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Ausgabe: | 1911 |
Spalte: | 82-83 |
Autor/Hrsg.: | Asal, Josef |
Titel/Untertitel: | Die Wahl Johanns XXII. Ein Beitrag zur Geschichte des avignonesischen Papsttums 1911 |
Rezensent: | Werminghoff, Albert |
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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 3. 82
in Angriff genommen hat: er unterluchtnichr dieeinzelnen
Schriften in ihren verfchiedenen gedruckten Uberlieferungsformen
, fondern verwertetdasganzeerreichbarehandfchrift-
liche Material in griechifcher, lateinifcher, fyrifcher, kop-
' tifcher, arabifcher und äthiopifcher Sprache um die
Gefchichte der kanoniftifchen Sammlungen aufzurollen
und auf diefer Grundlage die Zufammenhänge zwifchen
den einzelnen Schriften aufzuhellen. Das Refultat läßt
fich etwa fo formulieren: Die ältefte uns bekannte Sammlung
ift die lateinifche des von Hauler edierten Vero-
nensis: beflehend aus Didaskalie, apofl. Kirchenordnung,
fog. ,ägypt.'KO. Die klaflifche alles andere verdrängende
Sammlung der griechifchen Kirche find die Conft. Apoft.
geworden, eine im IV. Jh. hergeftellte überarbeitende
Compilation faft der gleichen Quellen: der Didaskalie
(für Buch 1—6), der Didache (B. 7) und der fog. ,ägyp-
tifchen' KO (B. 8). Um 380 find unter Benutzung der
Conft. Apoft. in Nachbildung von Synodalcanones die
Canones Apoftolorum entftanden, welche uns fländig in
den griechifchen Kanonesfammlungen begegnen: von
diefen kennen wir (in zahlreichen Handfchriften) nur drei
im VI. Jh. angelegte. Eine in 50 Titloi, eine in 14 Titloi,
und eine Neubearbeitung der 50-Titloi-Sammlung, die
unter anderem einen Paralleltext zu Conft. Apoft. VIII
enthält Die älteften lateinifchen und fyrifchen Kanonesfammlungen
kennen den Paralleltext noch nicht, feit dem
VI. Jh. erfcheint er im Syrifchen in verkürzter Geftalt,
auch hier im Gefolge der Can. Apoft. In den griech.
Kanonesfammlungen begegnet der Paralleltext oft verändert
oder erweitert, fo im Vindob. hift. gr. 7 durch
die apoftolifche Kirchenordnung. In Ägypten entftand
die fahidifche Sammlung, beftehend aus Can. Apoft.,
apoft. Kirchenordnung, .ägypt.' KO, Paralleltext, daneben
die nur in arabifcher und äthiopifcher Afterüberfetzung
erhaltene Sammlung der ,127 Kanones der Apoftel': fie
umfaßt die apoft. Kirchenordnung, ,ägypt.' KO, Paralleltext
, Can. Apoft. Der ,fyrifche Oktateuch' hat an Stelle
der KO das Teftamentum domini noftri, d. h. eine Überarbeitung
der KO in Verbindung mit einer Apokalypfe
gefetzt, der ,arabifche Oktateuch' dazu wieder die K. O.
im üblichen Text gefügt. Die arabifchen ,Canones
Hippolyti' find eine dem Teft. domini parallele Überarbeitung
der KO. Kapitel II weift nach, daß Can. Apoft.
47- 49. 50, die fich mit der Taufe befchäftigen, ein alte
Interpolation darfteilen, und daß diefer Interpolator, der
Verf. der Can. Apoft., der Verf. der Conft. Apoft. und der
Interpolator der ignatianifchen Briefe vier verfchiedene,
aber demfelben theologifchen Kreife angehörende Männer
der zweiten Hälfte des IV. Jh. find: ihre Tendenz war Verteidigung
der Hierarchie gegen die Anfprüche des aufblühenden
Mönchtums. Kapitel III kehrt zum ,Paralleltext'
zurück. Er ift im wefentlichen nichts anderes als eine
Epitome von Conft. apoft. VIII, alfo foweit ohne felbftän-
digen Wert. Aber er hat erweiternde Zufätze aus älteren
Quellen erhalten, vor allem ift das Ordinationsgebet für
den Bifchof wörtlich aus KO entnommen: und gerade der
Abfchnitt, welcher diefe Entlehnung enthält, ift in den
Hff. des Paralleltextes als öiarditii; rcöv ay'uov djtoöro-
Xmv jteqI xuQoxovimv öict 'ijtJtoXvrov bezeichnet. Das
nimmt Schw. als urkundliches Zeugnis für die in verfchiedenen
Modifikationen öfter geäußerte, von ihm mit
weiteren Argumenten geftützte Vermutung, die fog.
,ägyptifche' KO fei .nichts anderes als Hippolyts 'Ajio-
OzoXixf] xaQaöoöLC, hier und da durch Interpolationen
etwas entftellt, aber doch im wefentlichen unverfehrt,
befonders da, wo der Lateiner vorliegt'. Diefe Schrift
ift dann Quelle für Conft-Ap. VIII geworden.
lena. Hans Lietzmann.
