auguftus in hebräifcher
Trans-lkription. Die Rechnung ftimmt im Großen und
Ganzen in merkwürdiger Weife, nur ift die Trans-
fkription von Flavius kaum haltbar (mit 2 ftatt 5 als
erftem Buchftaben), und damit fällt das Ganze eigentlich
wieder zufammen. Ich erinnere daran, daß Verf. bei
feinen erften Verfuchen die Zahl auf Trajanus Hadrianus j
gedeutet hat, dann kam einmal Trajan daran, der nun
abwechfelungsweife im Anfangsbuchstaben ein hebräifches i
n ftatt eines e bekam. Jetzt ift es Vefpafian geworden,
wir find begierig, ob es dem Scharffmn des Verf. gelingt
, uns noch mit weiteren Überrafchungen zu erfreuen.
Die Deutung auf Vefpafian gibt nun dem Verf. die Möglichheit
, auch das Kap. 13 in das Werk des Kerinth einzureihen
und — allerdings unter gänzlicher Verkennung der
wirklichen Bedeutung des Kap. — auf die politifche Vernichtung
Jerufalems durch Rom zu beziehen. Weiter gehören
der Kerinthapokalypfe die zufammenhängenden
Stücke, die mit Kap. 15 beginnen, unter Ausnahme von
Kap. 17 und 18, wie in der erften Auflage, nur daß das
große Stück vom himmlifchen Jerufalem 21,9—22,5 nicht
mehr dem Kerinth, fondern mit fall dem gefamten folgenden
Schluß demRedaktorzugewiefen wird. 4. Der Redaktor,jetzt
nicht mehr aus der Zeit Trajans, fondern aus der früheren
Zeit Domitians. Ihm gehören außer dem eben genannten
Stück und einigen kurzen Zufätzen, die aus einzelnen
Worten beliehen, nur noch die Verfe 5,11 —14; 7,9b—17;
16, 19b; 17,1; 19, 2b 3, dazu aus der Einleitung 1, 7—8.
5. Der fogenannte Einleiter, früher in die Zeit Hadrians
verfetzt, jetzt in die fpätere Zeit Domitians. Ihm weift
Verf. außer einigen Verfen, namentlich im letzten Kap.
des Buches, den wichtigften und intereffanteften Teil des
Buches zu, nämlich die einleitenden Briefe 1,9—3, 22.

Die ganzen kritifchen Ausführungen find durchfetzt
von Erläuterungen fachlicher, namentlich religionsge-
fchichtlicher Art; in diefen Partien zeigt der Verf. daß
er von Gunkels religionsgefchichtlichen Forfchungen gelernt
hat. Er felbft ift am meiften geneigt, den Spuren
perfifchen Einfluffes in dem Buche nachzugehen, und
findet z. B. auch in Kap. 12 (Kampf des Drachen mit
dem himmlifchen Weibe) wefentlich eranifchen Einfluß.

Eine Beurteilung der neuen kritifchen Anfätze V.s
erübrigt fich wohl. Was V. an glücklichen Beobachtungen
zur Löfung des apokalyptifchen Problems beigetragen
hat, habe ich in meinem Kommentar hervorgehoben.
Hinzugekommen ift kaum etwas neues, wirklich brauchbares
(vielleicht könnte hier noch die Beobachtung erwähnt
werden, daß griechifches trrjQiov in hebräifcher Transfkrip-
tion die Zahl 666 ergebe).

Göttingen. Bouffet.

Thieling, Dr. Walter: Der Hellenismus in Kleinafrika. Der

griechifche Kultureinfluß in den römifchen Provinzen
Nordweftafrikas. (XII, 216 S. m. 1 Karte.) gr. 8°.
Leipzig, B. G. Teubner 1911. M. 8—; geb. M. 9 —

