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Ausgabe:

1911 Nr. 3

Spalte:

74

Autor/Hrsg.:

Eberhard, Otto

Titel/Untertitel:

Einst und jetzt im heiligen Lande 1911

Rezensent:

Gressmann, Hugo

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73

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 3.

74

Schließlich bietet S. in lofem Anfchluß noch Ab-
fchnitte einerfeits über Hingabe an Gott, Zeremonien,
Falten, Wallfahrt nach Mekka, deren Bedeutung für den
Panislamismus er eingehend beleuchtet, anderefeits über
Vorbereitung auf das Jenfeits, Totenmahlzeiten, ani-
miftifche und islamifche verdienftliche Werke in ihrer
fittlichen Entwertung, ferner über die Lehrer als Schützer
im Jenfeits, fchließlich über Myfiik des Animismus und
Islam: ,Myftik und Magie gehen in einander über. Ift
Gott wirklich Vater alles Zaubers, dann ift nichts
wichtiger als möghchft enger Anfchluß an ihn, damit
möglichft viel Kiäfte auf den Gläubigen überftrömen'
(S. 215). Grade die innerliche Gebetslofigkeit des Islam
begünftigt das Eindringen der Myftik; genaue Befolgung
der äußeren Vorfchriften erzeugt nie das Bewußtfein
der erwünfchten Gottesgemeinfchaft.

Nach allem, namentlich auch nach dem, was S. über
die ,formale Dreffur' des Islam durch Zeremonien ausführt
(S. 183), kann ich (trotz der Ausführungen S. 317
bis 325: Islam keine Vorbereitungsftufe, fondern er-
fchwert die Annahme des Chriftentums) nicht die Frage
unterdrücken, ob nicht, gleichwie der Rufte beflerer
Kulturträger ift als der feiner gebildete Engländer, vorläufig
doch der Islam ein wenigftens nicht zu unter-
fchätzender Erzieher ift im Gegenfatz zu dem weit höher
flehenden Chriftentum

die Aufgabe erfpart bleiben, in wirklicher Empirie das
pfychologifche Wefen beider Weltreligionen herauszuarbeiten
. Dazu dürfte fleh aber befonders das ,ewige
Leben' des Chriftentums eignen, das S. in der Reihenfolge
des dritten Unterteils infofern behandelt, als er aus
Bekehrung ufw. das ,neue Leben' in Gott ableitet. Grade
weil hier fichtlich die Tendenz auf pfychologifche Funda-
mentierung fich bekundet, liegt die Frage nahe, ob
nicht dem jenfeitigen Leben des Islam das empirifche
Neuleben als Zentrum des Chriften gegenüberzuftellen
ift, dem dann in entwicklungsmäßiger Abfolge das
Geiftesleben höherer Qualität auch im Jenfeits verftänd-
hch wird.

Alt-Jeffnitz. G. Vorbrodt.

Eberhard, Paft. O.: Einlt und Jetzt im heiligen Lande.

Streiflichter zur biblifchen Gefchichte aus der Gegenwart
des heiligen Landes. (Für Gottes Wort und
Luthers Lehr! Reihe II, Heft 10.) Gütersloh, C. Bertelsmann
1909. (96 S.) gr. 8° M. -80

Im Schlußwort erklärt der Verfaffer, fein Büchlein
ruhe trotz feines lofen Gewandes auf der Grundlage
ernfter wiffenfehaftlicher Studien' (S. 93). Das ift in der
Tat der Fall, fo daß man von einer Bereicherung unferer
, archäologifchen Kenntniffe Paläftinas reden kann. Eber-
n^r^weire'Hauptteil: Sittlich-religiöfer Zuftand des i hard hat nicht nur felbft gut beobachtet auf feinen Reifen

Uer ZW ein. __.UHU Ai^C^Ue. Kall*» trnn Klein- I

Heid^nmohämmedaners enthält diefelbe Fülle von Klein- mJ """V gut "«"»«»«i «ui lernen Renen
mtlcr^ ^^ek dem Religionspfychologen zur felb- <m Lande, fondern auch aus der modernen Literatur ge-
ftSd gen Nachprüfung notwendig K S. behandelt hier- ^ .u"d uberall Verbindungsfaden aus der Gegenwart
bei den Animismus, in deffen Umklammerung der «m Aiten und Neuen Teftamente gezogen. Es fehlen
Tslam" eerät 2 den Fanatismus, diefe bei Indonefiern die Übertreibungen| und erbaulichen Redewendungen, die
auffallende Erfcheinung, die nur durch die panislamifche ?"ft.hauJ?e d[e Paläftinaberichte verunftalten. Auch der
Hoffnung erklart wird, 3. die fttthehe Kraft, bez. Ohn- ; btl1 des Lagebuches ift bis auf einige Refte, deren Ausmacht
des Islam, für die die Verantwortlichkeit auf die m™™*g bei einer Neuautlage wünfehenswert wäre, ver-

