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Ausgabe: | 1911 Nr. 5 |
Spalte: | 135-140 |
Autor/Hrsg.: | Steudel, Friedrich |
Titel/Untertitel: | Im Kampf um die Christusmythe 1911 |
Rezensent: | Dibelius, Martin |
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J35
Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 5.
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Doch alle diefe kleinen Ausheilungen follen nur
zeigen, wieviel auf diefem Gebiete noch getan werden
könnte und müßte, um ein ganz korrektes Bild zu gewinnen
. Wer felbft die Hand ans Werk legt, wird fofort
fehen, wie fchwierig und kompliziert folche Unterfu-
chungen find. Er wird den Ton nicht auf die kleinen
Unvollkommenheiten legen, fondern dankbar das viele
Gute anerkennen, das der Verf. uns bietet. Auch pofi-
tive Unrichtigkeiten wird er gern entfchuldigen, wenn
er bedenkt, wie weit wir noch von einer forgfältigen,
erfchöpfenden Statiftik der fyntaktifchen Erfcheinungen,
die zum Vergleich herangezogen werden müffen, entfernt
find.
Halle a. S. C. Steuernagel.
Hauck, Geheimrat Prof. D.: ,Hat Jehls gelebt?' Vortrag,
gehalten am 4. Mai 1910 im Aud. max. der Universität
Leipzig. Sonderdruck aus den .Mitteilungen'.
Halle a. S. (1910). Berlin, Gefchäftsftelle der Deut-
fchen Christlichen Studenten-Vereinigung. (16 S.)
gr. 8° M. — 20
Beth, Prof. D. Dr. Karl: Hat Jefus gelebt? Eine Kritik
der Drews'fchen Chriftusmythe. Berlin, Boruffia,
G. m. b. H. (1910). (53 S.) gr. 8° M. 1 —
Meffert, D.Franz: Die gefchichtliche Exiftenz Chrilti. (Apo-
logetifche Tagesfragen, III. Heft. 5. bis 8., bedeutend
vermehrte Auflage.) M.-Gladbach, Volksvereins-Verlag
G. m. b. H. 1910. (190 S.) gr. 8° M. 1.80
Steudel, Paft. Fr.-. Wir Gelehrten vom Fach! Eine Streit-
fchrift gegen Profeffor D. von Soden's Hat Jefus gelebt
? Frankfurt a. M., Neuer Frankfurter Verlag 1910.
(95 S.) gr. 8° M. 1.20
Krieck, Ernst: Die neueste Orthodoxie und das Chriltus-
problem. Eine Rückantwort an Weinel, nebft einigen
Bemerkungen zu Jülicher, Bornemann, Beth und von
Soden. Jena, E. Diederichs 1910. (62 S.) gr. 8° M. 1 —
Dietze, Gymn.-Oberlehr. Dr. K. A.: Kritifche Bemerkungen
zur neuelten Auflage von A. Drews' .Chriltusmythe'. Bremen,
J. Storm 1910. (69 S.) gr. 8° M. 1.25
Steudel, Friedrich: Im Kampf um die Chriltusmythe. Eine
Auseinanderfetzung insbefondere mit J. Weiss, P. W.
Schmiedel, A. Harnack, Chwolfon. Jena, E. Diederichs
1910. (120 S.) 8° M. 1.50
Der Drews-Debatte zweites literarifches Stadium
fcheint im Zeichen der Duplik zu stehen: nicht mehr das
Material felbft wird beurteilt, fondern die Behandlung
des Materials, nicht um die Sachen geht der Streit mehr,
fondern um die Schriften; infolgedessen haben nicht mehr
die Probleme das Wort, fondern die Perfonen. Darum
kann ich diesmal von der in meinem ersten Referat
(Jahrgang 35, Nr. 18) durchgeführten Sonderung zwifchen
der Kritik der Probleme und der Kritik der einzelnen
Schriften abfehen und befpreche im Folgenden zunächst
— als eine Nachlefe zum ersten Referat — Schriften, die
zu den Problemen Stellung nehmen, um fodann die Reihe
der neueren Kampf- und Gegenfchriften durchzugehen.
