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Ausgabe:

1912

Spalte:

235-237

Autor/Hrsg.:

Ely, F. H.

Titel/Untertitel:

On PRENES GENOMENOS in Acts 1, 18 1912

Rezensent:

Harnack, Adolf

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länglichen Mitteln fich an die fchwierigere Aufgabe einer
kritifchen Bearbeitung macht. Und auch das ift zu fagen,
daß diefe Ausgabe nach der Burkittfchen nicht überflüffig
ift. Die Syra Sinaitica, die bei Burkitt als Lückenbüßerin
und Schleppenträgerin der Curetoniana fungiert, verdient
eine Sonderausgabe, in der fie die Hauptrolle fpielt, eben-
fofehr wie die Curetoniana; denn beide Texte find doch
nicht einfach zwei Handfchriften derfelben Verfion. Eine
Vermengung beider ift nicht angebracht, fo fehr ihre
Vergleichung notwendig ift. Endlich ift zu konftatieren,
daß die Herausgeberin es verftanden hat, ihr Buch den
Benutzern durch herrlichen Druck, bequeme Einrichtung
und reichliche und nützliche Beigaben lieb zu machen.
Unter dem Texte folgen zunächft abweichende Lesarten
der Curetoniana, fodann gleiche oder ähnliche aus andern
Textzeugen. In Appendix I find die von den früheren
Editionen abweichenden Lefungen der vorliegenden zu-
fammengeftellt; in Appendix II Zitate aus fyrifchen
Kirchenvätern, die eher mit den altfyrifchen Überfetzungen
wie mit der Pefch. ftimmen; daran anfchließend einige
Übereinftimmungen mit der griechifchen Kurfivhf. 565; in
Appendix III wichtige Auslaffungen des fyrifchen Textes;
in IV die Verbefferungen, welche auf Grund der neuen
Lefungen an den bisherigen englifchen Überfetzungen
vorgenommen werden muffen. Appendix V ift ein von
E. J. Wormannf angefertigter Index zum arabifchen
Diateffaron. Außerdem wird neben einer Einleitung eine
von 1892—1910 reichende Bibliographie der die Syra
Sinaitica betreffenden Publikationen gegeben. An diefer
reichen Ausftattung kann jedermann feine Freude haben.

Daffenfen, Kreis Einbeck. Duenfing.

Ely, F. H. [Dr. Chase, Bifchof von Ely], On JIPHJSHZ
rENOMENOE in Acts 1,18. (Journal of Theological
Studies, Jan. 1912, Vol. XIII, Nr. 50, S. 278—285.)

Es handelt fich in diefem wertvollen Auffatz um eine
exegetifche Einzelheit, die aber gefchichtlich von nicht
geringer Bedeutung ift. Der Verfaffer will beweifen und
hat m. E. bewiefen, daß jtgrjvrjg yevöfievog in Act. 1,18
nicht .kopfüber', fondern ,von entzündlicher Schwellung
befallen' bedeutet.

1. Innere Begründung: a) jxgyvyg yevöfievog
(wenn cxgrj vyg = ,pronus' fein foll) ift fprachlich fehr hart
und höchft auffallend; man erwartet neöcöv bez. gup&eig,
wie auch mehrere Verfionen bieten; b) es ift ferner dem
Sinne nach unvollftändig (und zwar doppelt unvollftändig;
denn weder erfährt man, wie und warum Judas kopfüber
gegangen ift, noch wie das Platzen des Körpers die Folge
fein konnte) und bedarf daher notwendig einer fupplieren-
den Erklärung, die man gewöhnlich aus Matth. 27,5 zu
gewinnen fucht (fo fchon die Vulgata: .suspensus crepuit
medius'); c) dagegen ift yevöfievog in der medizinifchen
Sprache für .befallen' ganz gewöhnlich (Hippoer.), und
fpeziell Lukas fchreibt yevöfisvoc; OxcoXyxößgoxog e^ttpv^ev
(Act. 12, 23), yevöfievog ev dycovla (Ev. 22, 43), evxgofiog
yevöfievog (Act. 7, 32), e§vxvog yevöfievog (Act. 10, 27),
eyevero jcgoöjteivog (Act. 10,10). Wenn demnach jtgrjvpg
eine Krankheit bedeutet, fo ift der Satz klar, vollftändig
und ganz im Stil des Lukas; d) eXdxfjöev ift der Ausdruck
für das Platzen einer > Schwellung, f. Ariftoph.,
Wolken v. 410: i] cf dg'ecpvoäx', eh' egaifpvyg diaXaxyoaöa
jrgög avxcb xcöepfraXficö ftov cxgoOextXr/öev — alfo erwartet
man, daß in jtgnvrjg eine folche gegeben ift; e) in der
medizinifchen Sprache bedeutet jtifijtgaöd-ai eine .entzündliche
Schwellung'; in diefem Sinne findet es fich bei
Lukas felbft in Act. 28,6: 01 de jcqooeöÖxcov avxöv
fieXXeiv JtifixQao&ai, vgl. Num. 5,21 ff.: xrjv xoiXtav oov
nengrOfievrfv . . . jigrjoai yaözega . . . JcgrjO&yoexai xtjv
xotXiav und Hippoer., Intern, affect. 555: egajtivyg ?}
yaoxyg deigexai xal xifixgaxai xal doxeei diaggrfooeoäai,
Hipp., Epid. 1162: ' Agioxixnog dg xrjv xoiXirjv exo^evfry
dvco ßiy ^ßTe^töc, dXyog xoiXlrjg deivöv, xal ejtlfijcgaxo

