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Ausgabe:

1912 Nr. 10

Spalte:

295-297

Autor/Hrsg.:

Heitmüller, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Taufe und Abendmahl im Urchristentum 1912

Rezensent:

Goetz, Karl Gerold

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 10.

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dung von ergänzenden Einfchüben, den Text in fließender
und dabei dem Original auch fyntaktifch fleh anfehmiegen-
der Sprache zu verdeutfehen. Eine fehr nützliche Zugabe
ift der Anhang (S. 36—48: ,Die Paffafeier in neuerer Zeit
mit befonderer Berückflchtigung der Haggada'), aus dem
ein gutes Bild des Pefachabend-Rituales gewonnen werden
kann, als Ergänzung zum letzten Kapitel der Traktate
Pefachim. Strack hat mit feiner Arbeit wieder ein vortreffliches
Hilfsmittel zur Einführung in das Studium der
jüdifchen Traditionsliteratur gefchaffen.

Budapeft. W. Bacher.

Heitmüller, Prof. Dr. W.: Taufe und Abendmahl im Ur-
chriftentum. 1.—5. Tauf. (Religionsgefchichtliche Volksbücher
f.d.deutfehe chriftl.Gegenwart. I.Reihe. 22. u. 23.
Heft.) (II, 84 S.) 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1911.

M. i —; geb. M. 1.30

Heitmüller gibt zuerft in umfichtiger Weise kriti-
fchen Bericht über die Entftehung der chriftlichen Taufe.
Als den eigentlichen Ausgangspunkt derfelben betrachtet
er die Johannestaufe, die Jefus felbft empfangen. Im An-
fchluß an fle ift in der Jefusgemeinde das Taufen im
Namen Jefu aufgekommen. Die Taufe beftand im Tauchbad
und, als Befonderheit, in der Nennung des Namens
Jefu Chrifti, fpäter des dreifachen Namens. Uber diefe
Namensnennung, bereits an fleh eine Art Sakrament oder
Machtmittel, verbreitet fleh H. in der von früher bekannten
grundlegenden Art. Der Name ftempelte den
Täufling zum Eigentum Jefu und ftellte ihn unter feinen
Schutz. Im übrigen bedeutete die Handlung Aufnahme
in die meffianifche Gemeinde der Jefusgläubigen, Teilnahme
am Reiche Gottes, Vergebung der Sünden. Soweit
wüßte ich die Darfteilung nur zu loben. Bei der
Unterfuchung des Unterfchiedes zwifchen der Taufe der
Urgemeinde und der Taufe bei Paulus hat H. meines
Erachtens die evangelifche Erzählung von der Taufe Jefu
nicht genügend als ,ätiologifchen' Kultbericht benützt,
während er diefes religionsgefchichtliche Hilfsmittel nachher
beim Abendmahl virtuos handhabt. Andernfalls hätte
er erkennen müffen, daß fchon über der Taufe der Urgemeinde
nicht viel weniger Myfterienftimmung liegt als
über der Taufe bei Paulus. Man denke an die Taube
im fynoptifchen Bericht und vergleiche etwa Thomasakten
c. 50. Die fynoptifche Tauferzählung, als Kultlegende
gewürdigt, macht ferner unwahrfcheinlich, daß,
wie H. will, der Glaube, die Taufe vermittle den Geift
Gottes, der Urgemeinde noch fremd und eine paulinifche
Neuerung ift. Zwar ift dies wegen Mk. 1, 8 Parallelen

fchon kaum denkbar und der Angaben Apg. 2, 38ff. j Tötung des Leibes gedeutet. Ob auch im andern? Nach H.

des Geiftes Jefu. Ebenfo urteilt er allgemein ficher
richtig (S. 38): .Verchriftlicht wurde die Taufe durch die
Aufgabe und die Kraft, welche die Chriftgläubigen ihr
zuwiefen und zufchrieben: den Täufling zum Eigentum
Jefu zu machen', ,ihm die Güter zu vermitteln', ,und die
Pflichten aufzuerlegen' der Gemeinde. ,Chriftlich' ift fle,
je nach dem Maße, als der Geift Jefu fle durchdringt'.