Haucks Vortrag, gehalten im Auditorium maximum
der Universität Leipzig, beginnt mit einem Verhör der
christlichen und heidnifchen Zeugniffe vom Leben Jefu;
unter den jüdifchen wird neben dem Talmud auch das
Urteil des Juden in Justins Dialogus angeführt, als heid-
nifche werden neben Tacitus und Sueton auch die pom-
pejanifchen Infchriften genannt. Refultat: ,für den Historiker
steht die Tatfache, daß Jefus wirklich gelebt hat,
auf Grund der Überlieferungen über fein Leben völlig
fest (S. 9)'. Den Gegner freilich wird diefe Zeugenfchau
nicht irre machen. Vor allem ist das Paulus-Problem
nur in Kürze behandelt; die Verwunderung des Bibel-
lefers, ,daß Paulus nicht mehr von Jefus erzählt', wird als
,nicht am Platze' wohl etwas zu leicht genommen, das
auch vom Standpunkt des Forfchers aus berechtigte
Moment in diefer Verwunderung des Laien kaum hervorgehoben
, vor allem das große Problem der paulinifchen
Gnofis, in deffen Löfung die Antwort auf jene Laienfrage
liegt, garnicht berührt. Aber wenn ich ihn recht
verstehe, wollte Hauck auch nicht zum Gegner, fondern
zum Freunde reden; darum fügt er dem ersten Teil noch
einen andern hinzu, in dem er ,den Inhalt des religiöfen
Seins und Lebes Jefu zu umfchreiben verficht' und in
feinem meifterlichen Stil ein Bild von Jefu Verhältnis zu
Gott und zu den Menfchen zeichnet, die fchwerften
Probleme stellend und gerade darum mit wenig Worten
an das Innerlichste rührend.
Die Beth'fche Schrift gegen Drews behandelt in
ihrem ersten Teil nach einem Überblik über Drews' lite-
rarifche Vorgänger das Problem des fogenannten ,vorchristlichen
Jefus', in ihrem zweiten Teil das Zeugnis des
Paulus und der Profangefchichte, fowie die Frage des
Auferftehungsmythus. Beth will den Zuhörern in Drews'
Publikum, die ,nach Wahrheit' verlangen, ,die Möglichkeit
der Nachprüfung bieten' (S. 3). Dazu würde es m. E.
allerdings gehören, daß der Lefer des Bethfchen Heftes
mit allem Nachdruck vor die neuteftamentlichen und
religionsgefchichtlichen Probleme gestellt würde, in deren
unvollkommener Löfung der berechtigte Grund der ganzen
Debatte zu fuchen ist — das hat Beth, wenigstens fo weit
Paulus in Betracht kommt, unterlaffen. Zweitens wäre
der Überblick über das Material viel umfangreicher zu
gestalten, als es Beth getan hat. Freilich verfucht er mit
aller Vorficht eine Erklärung des Kyrios-Titels, indem
er christliche Miffionare fagen läßt: .Sehet euer Adonis
und mehr als er ist in Jefus wirklich da' (S. 44). Aber
eine Belehrung über Wefen und Stimmung des helle-
niflifchen Synkretismus, die den Unbewanderten einen
Blick auf die religionsgefchichtlichen Möglichkeiten
werfen ließe, erhält der Lefer nicht; der Autor befchränkt
fich vielmehr darauf, einzelne, aber immerhin wichtige
und allgemein intereffierende Punkte heraus zu greifen.
Aber abgefehen von diefem religionsgefchichtlichen
Eklektizismus, fordert das Buch durch feinen fchon in
der Vorbemerkung eingenommenen übervornehmen Standpunkt
, fowie durch den Ton, in dem der Gegner angegriffen
wird, zur Kritik heraus. Wer Drews Schuld gibt,
die Ableitung des Christentums von einem hiftonfehen
Stifter wäre ihm zu einfach, zu .hiftorifch' (S. 16), und
wer Drews dilettantifche, aber doch ernft gemeinte Konstruktionen
unkritifchen Lefern als ,eine geradezu erstaunliche
Bereicherung kindlicher Unterhaltungsliteratur' vorstellt
(S. 19), darf fich wenigstens nicht beklagen, wenn der
alfo herausgeforderte Gegner mit einem verstärkten Zuruf
antwortet.
Die Brofchüre des gerade in der proteftantifchen
Literatur fehr belefenen Katholiken Meffert bemüht
fich mit Erfolg, den Fehler mangelnder Sachlichkeit, zu
dem die Kürze populärer Darfteilung leicht verleitet, zu
vermeiden. Allerdings betrachtet der Verfaffer als feine
Aufgabe ausgefprochenermaßen die Apologie. Ein Eingehen
auf ungelöfte Probleme wird man unter diefem
Gesichtspunkt kaum erwarten; immerhin ift die Behandlung
der Gegner objektiver als man es nach dem Ausdruck
/Totgeburten' erwarten muß, mit dem der Verfaffer im
Vorwort die literarifchen Produkte der Gegenfeite —
charakteriftifcherweife übrigens auch Maurenbrechers
Schriften — belegt. Nach einem einleitenden Überblick
über ,Das Christusproblem in der Gegenwart' werden im
ersten Kapitel die Anfchauungen von Bruno Bauer, Kalthoff
, Promus, Kautsky und Maurenbrecher gefchildert
und .widerlegt'. Befremdlich wirkt, daß die religions-