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Ausgabe:

1911 Nr. 3

Spalte:

84-85

Autor/Hrsg.:

Bauer, Johannes

Titel/Untertitel:

Des Staatsministers Grafen Alexander Dohna Stellung zur Union und Agende 1816-1827 1911

Rezensent:

Tschackert, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 3.

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litifchen Ereigniffe wie der flandrifche Krieg und
die perfönlichen Intereffen namentlich Ludwigs X. ein;
und gern folgt man dem Verfaffer, der den Wirrwarr zu
klären fich mühte. Unleugbar mit gutem Erfolg, auch
in gewandter Darftellung, in der freilich die Stilblüte
unangenehm auffiel: ,Die Provinzen der Nordgrenze,
Flandern und Pikardie, waren immer noch eine kaum
verharfchte Wunde am Leibe Frankreichs' (S. 35), ein
Satz, den man als ,den morfchen Pfahl im Körper der
Darftellung Afals' leicht traveftieren könnte. Vermißt
haben wir zweierlei, ein Perfonenregifter und ein Verzeichnis
der benutzten Literatur. Jenes hätte bei dem
nicht allzu erheblichen Umfang der Schrift ihrem Verfaffer
keinerlei Schwierigkeiten bereitet, wäre aber dem
Lefer namentlich um des in den Anmerkungen zer-
ftreuten Materials willen recht willkommen gewefen, wie
denn A. in ihnen zahlreiche Perfonalnotizen untergebracht
hat, mit Recht beftrebt, den Text felbft zu
entlaflen. Das Bücherverzeichnis fodann war um fo notwendiger
, als A. eine Vorliebe für ftarke Titelabkürzungen
an den Tag legt, die nicht feiten fchwer auflösbar er-
fcheinen, und als fernerhin die große Zerfplitterung der
Quellenveröffentlichungen es ihm hätte zur Pflicht machen
follen, an feine Lefer zu denken, die ein Autor fich flets
als uneingeweiht in die Geheimniffe der Zunft vorftellen
follte. Je mehr unfere Spezialliteratur zu einer bald un-
überfehbaren Maffe anfchwillt, um fo mehr muffen gerade
Anfänger ihren Erftlingsarbeiten derartige Überfichten
beifügen, deren peinlichfte Sorgfalt, felbft Umftändlich-
keit niemand tadeln, jeder gern begrüßen wird, genau
wie den Bearbeitern der ,Kirchenrechtlichen Abhandlungen
' von U. Stutz Sachregister und Literaturverzeichnis
zur Pflicht gemacht werden, ohne die — wenigstens
regelmäßig — jene Hefte nicht veröffentlicht werden
dürfen. Ohne Scheu fei bekannt, daß wir Wert darauf
legen, diefe unfere Wünfche allen den zahlreichen Gelehrten
zu unterbreiten, die in ,Beiträgen', Abhandlungen
', ,Unterfuchungen' u. a. m. den Arbeiten ihrer
Schüler ein freundliches Unterkommen zu gewähren geneigt
find.

Königsberg i. Pr. A. Werminghoff.

Wappler, Prof. Dr. Paul: Die Stellung Kurlachlens und
des Landgrafen Philipp von Hellen zur Täuferbewegung.

(Reformationsgefchichtliche Studien und Texte 13.
u. 14. Heft.) Münfier i. W., Afchendorff 1910. (XII,
254 S.) gr. 8° M. 6.80

Verfaffer befchäftigt fich fchon länger mit der Erforschung
der wiedertäuferifchen Bewegung in Thüringen.
Phnen Teil des Ertrages feiner mühfamen Studien bietet
die vorliegende Arbeit, welche die Stellung Heffens und
Sachfens in diefer Frage behandelt. Auf Grund eines
umfangreichen Aktenmaterials, das dankenswerter Weife
meift zum Abdrucke gebracht worden ift, hebt er bestimmt
die verfchiedenartige Haltung des Landgrafen
und der fächfifchen Fürften hervor, die ihrerfeits wiederum
auf ihre Theologen fich vor allem Stützten.

Wir müffen für Solche Arbeiten dankbar fein. Je
mehr die Gefchichte der Täufer, die meift noch fehr im
Argen liegt, in den einzelnen Territorien aufgehellt wird,
defto mehr können wir die treibenden Kräfte, die ihr
Wachstum und ihre Ausbreitung bedingten, verstehen,
defto mehr können wir auch die Zufammenhänge zwifchen
den einzelnen Haufen und Führern verfolgen. Denn
Leute wie Hütt oder Eucharius Schreiner wanderten ja
durch einen großen Teil Deutfchlands und fanden überall
Anhänger in Maffe. Ich hoffe, das ich Zeit finde, auf
Grund der im Nürnberger Kreisarchiv befindlichen Akten
die weite Verbreitung der Bewegung in Brandenburg-
Ansbach zu Schildern; von Nürnberg aus wanderten ja
Sendboten über Sendboten nach allen Seiten.

