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Ausgabe:

1911 Nr. 6

Spalte:

174-175

Titel/Untertitel:

Specimina codicum graecorum Vaticanorum, collegerunt Pius Franchi de’ Cavalieri et Johannes Lietzmann 1911

Rezensent:

Soden, Hermann

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 6. 174

fchen Reich läßt die Philofophie zu ftark in den Vordergrund
treten, es ift da viel unfruchtbares Material
aufgehäuft Dagegen fehlen zufammenhangende Betrach-

fetzungen, Schriftfteller) beigezogen, und — foweit meine
Prüfung reicht — in zuverläffiger Weife verarbeitet hat,
namentlich die lateinifchen Überfetzungen und Schriftfteller
in einer nirgends fonft zu findenden Fülle. Für

Wen Es dürft? betont werden, daß fich in neutefta- fteller in einer nirgends on zu findenden Pulle Pur

mentücher Zeit ein Gemeinglaube der Gebildeten nach- die fo wicht.ge fah.d.fche Uberfetzung konnten fchon

weifeÄ herrfcht das Fatum' MitteilunSen von Horneu verwand; weJfden- cAuf einige

£Kleinen" treibe^^^ Geifter, die antiken Lücken im Apparat mache ich aufmerkfam. So fehlt-

Götter und Dämonen, ihr launifches Spiel, und auch der
Menfch hat innerhalb des großen Verhängniffes eine
gewiffe Freiheit der Betätigung. Diefer antike Gemeinglaube
tritt nicht fo klar hervor, wie es wünfchenswert
und möglich wäre. Der Verf. redet von der Verbreitung
des Heroendienftes und von der Leichtigkeit der
Apotheofe in neuteftamentlicher Zeit; aber die chriftliche
Entwicklung foll damit gar nichts zu tun haben. Eben-
fowenig wird die Verwendung des Begriffes ocoxrjQ in
der helleniftifchen Welt zur Erklärung des chrifthchen
Sprachgebrauchs herangezogen. Hier brechen dem Verf.
alle Fäden ab; die chriftliche Entwicklung vollzieht fich
zwar in der Welt; aber fie läuft ihren Pfad ganz für fich,
ohne mehr als in eine äußere Beziehung zur Welt zu
treten. Pls ift die antike Auffaffung, daß die Seele zwar
an den Körper gebunden ift, aber ihrem Urfprung nach
gar nichts mit ihm gemein hat.

Mit zwei kleinen Dingen will Ref. fchließen. Feiten
rechnet häufig nach Fuß, wo wir in Deutfchland nach
Metern rechnen; das ift mindeftens unbequem. Und
dann fchreibt er oft ein recht fehlerhaftes Deutfch. Dahin
gehört vor allem die immer wiederkehrende Inver-
ch dem Bindewort ,und'. Es ift ein Segen, daß
wir m Deutfchland für folche Dinge empfindlicher
werden.

Gießen. Oscar Holtzmann.

außer bei Mt/i — jedef Bemerkung zu den Uber-
fchriften, wie Üq^bic, xoov ayieov anoöxolcov oder H xgog
'Eßoalovq ImoxoXrj UavXov; zu Namen wie ,Aaßl& des
Textes, KajiBQvaovLi etc.; zu einzelnen ficher falfchen
Lesarten des Stephanus, z. B. AG 4, 11 oIxoöoliovvxcov
(Partizip, Eintragung aus den Ew.) für oIxoöolhov. Aus
dem Codex D, der im allgemeinen fehr gründlich beigezogen
ift, vermißte ich AG 4, 2 xbv Iqoovv 'sv xy
dvaöxdöet, V. 6. 'Icovä&aq. Im übrigen ift der Apparat
all den Theologen dringend zu empfehlen, welche die
Fortfehritte der textkritifchen Materialien nicht verfolgen
können oder wollen. All unfre Kommentare find bei
Neubearbeitung darnach zu revidieren. Der Apparat ift
zugleich der erfte, der in der Hauptfache die neue Hand-
fchriftenbezeichnungGregory's verwendet; f. des letzteren
Die griechifchen Plandfchriften des Neuen Teftaments'
1908, S. 9 t.

Druck und Korrektur ift mit der Sorgfalt und Sauberkeit beforgt,
für welche die Clarendon-Preffe vorbildlich geworden ift. Zu AG 4, 25
fehlt im Apparat eine Klammer. Daß bei den Evangelien die Eufebia-
nifchen Sektionen, allenthalben die altkirchliche Kapiteleinteilung, bei
unlieberer Verstrennung deren Bezeichnung wegblieb, tut einem Bewunderer
von Mill, Bengel und Lloyd weh. Die Aushärtung ift die der
---......TT r"Tft •„ Qoer^n Haft Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis, was für theologifche Lefer

fion nach dem Bindewort ,und. ös ra ein oegeu, ««. :

nnr*ri Kru/rihniintr verdienen mno".

