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Ausgabe:

1912 Nr. 9

Spalte:

271-272

Autor/Hrsg.:

Stoeckius, Hermann

Titel/Untertitel:

Forschungen zur Lebensordnung der Gesellschaft Jesu im 16. Jahrhundert. 2. Stück: Das gesellschaftliche Leben im Ordenshause 1912

Rezensent:

Bruckner, Albert

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271

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 9.

272

generale Raymund von Capua 1386—99 und Leonardus
de Mansuetis 1474—80 mit der oberdeutfchen Provinz
des Dominikanerordens Teutonia. Sämtliche Briefe, Erlaffe'
Verordnungen, die die Gefamtleitung der Provinz betreffen
oder nur einen einzelnen Konvent angehen oder auch nur
an Einzelperfonen der Provinz gerichtet find, hatte der jeweilige
Vertreter des Ordensgenerals in einem kurzenRegeft
zu regiltrieren. Diefe Regelten find uns in den Hand-
fchriften IV, 1, 3,4 des Ordensarchivs in Rom erhalten und
aus diefen gibt fie jetzt Reichert, nachdem er fie bereits
in feiner Arbeit ,Zur Gefchichte der deutfchen Dominikaner
am Ausgange des 14. Jahrhunderts' (Rom. Quartal-
fchrift 1900 S. 79fr. und 1901 S. I24ff.) benutzt hatte, heraus.
Diefe beiden nur teilweife erhaltenen Regeftenbände bilden,
wie Reichert mit Recht in der Vorrede bemerkt, einen
der wertvollften Beftandteile des Ordensarchivs in Rom.
Taufende von Ordensmitgliedern aus allen Provinzen find
in den Regeftenbänden nicht nur dem Namen nach erhalten
, oft enthält ein kleines Regeft den Geburtsort des
Adreflaten, nicht feiten berührt es deffen Familienverhält-
niffeund Freundeskreis; das Arbeiten, Wünfchen und Streben
gar mancher fonft völlig unbekannt Gebliebener offenbart
fich in den Regelten. Auch für die Ordensgefchichte bieten
die Regelten das wichtiglte Quellenmaterial, fie berichten
über die Verfetzung der Lektoren und über hunderte
junger deutfcher Dominikaner, die im Mittelalter über die
Alpen zogen, um an den wiffenfchaftlichen Zentren Italiens
oder in einem Klolter, wo ein hervorragender Ordensmann
lehrte, zu ftudieren. Auch für das innere Klolterleben
ilt uns in diefen Regelten mancher intime Zug erhalten,
da jedem Angehörigen des Ordens, den patres, den Priefter-
mönchen, wie den fratres, den Laienbrüdern, der Weg zum
Generalobern freiltand. Wir erfahren auch über die Ordensreform
des Generals Raymund von Capua bisher unbekannte
Details. Die Publikation ilt multerhaft und befonders
wertvoll durch die beigegebenen Anmerkungen in denen
Reichert Perfonen und Ortsnamen erklärt, Schreibfehler
korrigiert und alles, was wir aus andern Quellen über die
einzelnen Ordensbrüder oder Ordenskonvente wiffen,
beibringt.

Heidelberg. G. Grützmacher.

Stoeckius, Dr. phil. Hermann: Forfchungen zur Lebensordnung
der Gefellfchaft Jefu im 16. Jahrh. 2. Stück: Das
gefellfchaftl. Leben im Ordenshaufe. (X, 198 S.) Lex.- 8°.
München, C. H. Beck 1911. M. 5—

Der Verfafler der vorliegenden ,Forfchungen zur
Lebensordnung der Gefellfchaft Jefu im 16. Jahrhundert'
hat fich mit anerkennenswertem Fleiße in die umfangreichen
Quellenwerke eingearbeitet, die in den letzten
20 Jahren namentlich von jefuitifchen Gelehrten zur Gefchichte
des Jefuitenordens in feinen Anfängen find veröffentlicht
worden. Er hat diefelben mit dem Blick auf
das für die Lebensordnung innerhalb der einzelnen Jefui-
tenniederlaffungen Charakteriftifche exzerpiert. An Hand
feiner Exzerpte, denen er auch manches intereffante Quellen-
ftück in extenso beifügt, fchildert er uns nun in überficht-
licher und recht anfchaulicher Weife das Leben und Treiben
innerhalb der erften Jefuitenkonvikte und -Klöfter und
gibt uns zugleich einen Einblick in die heftigen Kämpfe,
die diefelben in ihrer Werdezeit zu beftehen hatten. Seine
Darftellung macht auf Schritt und Tritt den Eindruck
gründlicher Sachkenntnis, und die Belegftellen find mit
großer Sorgfalt für das Bezeichnende und Wefentliche
ausgewählt. So enthalten diefe Studien nicht nur eine
fachkundige und im Ganzen recht angenehm lesbare Antwort
auf manche intereffante, das innere Leben des Ordens
betreffende Frage und damit eine dankbare Ergänzung
und Illuftration zu mancher neueren Gefchichte
desfelben; fondern fie können auch als Wegleitung und
erfte Orientierung in dem weitfchichtigen Quellenmaterial

