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Ausgabe:

1912 Nr. 9

Spalte:

267-268

Autor/Hrsg.:

Michel, Charles

Titel/Untertitel:

Évangiles apocryphes. I. - Histoire de Joseph le Charpentier 1912

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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267

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 9.

268

Unterfcheidung von M M2 und M3 als den drei Redaktoren
, die bei der Abfaffung des Ev.s tätig gewefen, wird
abgelehnt, nur der Gedanke vertreten, daß 6, 45—8, 26
fowie Kap. 13 im urfpr. Ev. noch nicht geftanden, und daß
Luc. den Marc, noch ohne den erfteren Einfchub gekannt
hat. Nach Wendling hat übrigens Luc. den Marc,
nur in der jetzt vorliegenden Form, und nicht in der Ge-
ftalt M1 + M2 gekannt, was William S. 396 irrtümlicherweife
als Wendlings Anficht darftellt.

In einem Anhang behandelt dann noch Streeter in
geiftvoller Weife ,Synoptifche Kritik und das escha-
tologifche Problem' S. 423—436. In Q fpiele das
eschatologifche Moment der Lehre Jefu eine geringere
Rolle als in Marc, und vollends in Matth. St. fchließt
hieraus, zugleich mit Berufung auf die Verfuchungs-
gefchichte, das Gefpräch mit den Zebedaiden und das
mit den Sadduzäern, daß der hiftorifche Jefus den
j üdifch-apokalyptifchen Ideen gegenüber eine fehr weitgehende
Zurückhaltung bewiefen habe. Leider fehlt hier
eine gründliche Unterfuchung von Marc. 13.

Auf manche intereffante Einzelheiten der anregenden
Abhandlungen kann ich hier leider nicht eingehn.
Aus dem Ganzen erfieht man, daß jetzt in der fynop-
tifchen Kritik jenfeits des Kanals vor allem die Logien-
frage die Geifter befchäftigt. Ohne fehr gründliche Detail-
unterfuchungen, an denen der vorliegende Band ziemlich
arm ift, wird man hier allerdings wohl nicht recht weiter
kommen. Darf ich noch ein Defiderium an die englifchen
Herren Mitforfcher ausfprechen, fo ift es das, der Urmar-
kusfrage eine erhöhte Aufmerfamkeit zuwenden zu wollen.

Königsberg i. Pr. R. A. Ho ff mann.

Schnedermann, Prof. D. Dr. Geo.: Wie der lfraelit Jefus der

Weltheiland wurde. Nach den bibl. Quellen gefchichtlich
dargeftellt. (47 S.) 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1911.

M. — 80

Die Wahrheit, die Sch. erkannt hat, ift die jüdifche,
genauer ,ifraelitifche' Beftimmtheit Jefu. Wenn er nur diefe
Thefe mit Hilfe gründlicher rabbinifcher Nachweife be-
weifen würde! Die vorliegende populäre Schrift erbringt
diefen Nachweis in der Hauptfache aus dem N. T. felber.
Immer wieder wird Sch.'s Blick auf die konkrete, ge-
fchichtliche Geftalt des Wirkens und Denkens Jefu feft-
gebannt, und dadurch wird Sch. gehindert, das Neue an
Jefus kräftig zur Geltung zu bringen: die Kraft der Unmittelbarkeit
, Innerlichkeit und des Univerfalismus Jefu.
Daß das Zurücktreten der Apokalyptik, die Übertragung
des Logosgedankens auf Jefus, die Steigerung alles deffen,
was die damalige Zeit an ihm als Wunder auffaßte, die
Übertragung der in der antiken Welt verbreiteten Auf-
erftehungs- und Himmelfahrtsgedanken auf Jefu Leben
auch das Ihrige dazu beigetragen haben, Jefus zum
Weltheiland zu machen: dies hervorzuheben ift Sch. dadurch
verhindert, daß er das N. T. durchweg in nahezu
bibliziftifcher Manier als normativ und zuverläffige Ge-
fchichtsquelle anfleht.

Gotha. Fiebig.

Michel, Prof. Charles: tvangiles apocryphes. I. Protevangile
de Jacques, Pseudo-Matthieu, Evangile de Thomas.
Textes annotes et traduits. — Histoire de Joseph le
Charpentier. Redactions copte et arabe traduites et
annotees par P. Peeters, Boll. (Textes et Documents
pour letude historique du Christianisme.) (III, XL, 255
p.) kl. 8°. Paris, A. Picard et Fils 1911. fr. 3 —

In dem handlichen Bändchen der franzöfifchen Sammlung
find einige Apokryphentexte bequem zugänglich
gemacht und darin befteht fein Hauptwert. Der Text des
Protev. Jacobi, Pfeudo-Matthäus und des Thomasevangeliums
ift nach Tifchendorf abgedruckt, und ihm sind

einige Anmerkungen, dem Nachweis biblifcher Parallelen
oder der fprachlichen oder fachlichen Erklärung dienend,
untergelegt; dazu hat I. Hardy eine franzöfifche Über-
fetzung beigefteuert. Die Grundfätze, die den Herausg.
bei der Auswahl der Noten geleitet haben, find mir nicht
deutlich geworden; vieles, bei dem eine Erklärung für den
Studenten erwünfcht wäre, bleibt unerörtert, Nebenfächliches
wird vorgebracht.

