Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1911

Spalte:

65-67

Autor/Hrsg.:

Mehlis, Georg (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur. I. Bd. 1910. 2. Heft 1911

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur TitiUS und Oberlehrer Hermann Schuster

Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich 9 Mark

_ _ _ _ Manufkripte und eelehrte Mitteilungen find ausfchließlich an

36. Jahrg. Nr 3 Profeffor D. Titius in Göttingen, Friedländer Weg 26, zu fenden. 4. FeDniar

Ö *»•«•■«-» Reiennonsexempiare ausfchließlich an den Verlag.

Logos. Internationale Zeitfchrift für Philofophie

der Kultur. Bd. I, Heft 2 (E. W. Mayer).
Ehrenreich, Die allgemeine Mythologie und

ihre ethnologifchen Grundlagen (Mythologifche

Bibliothek IV, 1) (Steinmann).
Wehermarck, Urfprung und Entwicklung der

Moralbegriffe (Titius).
Simon, Islam und Chriffentum im Kampf um

die Eroberung der auimiffifchen Heidenwelt

(G. Vorbrodt).
Eberhard, Einft und Jetzt im heiligen Lande

(Greßmann).
Prockfch, Studien zur Gefchichte der Septua-

ginta. Die Propheten (Beiträge zur Wiffen-

fchaft vom A. T. 7.) (Nowack).
Lagrange, Le Messianisme chez les Juifs

(Bouffet).

Frey, Der flavifche Jofephusbericht über die

urchriffliche Gefchichte nebft feinen Parallelen

(Hoennicke).
Clement de Rome, Epitre aux Corinthiens

(W. Bauer).
Bardenhewer, Patrologie (Krüger).
Raufchen, Grundriß der Patrologie mit befon-

derer Berückfichtigung der Dogmengefchichte
Derf.).

deQßoq, Xpi<JTiavix>) rQttfXLiaToXoyla (Derf.).

Schwartz, Über die pfeudoapoftolifchen Kirchenordnungen
(Lietzmann).

Afal, Die Wahl Johanns XXII (Abhandlungen
z. mittl. u. neueren Gefch. 20) (Werminghoff).

Wappler, Die Stellung Kurfachfens und des
Landgrafen Philipp von Heffen zur Täufer,
bewegung (Schornbaum).

Bauer, Des Staatsminiffers Grafen Alexander
Dohna Stellung zu Union und Agende 1818—
1827 (Tfchackert).

Vinet, Discours sur quelques sujets religieux
(Lobftein).

Clemen, Quellenbuch zur praktifchen Theologie
I—III. (Drews).

Keppler, Homiletifche Gedanken und Rat-
fchläge (E. Chr. Achelis).

Mitteilungen: (9) Die Jahresverfammlung der
amerikanifchen Society of biblical Literature.
(10) Amerikanifche Ausgrabungen in Sebaftije-
Samaria.

Zur Frage des Panhabylonismus. Erklärungen

von A. Jeremias und H. Greßmann.
Wichtige Rezenftonen. — Neue de Literatur.

Logos. Internationale Zeitfchrift für Philofophie der Kultur
. Herausgegeben von Georg Mehlis. Band I.
1910. Heft 2. Tübingen, J. C. B. Mohr. (VIII und
S. 165—2S8) gr. 8° (Je) M. 4— j

Auch das vorliegende zweite Heft diefer Zeitfchrift
zeichnet fich durch reichen und gediegenen Inhalt aus.
Wenn es hier genügen muß, einzelne Beiträge nur zu
nennen wie etwa den von Varisco (Das Subjekt und die
Wirklichkeit) oder von Joel (Gefahren modernen Denkens
) oder von Simmel (Michelangelo, ein Kapitel zur
Metaphyfik der Kultur), fo erfordern doch wenigftens
zwei Auffätze eine, feis gleich noch fo kurze, Befprechung.

