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Ausgabe:

1912 Nr. 8

Spalte:

237

Autor/Hrsg.:

Hellmann, Siegmund (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Bischof Gregorius von Tours: 10 Bücher fränkischer Geschichte, übers. v. Wilhelm v. Giesebrecht. 4., vollkommen neubearb. Aufl 1912

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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237

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 8.

238

Die Erzählung des Lukas: Judas erwarb ein Grund-
ftuck mit dem Lohn feines Frevels und, von entzündlicher
Schwellung befallen, barft er mitten entzwei und
alle feine Eingeweide wurden ausgefchüttet', ift augen-
fcheinlich ein Exzerpt, das eine ausführliche Legende
vorausfetzt. Wie fie gelautet hat, wiffen wir nicht. Von
der, die Matthäus erzählt, ift fie ganz unabhängig; dagegen
kann fie mit den Grundzügen der papianifchen
identifch fein.

Berlin. A. Harnack.

Gregorius von Tours, Bifchof: 10 Bücher fränkifcher Ge-
fchichte, überf. v. Wilh. v. Giefebrecht. 4. vollkommen
neubearb. Aufl. v. Prof. Siegm. Hellmann. Bd. 1. (Die
Gefchichtfchreiber der deut. Vorzeit Bd. 8.) (LVII, 253 S.
m. 1 Taf.) 8°. Leipzig, Dyk 1911. M. 5.50; geb. M. 6 —

Die Historia Francorum des Bifchofs Gregor von
Tours, die Wilhelm von Giefebrecht erftmalig 1851 in
einer in ihrer Art klaffifchen Überfetzung herausgegeben
hatte, hat der Münchener Profeffor Siegmund Hellmann
in einer neuen Überfetzung erfcheinen laffen. Die vorzüglich
orientierende Einleitung von Giefebrecht über Gregor
von Tours und fein Werk, die der erften Ausgabe feiner
Überfetzung von 1851 und, um weniges erweitert, der
zweiten vom Jahre 1878 vorausgefchickt worden war, hat
Hellmann unter ftillfchweigender Korrektur gewiffer
chronologifchen Anfätze, die fich nach dem Stande der
heutigen Forfchung nicht mehr halten laffen, wieder abgedruckt
. Seiner Neuüberfetzung hat Hellmann die
kritifche Ausgabe der Werke Gregors, die fich in den
Monumenta Germaniae historica Band I der Scriptores
rerum Merovingicarum von Arndt und Krufch 1885 findet,
zu Grunde gelegt. Giefebrecht hatte diefe noch nicht
benutzen können. Daneben hat Hellmann das vortreffliche
Buch von M. Bonnet, Le Latin de Gregoire de
Tours 1890, das an zahlreichen Stellen die Ausgabe der
Monumenta Germaniae berichtigt und ergänzt, herangezogen
. Auch den Refultaten der neueren Forfchung über
Gregor, wie fie die Spezialunterfuchungen von Bernoulli,
die Heiligen der Merovinger 1900, und K. Weimann, die
fittlichen Begriffe in Gregors von Tours Historia Francorum
1902, die Rechtsgefchichten von Brunner und Schröder
und die Kirchengefchichte Deutfchlands von Hauck gebracht
haben, hat Hellmann in feiner Neuüberfetzung
Rechnun«- getragen. Befonders dankbar wird man dem
Verfaffer neben der trefflichen, gut lesbaren Überfetzung
für die Vermehrung und Erweiterung der Anmerkungen
fein. Hellmann hat fich hier nicht nur um Aufhellung
der theologifchen Gedankengänge Gregors bemüht, der
in der Beurteilung der Gefchichte nirgends den Theologen
verleugnet, fondern auch wertvolle Hinweife auf die Nachwirkung
antiker Einrichtungen und Zuftände gegeben.
Der erfte Band der Neuüberfetzung von Hellmann umfaßt
die 4 erften Bücher der Historia Francorum, die die
Urgefchichte der Franken von Chlodowech, wie ihn die
Volksfage fchilderte, und von den erften Merovingern bis
auf König Sigibert (+ 575) umfaffen. Wir hoffen, daß
Hellmann in nicht zu langer Zeit die noch ausftehenden
6 Bücher in einer ebenfo zuverläffigen Neuüberfetzung
vorlegen wird, da gerade diefe Bücher die wertvollften
des ganzen Werkes find, weil hier Gregor als Zeitgenoffe
berichtet.

Heidelberg. _G. Grützmacher.

