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Ausgabe:

1912 Nr. 7

Spalte:

201-202

Autor/Hrsg.:

Brann, M.

Titel/Untertitel:

Festschrift zu Israel Lewy‘s 70. Geburtstag 1912

Rezensent:

Strack, Hermann L.

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201

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 7.

202

Efra-Nehemia, ift tn, E nicht ausreichend. Und noch für
ein weiteres Urteil fcheint mir B. den vollgültigen Beweis
fchuld ig geblieben zu fein: er läßt das III. Efrabuch ur-
fprüngüch nicht griechifch, fondern in hebräifch-aramäi-
fcher Sprache gefchrieben fein (S. 137). Das käme für
die Stücke, die nicht fein Eigengut find, auf ein feltfames
Duplikat der entfprechenden Stücke in den fpäter kano-
nifch geworden Büchern hinaus, während für das, was
Eigengut im III. Efr. ift, B. mir nicht genügend zwifchen
Semitismen im griechifchen Stil und griechifcher Über-
fetzung aus dem Semitifchen zu unterscheiden fcheint.

Z. B. will, wie aus der Sprache des Paulus erfichtlich ift, das
htpß&VMß JiQOOwna [HL Esr. 4, 39) nichts belügen (vgl. dagegen S. 124).
Iis bedürfte fchon des fichern Nachweifes von Überfetzungsfehlern. Was
aber B. als folche S. III, Anm. 3 und S. 124 anführt, kann ich nicht
für zwingend anfehen. III. Efr. 3, 3 2. B. ift sj-vnvog, worin B. nach
Torreys Vorgang einen Überfetzungsfehler vermutet, vielleicht einfach
iunergriechifche Verderbnis aus tvvnvog, wie denn Kompofita mit s{
und iv auch fonft in LXX verwechfelt find (vgl. G. Jahn, die Bücher
Efra und Xehemia, S. 177, Anm. IJ. Zu dem von B. beanltandeten og
'n tOUt/UV ).6yov, Sg imeQiaj[ioH (er verlangt zt) darf ich vielleicht
fchon auf die Parallele in Herodot (9, 71): yeiofi/vr/g Haygg 8g yevotto
aviecov aytozog hinweifen. Wie weit man übrigens inbezug auf den
Urtext des Pagenftreites von einheitlicher Erkenntnis noch entfernt ift,
zeigt fchon der Umftand, daß, während er meift als griechifches Original
gilt, B. (wie Torrey) aramäifche Urfprache vorausfetzt, wohingegen Jahn
wiederum fich In einer Retroverfion ins Hebräifche verfucht hat.

Ein letzter Abfchnitt behandelt das Verhältnis zwifchen
Esdras a und ß Er führt zu dem m. E. annehmbaren
Endurteil: ,1m Wefentlichen find beideÜberfetzungen
durchaus unabhängig voneinander, und die ganz vereinzelten
Stellen, an denen fie gemeinfam gegen den MT
zeugen oder an denen fie fich fonft zu nähern fcheinen,
reichen nicht hin, um auch nur eine örtliche Beeinfluffung
der einen durch die andere wahrfcheinlich zu machen'
(S. 161). Esdr. a läßt B als Überfetzung .vielleicht um
die Wende des erften vorchriftlichen Jahrhunderts' ent-
ftanden fein (S. 155); in Esdr. ß' fleht er das Werk Theo-
dotions. Vielleicht mit Recht. Aber dann dürfte Ho-
worths Behauptung, daß Esdr. «' ,the true Septuagint
text' des chroniftifchen Werkes biete, doch mehr Wahrheit
enthalten, als B. (S. 155) zugeftehen will.

Bafel. A. Bertholet.

Feftfchrift zu Ifrael Lewy's 70. Geburtstag. Hrsg. v. M. Brann
u. I. Elbogen. (436 iL 211 S.) Lex. 8°. Breslau,
M. & H. Marcus, 1911. M. 20 —

Die Sitte, gefchätzten Gelehrten zur Vollendung des
70. Lebensjahres durch eine von ehemaligen Schülern und
andren Kollegen zufammengeftellte Feftfchrift ein Zeichen
der Hochachtung zu geben, ift auch bei den Juden üblich
geworden: ich erinnere hier an die Jubelfchriften für
H. Graetz 1887, Asr. Hildesheimer 1890, Abr. Berliner
1903, Abr. Harkavy 1910; die für Moritz Steinfehneider
1896 wurde dem 80jährigen gewidmet. Für David Kaufmann
wurde 1900, nach feinem Tode, ein Gedenkbuch
veröffentlicht, für Abr. Geiger 1910 zur hundertften Wiederkehr
feines Geburtstages. — Jetzt liegt eine Feftfchrift
vor für den 70jährigen Ifrael Lewy, Lehrer am Breslauer
Rabbinerfeminar und hervorragenden Talmudkenner alter
Gründlichkeit. Die 35 hier gefammelten Abhandlungen
(23 deutfehe, 11 hebräifche, 1 englifche) in diefer Zeitschrift
alle zu befprechen oder auch nur alle zu nennen
ift nicht möglich. Einiges aber fei hier hervorgehoben.
Zuerft aus dem hebr. Teil. Ch. Tfchernowitz erörtert
die Frage, wieweit die Anficht des Einzelnen gegenüber
der Mehrheit in Betracht komme (vgl. Einleitg. in den
Talmud, 4. Aufl., S. 5). J. D. Markon behandelt Petersburger
Talmudfragmente mit fupralinearer Punktation.
Alex. Marx veröffentlicht neue Texte des erften Vernichs
einer talmudifchen Methodologie, des Seder Tannaiim
weiamoraiim (f. Einl. S. 139). Aus den Schätzen der
Geniza fördert S. Schlechter Fragmente eines halachifchen
Midrafch zum Deuteron, zu Tage. A. Freimann gibt aus
einer Handfchrift des Britifchen Mufeum einen von manchen
für verloren gehaltenen Teil (Traktat bebuäoth)
des Talmudkompendiums ^Or Zaruac( von Ifaak ben Mofe.

