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Ausgabe:

1912 Nr. 8

Spalte:

233-235

Autor/Hrsg.:

Lewis, Agnes Smith

Titel/Untertitel:

The Old Syriac Gospels or Exangelion Da-Mepharreshê; being the text of the Sinai or Syro-Antiochene Palimpsest 1912

Rezensent:

Duensing, Hugo

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233 Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 8. 234

jemand Jahn nachmachen dürfte. Daß z. B. ds^s"; ficher nicht fchrift-
gelehrte Änderung aus s^3 + ds (= I>s3) ift:'.Baal vernichtet' (f. sub
03s3 s. 209), lehrt fchon der Name der betreffenden Stadt auf der Lifte
des'Thutmofe III Nr. 43: Y(a)-b-ra-'a-mu. Aus dem Umftand, daß I Chr.
S, 16 auch Kittel ftatt jilia nach LXX lieft, glaubt Jahn neues

Kapital für den Beweis der L'nechtheit der Mefainfchrift fchlagen zu
können, als wäre darin (z. 13) eine falfche Lesart in den Text aufgenommen
worden. Bei folcher Methode läßt fich freilich alles für uuecht erklären !
Aber der Raum erlaubt mir nicht, auf Weiteres einzugehen. Nur zwei
philologifche Einzelheiten feien noch aus dem Kommentar erwähnt, weil
fie Jahn befonders wichtig find: s. 32 und 72 die energifche Verteidigung
des Perfekts mit Wav als eines grammatifch richtigen Erzählungstempus;
ferner s. 37 die Anficht, daß alle mit dem Aramäifchen übereiuftimmen-
den Wörter im Affyrifchen urfpriinglich aramäifche Lehnwörter feien,
während fich die Affyriologen für das Umgekehrte erklären.

Bafel. A. Bertholet.

Lewis, Agnes Smith, DD., LL.D., Ph.D.: The Oid Syriac
Gospels or Exangelion Da-Mepharreshe; being the text of
the Sinai or Syro-Antiochene Palimpsest, including the
latest additions and emendations, with the variants of
the Curetonian Text, corroborations from many other
mss., and a list of quotations from ancient authors.
With 4 facs. (LXXVIII, 334 u. III, XI u. VII S.) 40.
London, Williams & Norgate 1910. s. 25 —

Was diefe neue Ausgabe der Syra Sinaitica an neuen
und abweichenden Lefungen gegenüber ihrer unmittelbaren
Vorgängerin, der Edition des Evangeliums der Getrennten
durch Burkitt, und auch gegenüber den früheren
Publikationen diefer Verfion bringt, ift in Appendix I
zufammengeftellt. Die neuen, meift Ergänzungen von
Lücken darfteilenden Lefungen find darin mit einem Stern
gekennzeichnet. Sie find das Ergebnis einer Nachlefe,
welche die Herausgeberin bei einem fünften und fechften
Befuche des Sinaiklofters in den Jahren 1902 und 1906
in dem berühmten Palimpfeft gehalten hat. Die übrigen
in Appendix I aufgeführten, von den früheren Ausgaben
abweichenden Lesarten glaubt Frau Dr. Lewis gegenüber
fchon geäußerten oder an fich naheliegenden Anzweiflungen
als ficher hinftellen zu können. Ehe wir ein Wort
zu dem hier fchwebenden Streite fagen, wollen wir uns
ein Urteil über die Wichtigkeit der differierenden Lefungen
bilden. Die Wichtigkeit kann allein danach bemeffen
werden, ob fich aus den verfchiedenen Lesarten eine ver-
fchiedene griechifche Vorlage ergibt. Eine Durchmufterung
der ftrittigen Lesarten mit diefem Maßftabe ergibt nun
das Refultat, daß hie und da eine andere griechifche Vorlage
vorausgefetzt werden muß. Ich hebe einige interef-
fante Beifpiele heraus. Wenn die Herausgeberin mit ihrer
jetzigen Lefung im Rechte ift, fo würde Jo. 1,41 Andreas
feinen Bruder Petrus finden nicht JtQmxov, auch nicht ,an
jenem Tage', fondern ,am Morgen des Tages', d. h. es
würde jtgoai vorauszufetzen fein. Jo. 12,44 würde Jefus
feinen Ruf mit dem gegenüber dem griechifchen Texte
überfchüffigen Satze beginnen: /Wer mir nicht gleicht,
gleicht dem nicht, der mich gefandt hat'. Jo. 6,19 würde
nicht einfach gefagt fein, daß die Jünger fich fürchteten,
fondern daß fie weiß, blaß wurden vor Furcht. Und fo
findet fich noch einiges, was Beachtung verdient. Bei der
Hauptmafie diefer circa 300 differierenden Lefungen
handelt es fich aber um Kleinigkeiten, um Orthographie
und diakritifche Zeichen, Suffixe und Endungen und Ahnliches
.