Troeltfch behandelt ,Die Zukunftsmöglichkeiten des
Chriftentums', das heißt, fpeziell eines ,freien' Chriften-
tums, für das zwei Merkmale charakteriftifch feien: einmal
, daß es ,die kirchlich-autoritative Bindung durch eine
aus der Kraft des überlieferten Gemeingeiftes fich frei
und individuell bildende Innerlichkeit' erfetze, und dann
daß es ,die alte chriflliche Grundidee einer wunderbaren
Heilung der durch die Sünde tödlich infizierten Menfch-
heit in den Gedanken einer erlöfenden Erhebung und
Befreiung der Perfönlichkeit durch Gewinnung eines
höheren Perfonenlebens aus Gott' verwandle. Er fuhrt
die Gefahren, die der Zukunft folchen Chriftentums und
damit feiner Anlicht nach des Chriftentums im allgemeinen
drohen, auf vier zurück: i. den ,Zufammenftoß des isra-
elitifch-chriftlichen Theismus und Perfonalismus mit dem
modernen Monismus und Antiperfonalismus'; 2. ,die Er-
fchwerung der Feftknüpfiing der chriftlichen Lebenswelt
an die Verehrung der Perfon Jefu, deren Verehrung als
erhöhender und erlöfender Gottesoffenbarung doch das
alleinige Band einer fpezififch-chriftlichen Gemeinfchaft
ift'; 3. ,die Erfchwerung der chriftlichen Wiedergeburtsund
Liebesmoral von der modernen Diesfeitigkeit her
und im Verhältnis zu den unentbehrlichen, den Kampf
ums Däfern regelnden Tugenden der Tapferkeit und Gerechtigkeit
'; 4. ,die Verflüchtigung jedes gemeinfamen
Kultus durch den fich auf fich felblt verfteifenden unendlich
zerfplitterten religiöfen Individualismus der Gegenwart
'. Diefe vier Hauptgefahren für die Zukunft des
Chriftentums werden befprochen, und zwar mit dem Ergebnis
, daß fie nicht unüberwindlich feien. — Der Auf-

65

fatz ift in hohem Maße geiftreich, feffelnd und anregend.
Der Unterzeichnete kann auch in vielem durchaus zu-
ftimmen, was er um fo lieber ausfpricht, als das fonft für
ihn Troeltfch gegenüber nicht immer möglich ift. Freilich
auch diesmal fehlt es nicht an einzelnen Bedenken.
So beifpielsweife, um nur eins anzuführen, in bezug auf
die Beurteilung der Perfon Jefu. Es ift doch eine fchier
unerfüllbare Zumutung, in einem und demlelben Bewußtfein
zugleich einen naiven Glauben an eine abfolute Bedeutung
der Perfon Jefu und einen fozufagen reflektierten
an eine nur relative Bedeutung derfelben zu vereinigen.
Gewiß, ,der Gedanke', ,die ganze Menfchheit in Jefus
gipfeln zu laffen und durch die in Jefus erfchienenen re-
ligiöfen Kräfte die gefamte Menfchheit fchließlich erobern
zu laffen', ift nicht leicht ,völlziehbar'. Aber auch der
Gedanke ift felbft dem Nichtchriften fchwer vollziehbar,
daß es eine Gottesvorftellung mit höherem ethifchen Gehalt,
alfo überhaupt eine höhere, je geben folle, als die in
Jefus voll erfchloffene Vorftellung eines Gottes der Liebe.
Und wenn alle uns bekannten Religionen fich begreifen
laffen als ein mehr oder weniger bedingtes Vertrauen
zur Weltordnung, fo ift wiederum der Gedanke nicht leicht
vollziehbar, daß es ein höheres als das in Jefus erfchloffene
unbedingte Vertrauen zur Gottheit je geben folle. Womit
zugleich zum Ausdruck gebracht ift, daß die Abfo-
lutheit des Chriftentums den relativen Wert anderer Religionen
nicht ausfchließt.

Windelband ftellt in feinem mit Meifterhand gefchrie-
benen, auch für den Theologen hochintereffanten Auffatz
,Kulturphilofophie und transzendentaler Idealismus' der
Kulturphilofophie die Aufgabe, die apriorifchen, im individuellen
Bewußtfein als ,Normen' auftretenden Vernunftprinzipien
der drei großen Kulturgebilde ,Wiffen-
fchaft, Lebensordnung, Kunft' herauszuarbeiten. Dagegen
lehnt er eine ähnliche Unterfuchung in bezug auf die
Religion ab. Denn diefe fei nicht etwas den übrigen
Kulturerfcheinungen koordiniertes. Sie nimmt eine Stellung
für fich ein, und der »einzige Vernunftgrund, der ihr
felbftändig eigen ift, befteht in dem Poftulat, die Totalität
aller Vernunftwerte in einer abfoluten Einheit zu erleben
, die von keiner der Formen unteres Bewußtfeins
erfaßt werden kann'. Ref. ift da mit dem Autor in der
Negation gänzlich einverftanden, vielleicht auch bis zu

66