Afal, Dr. Jofef: Die Wahl Johanns XXII. Ein Beitrag zur
Gefchichte des avignonefifchen Papfttums (Abhandlungen
zur mittleren und neueren Gefchichte. Herausgegeben
von G. v. Below, H. Finke, F. Meinecke.
Heft 20). Berlin und Leipzig, Dr. W. Rothfchild 1910.
(82 S.) gr. 8° M. 3 —
Die Gefchichte des Papfttums im fpäteren Mittelalter
kennt mehrere Interpontifizien von ungewöhnlich
langer Dauer, fo das zwifchen dem Tode Clemens' IV.
(1265—1268) und der Wahl Gregors X. (1271 —1276),
das nach dem Tode Nicolaus' IV. (1288—1292) bis zur
Wahl Coelestins V. (1294), endlich das nach dem Tode
Clemens V. (1305—1314) bis zur Wahl Johanns XXII.
[11,16—1334), ein jedes über mehr denn zwei Jahre fich
erftreckend1. Der Gefchichte der letzterwähnten Sedis-
vakanz gilt die vorliegende Schrift, um es gleich zu fagen,
die einfichUvolle Schilderung einer bewegten Zeitfpanne,
der die große Sammlung von H.Finke's Acta Aragonensia
reiches Material zu Einzelfeftftellungen und zu Berichtigungen
herkömmlicher Anflehten geliefert hat.
Clemens V. war am 20. April 1314 geftorben. Schon
im folgenden Monat bezogen die Kardinäle zu Carpentras
das Konklave, diefes aber wurde nach etwas mehr denn
zwei Monaten durch Bertrand de Got gefprengt. Drei
Parteien, die der Italiener, Gascogner und Franzofen,
hatten fich in ihm bekämpft; jetzt fie zu einigen auch
nur über die Vorfrage nach dem Ort des neuen Konklave
wurde bald um fo fchwieriger, als König Philipp IV.
der Schöne von Frankreich am 29. November 1314 Harb.
Die Spaltung überdauerte die Regierung feinesNachfolgers
Ludwigs X. (f 5. Juni 1316), dem eine Eheangelegenheit
energifche Maßnahmen zu ergreifen verwehrte, wenn es
ihm auch gelang, die Kardinäle in Lyon zu vereinen.
Erft dem Regenten Philipp (nach dem Tode des nur vier
Tage alt gewordenen Johann I., f 19. November 1316,
feit dem 6. Januar 1317, als Philipp V. gekrönter König),
der wegen feiner unbeftimmten Stellung im Staate —
Johann I. wurde erft nach dem Tode feines Vaters
geboren — fich mit feinen Rivalen auseinanderzufetzen
hatte, erft dem letzten Capetinger alfo glückte es,
die leidige Angelegenheit der Papftwahl aus der Welt
zu fchaffen. Äm 29. Juni 1316 wurden die Kardinäle
im Dominikanerklofter zu Lyon eingefchloffen; Einwirkungen
von Seiten Philipps und des Ängiovinen Robert von
Neapel blieben nicht aus, nach der Sprengung jedoch
der italienifchen Partei im Kollegium erfolgte am 7. Au-
guft 1316 die Wahl des Jakob Dueze, der als Johann XXII.
am 5. September 1316 in Lyon gekrönt wurde. Am
1. Oktober 1316 zog er in Avignon ein, um es bis zu
feinem Tode am 4. Dezember 1334 nicht mehr zu ver-
laffen.
Natürlich konnte unfere Inhaltsangabe nurdiewefent-
lichften Fäden im vielverfchlungenen diplomatifchen Spiel
jener Jahre aufdecken. Jedenfalls aber hat der Verfaffer es
verftanden, die ganze Vielgeftaltigkeit eines Getriebes
klarzulegen, deffen Unraft feltfam genug abfticht von dem
tiefen Ernft in Dantes bekanntem Briefe an die Kardinäle
. Unter diefen fehlte der felbftändige Kopf, und
auch in Napoleon Orfini kann man ihn kaum finden.
Hin und her gehen die Aktionen, die Einwirkungen von
außen, fei es von Frankreich oder Neapel, fei es von
Aragonien oder England — nur das feit der Doppelwahl
des 19. und 20. Oktober 1314 gefpaltene Deutfch-
land ift nicht vertreten —, endlich greifen die po-
1) Die genaueren Angaben finden fich bei Prinz Z. V. Lobkowitz,
Statiftik der Päpfte (Freiburg i. Br. 1905), S. 34fr.: das erde dauerte 2
Jahre, 9 Monate, 2 Tage; das zweite 2 Jahre, 3 Monate, I Tag; das
dritte 2 Jahre, 3 Monate, 17 Tage (fo, wenn Clemens V., wofür Afal S. 3
eintritt, am 20., nicht am 14. April 1314 geftorben ift). Die Zahlen ver-
fchieben fich noch etwas, rechnet man die Sedisvakanz vom Todestage
des einen bis zur Konfekration oder Krönung des nächflfolgenden Papfles.