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Ausgabe:

1912 Nr. 9

Spalte:

261-264

Autor/Hrsg.:

Schechter, S. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Documents of Jewish Sectaries. Vol. I. Fragments of a Zadokite Work 1912

Rezensent:

Landauer, Samuel

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 9.

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heraus, der dritte ift wieder hiftorifch (wie der zweite)
und doch fcharf umriffen (wie der erfte), aber zu blutleer,
dürftig an Stoff. Trotz diefer Mängel wirkt das Büchlein
anregend; vor allem fei der erfte Auffatz empfohlen.
Berlin-Weftend. Hugo Greßmann.

Documents of Jewish Sectaries. Vol. I. Cambridge, Univer-
sity Press 1910. 40. s- 10 —

Vol. L Fragments of a Zadokite Work. Edited ffom Hebrew
Manuscripts in the Cairo Genizah Collection, now in the possession
of the University Library, Cambridge, and prorided with an english
translation, introduction and notes by Pres. S. Schechter, M. A.,
Litt. D. (LXIV, 20 S. m. 2 Tafeln.)

Ein überaus merkwürdiges Bruchftück aus einem
Lehrbuch einer jüdifchen Sekte veröffentlicht hier Schechter
. Erhalten find 8 Blätter, je 4 hängen zufammen,
Bl. 7 und 8 find nach unten ftark befchädigt. Zwifchen
beiden Teilen klafft eine große Lücke. Anfang und Ende
fehlen ganz. Ein 9. Blatt entflammt einer erweiterten und
ftark veränderten Verfion und bietet eine erwünfchte
Parallele zu Bl. 4. Die Sprache ift einfach und würde
leicht verftändlich fein, wenn der Text nicht fo jämmerlich
überliefert wäre.

Die erfte Serie von Blättern ergeht fich nach einer
knappen hiftorifchen Einleitung in einer ermüdenden
Variation des Gedankens, der bereits in den erften Zeilen
formuliert wird: in Folge der Untreue Israels habe Gott
fie dem Schwerte überliefert, aber in Erinnerung an den
Bund mit den Vätern einen Reft gerettet. Am Ende der
erften Heimfuchung, bei der Verwüftung Paläftinas durch
Nebukadnezar, hat fich ein Teil von Israel mit den Büchern
der Thorah und der Propheten nach Damaskus geflüchtet.
Auch deren Nachkommen .wälzten fich in der Sünde der
Menfchen und in den Wegen der Unreinheit', bis Gott
390 Jahre nach dem erften Strafgericht aus Israel und
Aaron die Wurzel einer Pflanzung fproßen ließ, um fein
Land zu erben, und mit ihnen einen neuen Bund in Damaskus
fchloß. In den erften 20 Jahren waren fie wie Blinde,
Herumtappende, er Hellte ihnen dann einen Lehrer der
Gerechtigkeit, der fie den Weg feines Herzens führen
follte. Während all diefer Jahre hatten fie gegen eine
Schar Abtrünniger zu kämpfen, an deren Spitze ein Mann
des Spottes geftanden, der beftändig von dem Zorn
Gottes über feine ganze Gemeinde gepredigt. Diefe Bewegung
endigte 40 Jahre nach dem Tode des Leiters.
Wohl vorwiegend mit Rückficht auf diefen hinfälligen
Grundgedanken, wendet er wiederholt auf diefe Gegner
den Satz aus Hefekiel an: fie bauen eine Mauer und be-
ftreichen fie mit Tünche. Neben allerlei Vorwürfen allgemeiner
Art, erwähnt er fpeziell 2 Netze des Belijaal, in
welchen diefe fich fangen laffen: 1. die Unzucht, weil fie
mit zwei Frauen leben, während das Prinzip der Schöpfung
in dem Satz gipfelt: Männliches und Weibliches
hat er fie gefchaffen, und auch die Bewohner der
Arche aus Paaren beftanden, ja felbft der König nach
der Bibel viele Weiber nicht nehmen follte. 2. Die Verunreinigung
des Heiligtums: fie fondern fich nicht
gemäß dem Gefetz von den Frauen, haben Umgang mit
Samenflüffigen, auch heiraten fie ihre Nichte, während
doch auch fie die Verehelichung mit der Tante verbieten.
Auch das Heiligtum in ihrem Innern, den heiligen Geift,
verunreinigen fie, indem fie fich in Schmähreden gegen
die Gefetze des göttlichen Bundes ergehen, als ob fie
nicht richtig wären.