z. B. in bedenklichem Maße an Syphilis leidenden Lehrer
abgefchoben oder infolge des Determinismus garnicht
empfunden wird, 4. Islam und die fittlichen Notftände
des Heidentums, die nur äußerlich, teilweife und unter
innerer Zwiefpältigkeit der Gebote gehoben werden, 5.
Islam und Volkstum, welch letzteres nivelliert wird durch
den erfteren; diefer felbft erweift fich als kulturfeindlich
in verdummendem und bevormundendem Unterricht
fowie in feiner durch den Jenfeitsgedanken erfchlafften
Lebenspraxis; anftclle der unmenlchlichen Graufam-
keiten des Heidentums tritt religiöfer Haß gegen
Andersgläubige. Im Mittelpunkt diefes Abfchnitts fteht
äußerlich wie innerlich, daß dem Islam jedes fittliche
Ideal abgeht; feine Religiofität verflacht in dürftigftem
fittlich indifferentem Zeremoniendienft: Religion und
Moral liegen in verfchiedenen Ebenen (S. 237).

Der dritte Hauptteil: Übeitritt des Mohammedaners
zum Chriftentum zeigt 1. die ablehnende Haltung der
Mohammedaner, weil der Chrift als irreligiös, unrein, rück-
ftändig und mit feiner Trinitätslehre und Bilderanbetung
als anftößig gilt, 2. die Erfchütterung des moham-
medanifchen Glaubens, zu der chriftliche Glaubensgewißheit
, fittlicher Glaubenskampf der Heiligung, die
Schlichtheit, Reinheit und Sicherheit der Bibel fowie ins-
befondere die Macht der Liebe den Anftoß geben;
auch chriftliche Unterweifung fowie kirchliche Ge-
meinfehaft werden hiebet erwähnt. Schließlich bringt
der dritte u. vierte Unterteil eine doch wohl noch zu dog-
matifche Erörterung des Sieges des Evangeliums und
.neuen Lebens'. Wenn hierbei Islam und Chriftentum
konfrontiert werden, fo follfe das Suchen des gemein-
famen Nenners Anftoß geben, für das Chriftentum die
pfychologifche Anknüpfung an den Islam zu bieten. So
hoch das Chriftentum pfychobiologifch fteht, der Miffions-
praxis fowie der profanen und theologifchen Wiffen-
fchaft durfte angefichts der Verhandlungen auf der
Weltmiffionskonferenz in Edinburg mit ihren großen
Hoffnungen grade auf Deutfchland, auf die Dauer nicht

mieden worden. Über manche Dinge, die man in den
üblichen Lehrbüchern vergeblich fucht, erhält man hier
willkommenen Auffchluß, z. B. über Durra (S. 8), Frühfeigen
(S. 84), Grabfteine (S. 40ff.), Pfckfteine (S. 27),
Namen (S. 89f.), Zelte (S. 66), Zifternen (S. 76), Hochzeitsgebräuche
(S. 30), Tänze (S. 33), Trauerfitten (S. 38),
die Wüfte (S. 68), das Waffer (S. 74), Aberglaube (S. 22) ufw.
Einige Stellen des Alten und Neuen Tellamentes werden
in intereffanter Weife archäologifch beleuchtet, z. B. das
Wort von der .engen Pforte' (S. 24), die Erzählung von
dem Gichtbrüchigen, der durch das Dach des Haufes
gelaffen wird (S. 26), die Schilderung von der Ankunft
des Bräutigams (S. 32), das Wort ,Stehe auf, nimm dein
Bett und gehe heim' (S. 65), die Verheißung, daß ,ein
jeder unter feinem Weinftock und feinem Feigenbaum
fitzen wird' (S. 87) ufw. In einzelnen Fällen wird man
freilich gegen die herangezogenen Analogien Bedenken
hegen. Ob Ifebel wirklich, als fie dem Jehu in vollem
Schmuck entgegentrat, ihm gefallen wollte? (S. 21) Ob
das Wort Jef. 49,15h'- .Ich will deiner nicht vergeffen,
flehe, auf die Hände habe ich dich gezeichnet', wirklich
mit Tätowierungen zu vergleichen ift? (S. 21) Eher darf
man wohl an die Sklavenmale denken, die auf die Handflächen
gebrannt wurden. Schwerlich beweift I Sam. 6, 12
etwas für gebahnte Straßen (S. 51). Aber diefe und
andere ITagezeichen follen den Dank für die dargebotene
Gabe nicht fchmälern. Auch wo man widerfprechen
muß, kann man lernen.

Berlin-Weftend. Hugo Greßmann.

Prockfch, Prof. Dr. O.: Studien zur Geschichte der Septua-
ginta. Die Propheten. (Beiträge zur Wiffenfchaft vom
Alten Teftament. Herausgegeben von R.Kittel. Heft 7.)
Leipzig, J.C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1910. (135 S.)
gr. 8° M. 4 —; geb. M. 5 —

Prockfch' Studien über den Text der Septuaginta-

Propheten, die er dem kürzlich verftorbenen Giefebrecht