Um nun ein Wort zu dem fchwebenden Streite zu
fagen, fo ift zunächft Frau Dr. Lewis gegenüber Burkitt,
im Gegenfatze zu deffen Ausgabe die ihrige entftanden
ift, von vornherein darin im Vorteil, daß fie häufiger und
in feiner ganzen Ausdehnung das Original hat einfehen
können. Keine noch fo guten Photographien können —
darin hat die Herausgeberin ganz recht — das Studium
einer Palimpfefthandfchrift erfetzen. Und auch das ift zu
fagen, daß ein unparteiifcher Zufchauer des Streites, felbft
wenn er nicht Photographien oder das Original hat einfehen
können, an einer Reihe von Stellen ohne Weiteres
die Lefung der Frau Dr. Lewis für die wahrfcheinlichere
halten wird. So ift die angeführte Lefung ,am Morgen
des Tages' ftatt ,an jenem Tage' durchaus wahrfcheinlich,
weil fich diefe Lesart der fyrifchen Überfetzung aus einem
zu jtgm'l verftümmelten ngcorov, das auch fonft bezeugt
ift, erklären würde. Bethanien ift nach der Herausgeberin
Jo. 11,18 2 ,Meilen' von Jerufalem entfernt und nicht 2
.Parafangen', und diefe Lefung ift glaublicher, weil wohl
zwei Meilen, nicht aber 2 Parafangen, die viel mehr find,
den 15 Stadien des griechifchen Textes ungefähr ent-
fprechen. An dem Wort (.14^ für ö'yHoe Jo. 7,49, das
1906 auch Gregory im Original gelefen und auf Wunfeh
der Herausgeberin abgezeichnet hat, ift nicht der geringfte
Anftoß zu nehmen. So gern man an folchen Stellen auf
die Seite der Herausgeberin tritt, fo referviert wird man
fich freilich in andern Fällen halten, wobei man allerdings
den Einwurf der Herausgeberin zu gewärtigen haben
würde, daß fie es fo im Original gefehen habe. Indeffen
ift es mit der Sicherheit des Sehens bei Palimpfeften ein
eigenartig Ding, und wenn man die jetzigen Lefungen
der Herausgeberin mit den früheren vergleicht, fo wird
man fich kaum des Eindruckes erwehren können, daß
mindeftens das früher Gebotene, trotzdem es doch auch
.gelefen' war, vielfach recht unficher gewefen ift. Ob es
mit der Sicherheit des jetzt gebotenen Textes beffer be-
ftellt ift? Darüber kann jetzt Arthur Hjelt, der, wie Frau
Dr. Lewis in The Athenaeum Nr. 4364 vom 17. Juni 1911
mitteilt, inzwifchen auf dem Sinai die Handfchrift ein-
gefehen hat, Auskunft geben. Das Refultat feiner Nachprüfung
foll fein, daß in 133 Verfen (siel) die Lefungen
der Herausgeberin korrekt und in 21 andern möglich, in
7 andern die Burkitts korrekt und in 11 andern möglich
fein follen. I do not, however, aeeept all these corrections
to my own work, bemerkt dazu die Referentin. Alfo
werden doch immerhin einige von ihr akzeptiert, und
daraus ergibt fich, daß wiederum einmal manches als
ficher hingeftellt ift, was es nach dem Zuftand der Handfchrift
nicht fein kann. Nur eine Kenntlichmachung der
verfchiedenen Grade der Sicherheit des gebotenen Textes
durch kritifche Zeichen kann eine ungenierte Benützung
desfelben ermöglichen. Übrigens verrät die Referentin
a. a. O., daß ein Blatt vorbereitet werde, welches detailliertere
Rechenfchaft von den Refultaten Hjelts geben und
in die Tafche am Buchdeckel ihrer Edition, in der fich
fchon zwei Appendices befinden, gefleckt werden folle.

Für die Herausgeberin ift die Frage, was fie herausgeben
foll, entfehieden, fobald fie herausgefunden hat, was
in der Handfchrift fteht. Sicherlich ift das die allererfte
""d[ wichtigfte Frage, an deren Beantwortung nicht genug
h leiß Ausdauer und Sorgfalt gewandt werden kann. Aber
das ift doch nicht auch die letzte Frage, wenigftens dann
nicht, wenn man eine fog. kritifche Ausgabe liefern will.
In der vorliegenden Ausgabe fcheinen Fragen wie die, ob
der gelefene Text ein möglicher ift oder ob nicht vielleicht
Verlefungen oder Verfchreibungen des Schreibers vorliegen
, kaum eine Rolle zu fpielen; denn unmögliche
Sachen paffieren, ohne daß die Herausgeberin fie bean-
ftandet. In Matth. 8,29 z. B. ift j >~ ^-v (fo in Appendix
1) undenkbar, mindeftens müßte man den Infinitiv
des Aphel erwarten; im Texte felbft fteht übrigens ein
Monftrum von Form p-->.^M Jo. 10,4 lefen wir für
xai to jcgoßara avrm äxoZovfrtl }]] niLs 01^.? i^-o. Das
lr» ift unmöglich, auch wenn es da in Gold graviert
ftände. Und das find nicht die einzigen Beifpiele diefer

Immerhin kann man es nur billigen, daß die Herausgeberin
auf die Lieferung einer kritifchen Ausgabe verzichtet
hat. Beffer ift es, daß fauber das Material, wie
es nach peinlich genauer Prüfung fich den Augen darbietet
, vorgelegt wird, als daß man mit vielleicht unzu-

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