An Heitmüllers Darfteilung vom Abendmahl, die fleh
vielfach mit feinem Abendmahlsartikel in Schieies Handwörterbuch
deckt, ift zu loben vor allem die Grunderkenntnis
, daß die neuteftamentlichen Schriftfteller mehr
die eigene Anfchauung und Praxis des Abendmahls oder
die ihrer Umgebung wiedergeben als den urfprünglichen
Vorgang. Für wohl begründet halte ich ferner, wenn H.
die Verbindung mit Pafcha und Bund nicht für urfprüng-
lich hält. Nur vermißt man hier eine Äußerung über die
jüngft erneute Auffaffung vom A. als Teftament. Mit H.
glaube ich, daß Jefus die Heilsbedeutung feines Todes
nicht beim A. vorausgefagt hat, weiter, daß der kürzeren
Brotformel vonMtMk der Vorzug gebührt vor der längeren
paulinifch-lukanifchen, desgleichen der knappen Juftinfchen
Kelchformel ,das ift mein Blut'. Entgegen H. fcheint mir
unwahrfcheinlich, daß der kürzere Lukasbericht des Kodex
D und feiner Trabanten einer felbftändigen, zuver-
läfflgen paläftinifchen Quelle entfpringt. Mit A. Merx und
J. Reville erkenne ich in ihm den Verflach einer, bei
unferem Mt. und Mk. durchgeführten, nachträglichen An-
paffung der urfprünglichen Uberlieferung an die A.-reform
des 2. Jahrhunderts, welche nur noch eine Kelchhandlnng
verlangte, ftatt der noch in der Didache wie in 1. Kor. 10
und 11 bezeugten doppelten des urfprünglichen Herrn-
mahles. H. möchte aus dem kürzern Lukastext ein ur-
fprüngliches A. ohne Kelchhandlung oder doch ohne die
Worte vom Blut erfchließen; denn er hält es auch fonft
für möglich, daß Kelchhandlung und -worte eigentlich
gefehlt haben. Er beruft fleh darauf, daß Apg. 2, 42. 46;
20, 7. 11 nur von Brotbrechen die Rede fei, ferner auf
das Fehlen des Kelches bei den wunderbaren Speifungen
und auf die vereinzelte Euchariltiefeier mit Waffer. Aber
auch Didache XIV, 1 wird nur von Brotbrechen geredet
und doch jedenfalls eine Kelchhandlung vorausgefetzt. Bei
den Speifungen hinwieder ift nach den Darftellungen der
Katakomben der Fifch Symbol des Abendmahlstranks.
Und vollends ift die vereinzelte Feier mit Waffer viel
mehr ein Beweis für als gegen die Kelchhandlung. Der
grundlegende Gedanke beim A. ift nach H., daß mit dem
gemeinfamen Effen die engfte Gemeinfchaft und Verbrüderung
gegeben ift. Auf den Tod ift bei der Brothandlung
nicht hingewiefen. Im letzteren hat H. ficher Recht.
Erft das Mittelalter hat das Brechen des Brotes auf die

Den Berichten Apg. 8, 5ff.; 10, 44ff; 19, iff. mißtraut H. ] meint Jefus mit dem Ausfpruch ,das ift mein Leib' feine

mit Recht. Aber mit Unrecht tut er dies auch bei dem
Bericht von Apg. 2; da er nachher (S. 52) Apg. 2 für
das Abendmahl der Urgemeinde vertraut, fogar mehr
als Markus und Paulus. Inkonfequent denkt er auch nicht
daran, wie nachher den kürzeren lukanifchen Abendmahlsbericht
von Kodex D, fo den Taufbericht von D
als paläftinenfifche Sonderquelle auszunutzen. Freilich
hätte er dann die Vorftellung von der Neugeburt bei der
Taufe Jefu faft für eine Vorftellung der Urgemeinde bei
der Taufe überhaupt halten müffen. In der Neugeburt-
vorftellung findet er aber grade einen Hauptanklang der
paulinifchen Taufauffaffung an die antiken Myfterien. Er

Perfönlichkeit und bezeichnet fle als die Speife, welche Verbrüderung
bewirkt. Diefer Sinn, findet H., fei klar. Ich
fürchte, nicht ohne weiteres. Klar ift ja zwar, daß nach
altfemitifcher, zur Zeit Jefu jedermann geläufiger Anficht
die gemeinfame Speife fakramentale Gemeinfchaft der
Effenden untereinander fchafft. Allein daran erinnert Jefus
mit keinem Wort, wenn er mit ,Leib' bloß feine Perfönlichkeit
meint. Angenommen aber, er habe die fakramentale
Bedeutung der Handlung, wegen der auffallenden
Speifung aller Jünger mit Brot, zu betonen nicht nötig
gehabt, fo würde er alfo nach H. einmal ohne weiteres
die fakramentale Bedeutung der Handlung vorausfetzen

hält eine unbewußte Beeinfluffung durch die helleniftifche j und dann diefer in ausgedrückten Worten eine fymbo-
Myftik hier für wahrfcheinlich. Ich würde lieber fagen: I lifche Deutung beifügen, nämlich die, daß feine Perfönlich

durch gemein-orientalifche Religion. Man darf mit Anrieh
und Edersheim, trotz A. Dieterich (Mithrasliturgie S. 161)
nicht außer acht laffen, daß auch die Rabbinen an die
Profelytentaufe Vorftellungen von Neugeburt knüpften.

keit für die Jünger den Wert fakramentaler Speife habe,
Gemeinfchaft zwifchen ihm und ihnen fchaffe. Der Handlung
wäre zu dem erften fakramentalen Sinn noch ein
zweiter fymbolifcher gegeben. Sie wäre doppelfinnig.

Zutreffend erklärt wohl H. die gegenüber den zauberhaften J Das ift mir für Jefus nicht einfach genug. Auch Well-
Myfteriengedanken ftark hervortretende Verfittlichung der j häufen bemerkt zu folcher Deutung, daß die Worte Jefu
Vorftellung von der Neufchöpfung bei Paulus als Sieg ! dabei dunkel und rätfelhaft blieben. Nun gibt aber auch