erhebliche Dienfte leiften. Das Refultat des erften Heftes
faßt Stoeckius in die Worte zufammen: ,Die Gefellfchaft
Jefu tritt mit der Welt nur in Berührung, um auf fie
miffionierend zu wirken, oder anders gewendet: die Gefellfchaft
Jefu will nicht verkehren mit der Welt, fie will
diefelbe bekehren' (S. 47). — Man wird das wie auch die
meiften Refultate des zweiten Bandes, die aber mehr nur
intereffante Details betreffen, anerkennen müffen, und
doch wird man von dem Buche in hohem Grade unbefriedigt
gelaffen, weil der Verfaffer fich durch die vorzügliche
Organifation und die ftreng militärifche Disziplin
des Ordens fo mächtig imponieren läßt, daß er nicht
nur auf jede Kritik der dargeftellten Einrichtungen verzichtet
, fondern diefelben fogar rechtfertigt, ja oft als
vorzüglich rühmt, was bei einem vorurteilsfreien Forfcher
zum Minderten befremdet. Schon daß Stoeckius alle Angaben
Duhr's und Pachtler's ungeprüft hinnimmt, ift nach
den zahlreichen Berichtigungen, die diefelben namentlich
von Hoensbroech erfahren haben, zum minderten verwunderlich
; aber viel auffallender und befremdender ift
doch, daß er alles Jefuitifche unbefehen als gut und anerkennenswert
hinnimmt und des öfteren fogar feine helle
Bewunderung über Dinge ausfpricht, die anderen als jefuitifchen
Autoren in einem völlig anderen Lichte zu erfcheinen
pflegen. So lefen wir z.B.Band 2, S.69 den merkwürdigen
Satz: ,Den gefammten Unterhaltungsftoff aber fyftema-
tifch geordnet zu haben, diefes große Verdienft gebührt
dem P. Hieronymus Nadal'. Das Syftem des Mißtrauens
und der geheimen Aufpafferei, durch das der Orden feine
Angehörigen fich untertänig erhält, überhaupt die ganze,
jede individuelle Entwicklung vernichtende ,Erziehung'
und Kontrolle des Ordens find Stoeckius genau bekannt,
aber er findet alles gut, zweckentfprechend und lobenswert
. Der Gedanke, daß die Ordensleitung vorfichtig
ihre Angehörigen vor dem böfen ungeiftlichen Einfluß
der ,Frau Welt' bewahren mußte und fie auch tatfächlich
bewahrt hat, ift ihm fo fehr in Fleifch und Blut übergegangen
, das er offen oder ftillfchweigend alles billigt,
was mit demfelben in Zufammenhang fteht. Zu der Ver-
pönung jeder perfönlichen Freundfchaft unter den Mitgliedern
des Ordens macht Stoeckius den eigentlich nur
von dem Boden der jefuitifchen Beichtftuhlmoral aus ver-
ftändlichen Zufatz: ,Die rechte Ordensliebe fchloß jede
Intimität aus: fie war ja fchon an fich infolge des Gelübdes
der Keufchheit verboten' (S. 103). Ja in dem
Satze: Und man wird die Empfindung nicht los, daß
fich die Lebensordnung der Ordensangehörigen nicht in
der Weife entwickelte, wie es der Wunfeh und Wille der
Jefuiten war, liegt wenigftens für mein Empfinden fogar
etwas wie ein Bedauern darüber, daß der Kölner Stadtrat
in der erften Zeit den Jefuiten allerhand Schwierigkeiten
in den Weg legte (S. 191). Aus all diefen Gründen
ift es wohl verftändlich, daß namentlich die katholifchen
Zeitfchriften diefe Studien ungemein gelobt und rühmend
anerkannt haben. Denn ihnen kann ja in der Tat Nichts
lieber fein, als wenn ihr konfequentefter Vertreter, der
Jefuitenorden, in einem proteftantifchen Gelehrten einen
entfehiedenen Verteidiger und Lobredner findet.

Efperanza de Santa Fe. Alb. Bruckner.

Kol de, Thdr.: Die Univerlität Erlangen unter dem Haute
Wittelsbach 1810—1910. Feftfchrift zur Jahrhundertfeier
der Verbindg. der Friderico-Alexandrina m. der Krone
Bayern, im Auftrage des akadem. Senats verf. (VII, 587 S.
m. Titelbild u. 2 färb. Plänen.) gr. 8°. Leipzig, A. Dei-
chert Nachf. 1910. M. 10 —

Für die Jahrhundertfeier der Verbindung der Erlanger
Hochfchule mit der Krone Bayern hat Theodor Kolde
die Feftfchrift geboten in einer eingehenden Gefchichte
diefes Zeitraums. Von den Vorbereitungen des Gießener
Univerfitätsjubiläums 1907 her ift mir noch gut erinnerlich,