Novvm Testamentvm Graece. Textvi a retractatoribus an-
glis adhibito brevem adnotationem criticam svbiecit
Alexander Souter, Prof. Oxonii e typographeo Cla-
rendoniano (1910). (XXIV, 480 p.) 8° Geb. s. 3;
auf India paper s. 4; 40 auf Schreibpapier, ,with

large margins' s. 8. 6

Um dem Herausgeber nicht unrecht zu tun, und mit
den Verhältniffen nicht genau vertraute Theologen vor
Enttäufchung zu bewahren, ift voranzuftellen, daß zwifchen

noch Erwähnung verdienen mag.

Maulbronn. Eb. Neftle.

Specimina codicum graecorum Vaticanorum, collegerunt Pius
Franchi de' Cavalieri et Johannes Lietzmann.
Bonnae, A. Marcus et E. Weber MCMX. (XVI S.
u. 50 Bl. in Lichtdr.) hoch 40 Geb. M. 6 —

Eine hochwillkommene Gabe in meifterhafter Ausführung
, von der eine Belebung des Intereffes und des
Verftändniffes für Handfchriftenforfchung in den Kreifen
der Studierenden ficher ausgehen wird. Aus den Schätzen
der vatikanifchen Bibliothek, die ihr Präfekt, D. Ehrle,
mit feiner bekannten Liberalität und Liebenswürdigkeit
den Herausgebern zur Verfügung geftellt hat, find von
50 griechifchen Codices je eine Seite in vortrefflicher

Text und Apparat ftreng zu unterfcheiden ift. 5» gr eennenen uoorces je eine aei e in vortrertüche.

Der TexTift die Arbeit Edwin Palmer's (1824-95), fj* ^

erftmals 1881 erfchienen, und fchon damals prinzipiell
verfehlt, da P. den ftephanifchen Text von 1550
überall da beibehielt, wo die Revisers die von ihnen befolgte
Lesart nicht ausdrücklich feftgeftellt hatten, ftatt
die Bearbeitung von Weftcott-Hort zu benützen, welche
den Revisers in vertraulichem Abdruck fEvv. ,Chriftmas

1870') zugeftellt worden war und gleichzeitig mit der 1 e,n5n yiocamus; oann xoigr. je eine nanciicnntt aus dem
Revised Version 1881 erfchien (f. H. Holtzmann im erften j 5-°-, dem 6., dem 8/9. und je 3 aus dem 9. und dem

! 9-ilo. Jahrhundert. 8 find Majuskelhandfchriften von ver-
fchiedenftem Duktus; die übrigen bieten Minuskeltypen
aller Art, darunter etliche ftarke Abbreviaturen, vier

Sie umfaffen 13 Jahrhunderte, vom vierten bis zum fech-
zehnten. Vom 10. an find mit 3 Ausnahmen, denen 2 datierte
Codices aus dem 9. gegenüberftehen, mit Bedacht nur
datierte Handfchriften ausgewählt. Darunter 16, die auch
eine Angabe des Urfprungsorts enthalten. Das 4. Jahrhundert
ift durch den ,Vaticanus' vertreten, das 5. durch
einen Diocaffius; dann folgt je eine Handfchrift aus dem

Band des Theol. Jahresberichts 1881, S. 36; meine Einführung3
, TL 25).1 Außerdem war und ift die Arbeit
auch nicht vollftändig; eine ganze Reihe von Randlesarten
der RV find unberückfichtigt, namentlich folche
der Orthographie und Interpunktion, vgl. Mtth. II, 23;
AG. 17,23; 18,28. Da ich für die BFBS meinem griechifchen
Text die Abweichungen der Revisers unterlegte
, kann ich hierüber mit aller Sicherheit urteilen.

Umfomehr Anerkennung verdient Souter's Apparat
, der kein bloßer Auszug aus Tifchendorf ift, fondern
alles neu hinzugekommene Material (Handfchriften, Über-

') Die Revifers fagen in ihrer Vorrede: ,In many cases Üie Eng-
lish rendering was considered to represent correctly either of two
competing readings in the Greek, and then the question of text
was usually not raised. In diefen Fällen, die in die Hunderte und
Taufende zählen, follen wir die (fchlecht bezeugte) Lesart des Stephanus
, und nur diefe ftatt der andern, beffer bezeugten als die von den
Revifers gewollte anfehen!

darunter 1 in Unzialtypen, einen um den Text herum
gefchriebenen Kommentar. Mehrere weifen Initialen oder
Randbemerkungen auf, Gloffen, Inhaltsangaben, Zahlen,
einige Subfkriptionen, eine, ein Menologium, eine
treffliche Miniatur, eine, eine Seite Euclid, eine geome-
trifche Zeichnung. Einige find auch etwas befchädigt.
Daß letztere fo wenig zahlreich find, mag an der großen
Sorgfalt liegen, mit der der Vatikan feine Schätze hütet.
So fehlt nichts, was zur Einführung in die Handfchriften-
kunde notwendig ift-

Voran geht eine alles Wiffenswerte enthaltende knappe
Befchreibung der Codices. Bei fchwer lesbaren ift eine
Wiedergabe des phototypierten Textes beigefügt. Die
Randnotizen werden erklärt. Wo Fakfimiles von Handfchriften
ähnlichen Stils fchon veröffentlicht find, wird