Im deutfehen Teil behandelt Mor. Güdemann den
Unterfchied zwifchen biblifchen Gefchichten und biblifcher
Gefchichte. Jene (z. B. Schöpfungsbild, Sintflut, Sodom
und Gomorra, Bileam) feien ein Produkt menfehlicher
Erzählungskunft, erzählt bezw. gefchrieben, mit dem Zweck
religiöfe Wahrheiten zu lehren; letztere fei eine Dar-
ftellung des wirklich Gefchehenen. Die mancherlei Bedenken
, die ich gegen die frifch gefchriebene Abhandlung
vorzubringen hätte, darzulegen fehlt hier der Raum. Von
andren Auffätzen nenne ich: L. Ginzberg, Der Anteil
Rabbi Simons an der ihm zugefchriebenen Mechilta (vgl.
Proteft. Real-Enzyklop. 3. Aufl. 13, 787); Ism. Elbogen,
Eingang und Ausgang des Sabbats nach talmud. Quellen;
S. Krauß, Die Verfammlungsftätten der Talmudgelehrten
(nicht alles ficher); A. Perls, Der Minhag im Talmud;
M. S. Zuckermandel, Die Befreiung der Frauen von be-
ftimmten religiöfen Pflichten nach Tofephta und Misna;
Jakob Guttmann, Die Beziehungen der maimonidifchen
Religionsphilofophie zu der des Saadja; Jul. Guttmann,
Das Verhältnis von Religion und Philofophie bei Jehuda
Ha-lewi. — Auch in Sonderausgaben find erfchienen:
Adolf Büchler, Das jüdifche Verlöbnis und die Stellung
der Verlobten eines Priefters im 1. und 2. Jahrhundert;
A. Rofenzweig, Die Al-tikri-Deutungen; Aug. Wünfche,
Der Kuß in Talmud und Midrafch. Rofenzweig hat
177 Stellen gefammelt, an denen der Schrifttext entweder
(feiten) nur in andrer Bedeutung als der gewöhnlichen
genommen oder (meift) zum Zwecke der Ausdeutung etwas
anders gelefen wird, gewöhnlich zu haggadifchem Zwecke
(die Ausnahmen C S. 221 = S. 18 Anm.); Konjektur oder
die Meinung, daß der Text wirklich anders gelefen werden
müffe, liegt nicht vor. Der Sonderausgabe find nützliche
Regifter beigegeben. Aug. Wünfche hat der Sonderausgabe
feines Auffatzes einen Abfchnitt über den Kuß in
der Bibel vorangeftellt und dementfprechend auch den
Titel geändert. — Im Ganzen gilt von diefer Feftfchrift:
Multa et multum.

Berlin-Großlichterfelde W. Herrn. L. Strack.

Weber, Privatdoz. Lic. Dr.E.: Das Problem der Heilsgefchichte
nach Rom. 9—11. Ein Beitrag zur hiftorifch-theologifchen
Würdigung der paulinifchen Theodizee. (VIII, 108 S.)
8°. Leipzig, A. Deichert Nachf. 1911. M. 2.40

Webers Schrift ift dem Verftändnis von Rm. 9—n,
das er auf einem neuen Wege fucht, gewidmet. Die gut
gefchriebene Studie gliedert fich in drei Teile, zu denen
eine über die .Aufgabe' orientierende Einleitung tritt. Den
Weg zum Ziel einer .hiftorifch-theologifchen' Würdigung
von Rm. 9—11 bahnt der erfte Teil mit feiner kritifchen
Begutachtung der bisherigen Deutungsmethoden. Weder
die prädeftinatianifche Auslegung, die fich vor allem auf
Rm.9 ftützt, noch die indeterminiftifche, die fich auf Rm. 10
beruft, werden dem vorliegenden Text als Ganzem gerecht.
Aber auch die auf eine Verbindung beider hinauslaufende
.Theorie der doppelten Betrachtung' fcheitert an eigenen
Schwächen, wie an der Einheitlichkeit der paulinifchen
Argumentation. Ebenfowenig führt die .heilsgefchichtliche'
Erklärung in ihrer bisherigen Geftalt zum Ziel. Doch
kann fie fruchtbar gemacht werden vermitteln; Ergänzung
durch das .Prinzip des praktifch-aktuellen Verftändniffes'.
Diefes Prinzip lehrt uns nämlich die Ausführungen von
Kap. 9 im Zufammenhang der heilsgefchichtlichen Erörterungen
verliehen.

Wie der fo gewonnene Auslegungskanon die Schwierigkeiten
meiftert, zeigt der zweite Teil, der den Gedankengang
von Rm. 9—11 darlegt. Das Problem, mit dem der
Apoftel ringt, ift die Erklärung von Israels Unglauben.
Aber diefer Unglaube wird nicht als Schuld gewertet, wie
man in der Regel au»s 9,30—10,21 erfchheßt, fondern
1 vielmehr als tragifches Verhängnis. Und die Kap. 11

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