So erhält xaxanixaoiia p. 21 die Notiz: le voile qui cache le Saint
des Saints (Exode, XXVI, 31 sq.); c'est le seul qui soit mentionnd dans
le Nouv. Test., der charakteriftifche Ausdruck für Gottgeweihte Xaflßavsiv
XQOipijV ix ytiobq äyyiXov (Protev. 8,1. 15,3), die Befchränkung des
Gottesurteils (Protev. 16) u. A. bleiben unerläutert. Auch an einzelnen
Mißgriffen fehlt es nicht; zu Protev. 21, rjXfXov Ol iiayoi wird der Zu-
fatz einer Hf. ix TleQolöoq mit der anfechtbaren Bemerkung: la Perse
etant le pays des Mages belobt, was mindeftens näher präzifiert fein müßte
und wozu der Hinweis nützlich gewefen wäre, daß nach alter Tradition
die Magier aus Arabien kamen. Gelegentlich ftimmt auch einmal die
Überfetzung nicht mit der Note, wie Protev. 19, 3 8 ov /•(upEi rj tpvoiq
avxrjq: coutrairement ä la nature, während die Note richtig hier ipvoic
= alöotov faßt. Wo fich der Herausgeber auf das philologifche Gebiet
begibt, ift er feiten glücklich; p. 36, war (iE zu ftreichen als fehlerhafte
Wiederholung aus dem Vorhergehenden: xd iv iiiol ine/yei TtooeXd-etv
'meine Leibesfrucht drängt hervor'. Damit erledigt fich die Anm. Auch
p. 172,6 hätte der Herausg. beffer daran getan, die unglückliche Konjektur
von Tifchendorf fallen zu laffen und fich mit dem von Thilo gebotenen
Text zu begnügen. Manlefe: 01 flOl, <plXs, E^rjxsT (von i^rjx^q
töricht). Der Druck ift forgfältig, für ein kleines Mißgefchick p. 20, 12 f.
ift der Herausgeber nicht verantwortlich.

Kritifch wertvoller ift der Beitrag des Bollandiften
Peeters, der die hiftor. Josephi lign. nach derkoptifchen
und arabifchen Rezenfion in franzöfifcher Überfetzung
mitgeteilt hat. Das Verdienft diefer Arbeit befteht einmal
darin, daß hier die verfchiedenen Texte bequem zu-
fammengeftellt find, daß die ausgezeichneten Vorarbeiten
für den Kopten, die L. Stern und Lagarde geliefert haben,
forgfältig benutzt, auch die von Robinfon veröffentlichten
Fragmente verwertet wurden und endlich darin, daß der
bereits von Rödiger und Fleifcher erfolgreich durchgearbeitete
Araber an zahlreichen Stellen auf Grund von
mehreren Hff. und durch einleuchtende Konjekturen ver-
beffert wurde. Solange alfo nicht eine mit Heranziehung
aller kritifchen Hilfsmittel hergeftellte Ausgabe des
Textes vorhanden ift, wird man fich diefer Überfetzung
mit Nutzen bedienen können.

Hirfchhorn a. N. Erwin Preufchen.

Weinand, D. Dr. Heinr.: Antike und moderne Gedanken üb.

die Arbeit, dargeftellt am Problem der Arbeit beim
hl.Auguftinus. i.u.2.Aufl. (ApologetifcheTagesffagen.
Hrsg. vom Volksverein f. das kathol. Deutfchland.
16. Heft.) (60 S.) 8°. M. Gladbach, Volksvereins-Verlag
1911. M. 1.20

Weinand, deffen kürzlich erfchienenes Buch.DieGottes-
idee, der Grundzug der Weltanschauung des hl. Auguftinus'
in diefer Zeitfchrift und auch fonft eine im großen und
ganzen berechtigte Anerkennung gefunden hat, behauptet
im vorliegenden Schriftchen, daß fchon in der altchrift-
lichen Kirche, fpeziell von Auguftin, die antike Geringfehätzung
der nichtgeiftigen Arbeit im wefentlichen überwunden
fei. Daß Auguftin die sittliche Pflicht körperlicher
Arbeit — zumal der Mönche — energifch betont hat,
daß er das Handwerk, die landwirtfehaftliche Arbeit,
allerdings noch nicht ganz den Handel, von dem Makel
befreit hat, der diefen Befchäftigungen nach der damals
fortwirkenden antiken Anfchauung anhaftete, kann von
dem Verfaffer unfehwer bewiefen werden. Doch muß
man es ihm zum Vorwurf machen, daß er die Kluft, die
zwifchen der altkirchlich-auguftinifchen und der neuzeitlichen
Bewertung der Arbeit zweifellos befteht, möglichft
zu verdecken fucht. Nach Auguftin ift die Arbeit feit
dem Sündenfalle eine Laft, die man gehorfam und willig
auf fich nimmt, ein Stück nützlicher Askefe; von einer
1 Wertfehätzung der Arbeit um ihrer felbft willen, von
I Arbeitsfreudigkeit findet man kaum eine Spur. Ein