Diefe Arbeit muß aber noch in einen andern Zusammenhang
gebracht werden. Der Vei faffer bemüht Sich feit längerem
nachzuweifen, daß die Reformatoren mit Unrecht
als die Väter der Glaubens- und Gewiffensfreiheit betrachtet
würden. Manchen Widerfpruch hat er erfahren,
fo von Hermelink, Hunzinger u. a. Die vorliegende Studie
foll ihm zur Rechtfertigung feiner Behauptung dienen.
Dadurch bekommen die Ausführungen den Charakter einer
gewiffen Tendenz. Daß darin Gefahren liegen, ilt klar.
Man kann fich des Eindruckes nun auch nicht verwehren,
daß es dem Verfaffer nicht immer gelungen ift, fie zu
umgehen. Wohl befleht zwifchen Wittenberg und Philipp
eine Verschiedenheit in der Beurteilung der Täufer; ift
fie aber eine prinzipielle oder vielleicht nur eine graduelle?
Wie hätte fich Philipp verhalten, wenn feine Bekehrungs-
verfuche umfonft gewefen wären?

Durch die vorliegende Arbeit ift zur Beantwortung
des angedeuteten Problems viel Schätzbares Material
beigebracht worden und die Forfchung muß fich mit
demfelben eingehend befchäftigen. Aber eine Löfung
desfelben ift noch nicht gelungen. Auf einzelne Aus-
fagen hin die Anfchauungsweife eines Mannes zu bestimmen
, ift immer fehr fchwierig; bei einer impulfiven
Natur wie Luther gilt es doppelt behutfam zu fein und
genau Zeit und Umftände in Betracht zu ziehen.

Wappler Stützt fich u. a. auch auf die Unterfchrift
Luthers zu einem Gutachten Melanchthons C. R. IV, 737fr.,
das er mit Recht ins Jahr 1531 einreiht. Gerade da dürfte
die Erklärung Hermelinks dem pfychologifchen Moment
beffer entfprechen.

Soll die angedeutete Frage richtig gelöft werden,
fo gilt es, wie es Hermelink fchon einmal in aller Kürze
verbucht hat (f. Schriften des Vereins für Reformations-
gefchichte Nr. 98), die Grundanfchauungen der Reformatoren
aus ihren Schriften und Reden herauszufallen.
Dann erft werden fich die mannigfachen Widerfprüche
in ihrem Verhalten aufhellen laffen. Die Wiflenfchaft
muß aber dem Verfaffer fchon deswegen dankbar fein,
weil er fie mit allem Nachdruck an eine wichtige Aufgabe
erinnert hat.

Alfeld bei Hersbruck. Schornbaum.

Bauer, Prof. D. Johannes: Des Staatsminilters Grafen
Alexander Dohna Stellung zu Union und Agende 1816—1827.

(Schriften der Synodalkommiffion für oftpreußifche
Kirchengefchichte. Heft 8.) Königsberg i. Pr., F. Beyer
1910. (49 S.) gr. 8° M. — 80

Aus dem Freundeskreife Schleiermachers ift Graf
Alexander zu Dohna auf Schlobitten in Ofipreußen uns
bereits bekannt; beide ftanden in Briefwechfel miteinander
von 1791 bis 1831; leider find uns nur Schleiermachers
Briefe an den Grafen (hrsg. v. J. L. Jacobi, Halle 1887)
bekannt, während die des Grafen als verloren gelten.
Daß nun gerade die Stellung diefes Mannes zu Union
und Agende 1817 bis 1827 hier zum Gegenftande einer
befonderen Abhandlung gemacht wird, hat feinen guten
Grund in dem Umftände, daß der Graf auch in diefen
beiden damals höchft akuten Angelegenheiten der preu-
ßifchen Kirche diefelbe Stellung einnahm wie Schleiermacher
. Die Grundgedanken, die er fchriftlich entwickelt,
gewinnen fo eine Bedeutung, die weit über die oftpreußi-
fchen Verhältniffe hinausragt. Veranlaßt wurde der Graf
zu feinen Äußerungen als Mitglied des Kollegiums der
Königsberger reformierten Burgkirchengemeinde. Er urteilt
alfo über Union und Agende als charaktervoller
Chrift, und gerade, daß er als Laie fein Votum abgibt,
macht feine Äußerungen noch befonders wertvoll. Seine
Stellungnahme ift kurz folgende. Er will fich die Union,
wenn fie fich von innen heraus, aus Glaube und Liebe,
entwickelt, wohl gefallen laffen. Dagegen beftreitet er
(ganz wie Schleiermacher) dem Könige das Recht, den