I xayecog. Demgemäß finden fich in der medizinifchen
| Sprache auch die Termini jtgrjdcöv, Jigyoig, JtgfjOua, xgtfö-
fiovrj, JigifOxygeg, Jtgrjoxixög, ßovjtgrjoxtg, alle im Sinne von
Schwellung bez. Entzündung. IJgrjvyg ift in diefem
Sinne allerdings bisher nicht nachweisbar (doch f. u.), aber
als ein Adjektivum zur Wurzel jtga (jtge) — f. über diefe
Kühner-Blaß II S, 519 — ift es regelmäßig mit euphoni-
fchem v gebildet, f. Kühner-Blaß I, S. 544; II, 291 (vgl.
auch ejcgrjo&rjv, evejrgyod-r/v, efuiejigfjO&ai, efixejtgifftevog,
ejiejtgrjxo — ,war angefchwollen' Dial.-In. 3340, 123). Aus
diefen negativen und pofitiven Erwägungen ergibt fich,
daß unter jtgrjVTjg yevöfievog höchft wahrfcheinlich eine
fchwere entzündliche Anfchwellung zu verliehen ift. Dann
wird alles einfach und klar.

2. Äußere Begründung: a) Die armenifche Uber-
fetzung der Acta (und ihr folgend die georgifche) gibt
jtgifvrjg yevöfievog durch .aufgefchwollen' wieder (fo auch
in. einer armenifchen Catene zu Act.). Da die armenifche
Überfetzung ein wichtiger Zeuge für altfyrifche Lesarten
ift, fo ift es nicht unwahrfcheinlich, daß diefes Verftändnis
von jigijVT/g von dort flammt; b) in der Sap. Salom. 4,19
heißt es: ort ÖyS,ei avxovg dipcövovg jtgrjvelg. Sowohl
der alte Lateiner als der Armenier überfetzen hier jtgnvelg
durch .inflati' (.disrumpet illos inflatos sine voce'), genau
fo wie der Lateiner zu Num. 5,27 (jxgi/O&yoexai xrjv
xoiXlav xal diajteoelxat o fiygög avzrjg) .inflato ventre
computrescet femur' bietet. Das Zufammentreffen des
Lateiners und Armeniers bezeugen alfo, daß crgyvyg den
Sinn haben kann .aufgefchwollen'; c) in den Acta Thomae33
heißt es: ö de dgdxcov ipvoyäe'ig eXaxrjoe xal dne&ave, xal
e^eydar/ xxX. Die Worte eXaxrjOe und egeyv&rj machen
es evident, daß der Erzähler fich Act. 1,18 zum Vorbild
genommen hat; dann aber entspricht fein ,a>vö/jd-eig' dem
,jtg?jvr]g yevöfievog', alfo hat er jrgrjvyg als .gefchwollen'
verftanden; d) wir befitzen bekanntlich noch bei Apollinaris
(von Hierapolis?) die Schilderung des Todes des
Judas, wie fie Papias im 4, Buch feines Werkes gegeben
hat; ihr Anfang lautet: Meya daeßeiag vxööeiyfia ev xoöxm
xcö xooficp JcegiEjraxijOev o 'lovöag Tcgr/oQ-elg ejil rooovxov
tt]v oagxa, ojöxe fi?]de ojtöirev dfia§a gaÖicog öiegxexai
exetvov övvaö&ai 6ieX&elv, und nun folgt eine groteske
Befchreibung. Papias fchreibt Jigr/o&elg, wo in den Act.
xgyvrjg lieht. Bisher faßte man das als eine dritte Legende
(neben der des Matth, und Luk.) über den Tod
des Judas; allein Apollinaris hat die Worte des Papias
als Ausführung des Textes des Lukas verftanden; denn
diefen führt er zuerft an und fährt dann fort: xovxo de
aacpe'oxegov loxogel üajriag. Aller Wahrfcheinlichkeit
nach faßte alfo Apollinaris das jigrfvng als jtgrjo&elg.
Die Zeugen, die Chase fonft noch anführt für xgnvrfg =
ngrfoveig (Athanafius, Oekumenius, Theophylakt, Cedrenus,
Zigabenus, Zonaras) laffe ich bei Seite, weil hier die Möglichkeit
befteht, daß fie aus harmoniftifchen Gründen die Gleichung
vollzogen haben. Wahrfcheinlich ift es jedoch nicht,
daß die Worte im Lexikon des Zonaras: Jtgrjvrfg yevöfievog
yyovv cxecrgrjOfievoc, etgmyxcofievog lediglich aus der
Abficht entlianden find," Act. 1,18 und Papias zu konformieren
.

Das Ergebnis der Unterfuchung von Chafe geht
alfo dahin, daß neben dem bekannten jrpj7r>r/(; = pronus
ein zweites jrgtjvyg = jrecxgrjOfievog von der Wurzel jega
(icge) anzunehmen ift (Chase fagt das nicht mit dürren
Worten, aber cxgrjvyg = pronus und Jtgr]vyg = jrejtgrjOfie-
vog find doch fchwerlich von der Wurzel her identifch)
und daß diefes Wort als medizinifcher Terminus (neben
den zahlreichen anderen, von demfelben Stamme gebildeten
, f. o.) von Lukas in Act. 1,18 eingeführt worden
ift. Für den medizinifchen Charakter der Sprache des
Lukas, den nur der hartnäckige Widerwille zu leugnen
vermag, ergibt fich alfo ein neues Moment. Chafe aber
hat fich das Verdienft erworben, ein neues griechifches
Wort entdeckt zu haben — durch diefelbe Methode, nach
der ein unfichtbarer Planet entdeckt worden ift.