Nach einem geographifchen und gefchichtlichen Überblick
fchildert der Verf. die kulturellen Schickfale Kleinafrikas
(d. h. des vom atlantifchen Ozean, vom Mittelmeer
bis zu den Syrten, von der Sahara begrenzten
Gebietes), deffen Zivilifierung und Romanifierung die
römifche Regierung fich feit Cäfar zur Aufgabe macht
(II, III). Die Leiftungen der Reichsverwaltung für die
Landeskultur find fehr fegensreich gewefen, und die eingeborenen
Libyer und Berber haben der Romanifierung
keinen Widerftand entgegengefetzt, fondern gegenüber
den neuen Herren wie den alten ihre Anpaffungsfähig-
keit gezeigt. Die lateinifche Sprache drängt die libyfch-
arabifche Volksfprache wie das Punifche zurück. Nebenher
gehen Einflüffe des Hellenismus, die fchon in punifcher
Zeit begonnen hatten, feit dem Philhellenen Masinissa
fich in Numidien verftärkt hatten und durch die römifche
Eroberung nicht geftört wurden. Lateinifche und griechifche
Sprache, oft in feltfamer Mifchung, find in den
Infchriften vertreten. Beide Sprachen wurden in den
Stadtfchulen gelehrt. Afrika hat eine große Zahl zwei-
fprachiger Schriftfteller (Tertullianl), bis feit der Mitte
des 3. Jahrhunderts wie im Welten überhaupt die Kenntnis
des Griechifchen zurückgeht. Die Verbreitung des Chriften-
tums, das an eine fchon vorhandene jüdifche Diaspora
fich anlehnen konnte, hat neue griechifche Kulturelemente
vermittelt.

Die folgenden Kapitel führen das Bild in den einzelnen
Zügen aus. Kapitel IV behandelt die Verbreitung der
griechifchen Sprache. Die griechifchen Weih- und Grab-
fchriften werden vollftändig mitgeteilt. Uber die auffallend
zahlreichen Verfluchungstafeln (gegen Gegner im
Prozeffe, Nebenbuhler in der Liebe, Zirkuskonkurrenten)
wird eine Überficht gegeben, ebenfo über die Amulett-
infchriften und über die chriftlich-byzantinifchen. Kapitel V
behandelt den griechifchen Wortfehatz lateinifcher Infchriften
; manche diefer Fremdwörter find nur in Afrika
belegt (S. 63 Synopsis Titel eines Tempelinventars). Ein
Verzeichnis der Fremdwörter wird beigegeben (S. 75 fr.
die der Kirchenfprache). Kapitel VI (Die griechifchen
Eigennamen) bietet mancherlei fprach- und kulturgeschichtliches
Intereffe. In der Behandlung der Literatur (VII)
wird die Bedeutung Afrikas als Urfprungsland der la-
teinifch christlichen Literatur und Heimat ihrer bedeutendsten
Vertreter gewürdigt. Kapitel VIII behandelt
die Kunft (auch hier ift der Einfluß des Hellenismus am
ftärkflen unter Juba II), IX gibt einen zufammenfaffenden
Rückblick.

Ich berühre einige Einzelheiten. S. 34 nennt fich eine Frau nepl-
rprj/xa xfjt; xaXiji; rpvxijq ihres verdorbenen Mannes, eine wichtige Parallele
zu I Kor. 4,13. S. 35 Nr. 23 und 55 Illb fcheint die Identität
der Infchrift verkannt zu fein. — In dem literarhidorifchen Abfchnitt wäre
einiges zu berichtigen und zu ergänzen. Apuleius Mutterfprache war
nicht das Griechifche (S. j.58), f. Helms Ausgabe II2 S. XII. S. 159
(Quelle der Metamorphofen des Apuleius) id dahin zu berichtigen, daß
Lucius von Paträ Quelle des Lucian und des Apuleius id; f. auch mein
Programm De fabellis, Gött. 1911. Die Florida des Ap. find jetzt vorzüglich
erläutert von A. Stock, De prolaliarum usu, Diff. Königsberg 1911.
S. 162 find die neueren Forfchungen über Arnobius'Verhältnis zu Labeo
nicht berückfichtigt. Für Tertullian und Minucius Felix id jetzt Heinze,
Berichte der fächf. Gef. der Wiff. LXII zu vergleichen; er hat Tertullians
Priorität endgültig fedgedellt. Über die Bibelüberfetzungen war etwas
mehr zu fagen, S. 169 id mißverdändlich, da die Anflehten darüber,
was unter Itala zu verdehen id, auseinandergehen.

Wenn der Verf. in manchen Teilen auch nur zu-
fammenfaßt, während , er in anderen eigene Forfchung
gibt, fo ift doch die Überficht fehr lehrreich und zeigt,
wie fehr ähnliche Unterfuchungen über den Hellenismus
auch für andere Länder zu wünfehen find.

Göttingen. Paul Wendland.