Im Gegenfatz zu ihnen erfcheint ihm als Ideal ,der
vollkommenen Heiligkeit', die er von feinen Genoffen be-
anfprucht, ein Handeln nach der Auslegung des Gefetzes,
das er in folgenden Zügen genauer bezeichnet: ,Sich ab-
zufondern von den Kindern des Verderbens, fern zu bleiben
dem Gut des Frevels — das verunreinigt ift durch Gelübde
und Bann wie durch das Gut des Heiligtums und
durch Beraubung der Armen ... — rein und unrein zu

trennen, zwifchen Heiligem und Profanem zu unterfcheiden,
den Sabbat nach feiner Auslegung zu beobachten, Fefte
und Fefttag gemäß dem Gebote der Genoffen des neuen
Bundes in Damaskus, die Opfergaben zu erheben ent-
fprechend den für fie geltenden Auslegungen, den Nächften
wie fich felbft zu lieben, die Armen, Bedürftigen und den
Fremdling zu unterftützen .. . fich feines Blutsverwandten
nicht zu entziehen (?), die Unzucht nach Gebühr zu meiden,
den Nächften nach Vorfchrift zurecht zu weifen, ohne ihm
etwas nachzutragen, fich von jeder Unreinheit .. fern zu
halten und feinen heiligen Geift nicht zu befudeln.

Während all' diefer Jahre — d. h. bis zum Ende —
— wird Belijaal unter Israel entfendet und fie durch 3
Netze — zu den beiden oben genannten gefeilt fich noch
Geld und Gut — von welchen bereits Levi ben Jakob
fpricht, zu fangen fuchen. Sind die Jahre zu Ende, dann
hat man fich nicht mehr dem Haufe Juda's anzufchließen,
fondern jeder vor feinem Netze zu flehen — d. h. vor
ihm auf der Hut zu fein. —

In dem zweiten, dem gefetzlichen, Teil laffen fich
deutlich zwei Abfchnitte unterfcheiden, der erfte befchäftigt
fich mit religiöfen Beftimmungen, der andere vorwiegend
mit adminiftrativen. Bei dem erften vermißt man jegliche
Dispofition. Ich referiere den Inhalt in aller Kürze. Wir
lefen hier: von dem Bann eines Menfchen, von der rach-
füchtigen Veröffentlichung einer Verfehlung im Gegenfatz
zur gebotenen Zurechtweifung, von dem Verfahren zur
Eruierung eines Diebes, von der Zeugenfchaft gegen einen
Übertreter des Gefetzes, von den Richtern, von dem
Tauchbade, vom Sabbat in großer Ausführlichkeit (1 '|2
Seiten) mit einem Anhang über das Verbot, in Unreinheit
Gaben zum Altar zu bringen, in folchem Zuftand in den
heiligen Raum — in das Haus des Niederknieens — zu
treten oder gar im heiligen Bezirk(?) — im Texte fleht:
in der Stadt des Heiligtums — den Beifchlaf zu vollziehen.
Von den Befeffenen, von der Entweihung des Sabbats
aus Verfehen, von dem Verhalten gegenüber Heiden —
fie nicht zu töten, nicht zu berauben, ihnen reine Tiere und
gewiffe Nahrungsmittel nicht zu verkaufen — von dem
Verbot der kriechenden Tiere und dem Verfahren bei
dem Genuß von Fifchen und Heufchrecken, von den durch
Menfchen verunreinigten Materialien und den Nägeln an
der Wand eines Sterbehaufes und deren Verunreinigung.

Der zweite Abfchnitt handelt von der Konftituierung
der Sekte zu einem Gemeinwefen. Die kleinfte Gemeinde
befteht aus 10 Mitgliedern unter der Leitung eines Priefters,
eventuell eines Leviten, dem auch die Entfcheidung bezüglich
des Ausfatzes zukommt. Über ihnen fleht als
oberfte Behörde der Mebhakker (Cenfori), nicht unter 30
und nicht über 50 Jahre. Er unterweift den Priefter wie
die Gemeinde, ihm allein fleht das Recht zur Aufnahme
eines neuen Mitgliedes zu, durch feine Hand und die der
Richter gehen die zu erhebenden Abgaben. Jedes eintretende
Mitglied fchwört den Bundes-Eid, bei dem jeglicher
Gottes-Name zu vermeiden ift. Auf der letzten uns
erhaltenen Seite vergißt fich der Verfaffer und gerät wieder
m die gefetzliche Materie hinein. Wir hören von dem
Schwur zur Beobachtung eines Gefetzes, von den Gelübden
der Frauen und den Spenden für den Altar.

Nach Damaskus, der Geburtsftätte der Sekte, dürfte
wohl auch die Entftehung der Schrift zu verlegen fein.
Meiner Vermutung nach ift fie gerade das Buch Urin
felbft, deffen Kenntnis wiederholt eingefchärft wird. Für
die Zeitbeftimmung ift von entfcheidender Wichtigkeit,
daß überall das Beliehen des zweiten Tempels vorausgefetzt
wird, daß als zukünftiger Rächer der Abtrünnigkeit
,das Haupt der Könige von Jäwän' prophezeit wird,
was doch wahrfcheinlich einen Seleuciden bedeutet. Für
ein hohes Alter fpricht auch, daß nirgends von einer
Belohnung oder Beftrafung im Jenfeits die Rede ift. Etwas
tiefer kommen wir fchon dadurch, daß das Buch der Jubiläen
, ferner das des Levi und Baruch als allgemein bekannt
vorausgefetzt werden. Freilich läßt fich keines diefer

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