Hilling, Prof. D. Dr. Nikolaus: Die Offiziale der Bifchöfe
von Halberftadt im Mittelalter. (Kirchenrechtliche Ab-
handlgn. 72. Heft.) (XII, 134 S.) 8°. Stuttgart, F. Enke
1911. M. 5 -

Unfere Kenntnis von dem Wefen der Offizialatsbehörde
und ihrer Wirkfamkeit fteckt noch völlig in den Anfängen.
Für Deutfchland befaßen wir bisher nur die Darftellung

des Speierer Offizialatsgerichtes von O. Riedner (Mitteilungen
des Hift. Vereins der Pfalz Heft 29/30). Eine
Unterfuchung wie die vorliegende ift alfo von vornherein
lebhaft zu begrüßen. Während Riedners Arbeit, hervor-
gewachfen aus der archivalifchen Befchäftigung mit dem
Speierer Urkundenmaterial, mehr lokalgefchichtlichen
Charakter trägt, ift in H.s Schrift beftändig das juriftifche
Denken des Kirchenrechtslehrers hindurchzufpüren, ohne
daß die hiftorifche Darfteilung deshalb zu kurz gekommen
wäre. Als das ,wichtigfte Ergebnis' feiner Unterfuchung
bezeichnet der Verf. den Nachweis, daß ,fich der Urfprung
der Bifchofsoffiziale aus dem weltlichen Recht herleitet'.
Er hat zu dem Zweck über den Rahmen des Themas
hinaus die Entftehung der Offizialatsbehörde durch eine
Reihe norddeutscher Bistümer verfolgt. Überall ergab
fich, daß weltliche Offiziale, d. h. Beamte für die Territorialgerichtsbarkeit
des bifchöflichen Landesfürften,
50—100 Jahre früher zu konftatieren find, bevor die geift-
lichen Offiziale als Träger kirchlicher Gerichtsbarkeit
erfcheinen. Dies ift gefchehen zu Ende des 13. und im
Anfang des 14. Jahrhunderts, d. h. mehr als ein halbes
Jahrhundert fpäter als in den rheinifchen und füddeutfchen
Bistümern. Haben wir fomit in dem geiftlichen Offizialat
eine Analogiebildung zu dem Syftem des weltlichen
Beamtentums zu fehen, fo ift dadurch, wie H. richtig
hervorhebt, ,der Nachweis geliefert für die Identität der
Grundlagen, auf denen fowohl die Grundverfafftmg der
modernen Staaten wie die Organifation der heutigen
Diözefanverwaltung beruhen'.

Auf diefen erften allgemeineren Teil folgt die Gefchichte
des Halberftädter Offizialats, eingeleitet durch
eine Überficht über die uns bekannten Offiziale von 1297
—1568. Es ergibt fich daraus die auffallend kurze Durch-
fchnittsdauer von 5 Jahren 8 Monaten für die Amtsführung
der einzelnen Offiziale. Die Gründe für diefe' Erfcheinung
findet H. in der fchlechten Bezahlung des Amtes, in der
Gegnerfchaft der Archidiakone, die fich in ihren jurisdiktioneilen
Rechten beeinträchtigt fahen, und in der
Widerruflichkeit der Beftallung. Denn der Offizial befaß
zwar von Amtswegen die iurisdictio ordinaria, der jedesmalige
Inhaber der Stellung aber nur eine iurisdictio
mandata (im Gegenfatz zu der iurisdictio propria der
Pfründeninhaber), war alfo ein beauftragter und abfetzbarer
Beamter, deffen Amt beim Tode des Bifchofs eo
ipso erlofch.

Es fteht zu erwarten, daß nach dem Mufter der vorliegenden
Arbeit eine Reihe Spezialunterfuchungen über
die Offizialate anderer Bistümer erfcheinen werden. Ich
möchte daher den Wunfeh ausfprechen, daß der von H.
im letzten Paragraphen ein wenig ftiefmütterlich behandelten
Organifation der Offizialatsbehörde künftig etwas
mehr Aufmerkfamkeit gefchenkt werden möge. Aus einer
diplomatifchen Behandlung der Offizialatsurkunden
wird fich auch für die Gefchichte des bifchöflichen Beamtentums
und der Bistumsverwaltung (Notariatswefen!)
zweifellos manches neue Refultat gewinnen laffen.
Göttingen. Gerhard Bonwetfch.

Luther's, D. Martin, Briefwechfel. Bearb. u. m. Erläutergn.
verfehen v. f Konfift.-R. D. Ernft Ludw. Enders. Fortgefetzt
v.Ob.-Konfift.-R.D. Dr.Guft. Kawerau. 12.Bd.
Briefe vom Septbr. 1538—Febr. 1540. (VIII, 400 S.) 8°.
Leipzig, R. Haupt 1910. M. 4.50; geb. M. 5.40

— dasfelbe. 13. Bd. Briefe vom Febr. 1540—Juni 1541.
(VIII, 406 S.) 8°. Ebd. 1911. M. 4.50; geb. 540

(1—13- Bd.: 55.50; geb. 66.60)
Es fei mir geftattet, in der Form einer Selbftanzeige
über die Fortfetzung der Enders'fchen Ausgabe von
Luthers Briefwechfel hier zu berichten.

Es erregte im Jahre 1884 im Kreife der Reformations-
hiftoriker nicht geringe Freude, als Enders mit dem erften