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Ausgabe:

1911 Nr. 25

Spalte:

794-795

Autor/Hrsg.:

Beste, Johannes

Titel/Untertitel:

Die rechtliche Stellung unserer Braunschweigischen Landeskirche nach ihrer geschichtlichen Entwickelung und gegenwärtigen Lage. Vortrag 1911

Rezensent:

Schön, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 25.

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letztere wenigftens das Recht hat, ,Ausgangspunkt und
Mittelpunkt aller Kaufalitätsbegriffe und -theorien zu fein'.
Deutet nun diefe Wendung an, daß fich F. mit dem bloßen
Sukzeffionsverhältnis nicht zufrieden geben will, fo wird
freilich im Folgenden der Weg darüber hinaus mit wenig
deutlichen Linien gezeichnet. Die fünf Prinzipien, die mit
großer Mühe gefunden werden, um den Unterfchied
zwifchen einem bloßen Pofthoc- und einem Propterhoc-
Verhältnis feftzuftellen, ohne die empirifche Bafis zu ver-
laffen, find nicht fo greifbar und verwertbar, daß mittels
ihrer der Kaufalitätsgedanke energifch ficher geftellt werden
könnte. Anerkennenswert ift der Verfuch, an die
Stelle der aufgehobenen Apriorität die Einficht zu fetzen,
daß die Natur eine Struktur befitzt, die eine empirifche
Mannigfaltigkeit und Befonderheit gewiffer Vorgangstypen
zeitigt. Aber kommen wir dabei wohl über die
Idee des ,Zufammenhanges' oder mehrerer Zufammen-
hänge innerhalb des Naturgefchehens wirklich hinaus?
F. felbft meint, es fei mit diefen Erörterungen ,nicht allzuviel
gewonnen'. Wenn er fagt, dem Kaufalbegriff werde
zuviel Realität zuerkannt, während doch ,Blendertum' in
ihm fei, fo wird man ihm freilich nicht ganz Unrecht
geben können. Allein ift es um die vom Verfaffer ge-
wünfchte Anerkennung empirifch gewonnener Realität
beffer beftellt, wenn man das kaufale Verhältnis in die
Natur hineinfehen und hineintragen will — gleich als
fei fie objektiv —, als wenn man fie durch das Apriori
ftützt? Letztlich ift doch auch nicht viel erreicht, wenn
uns vorgeführt wird, alle Aprioris feien .Verankerungen
des Denkens in der Objektivität', und der Kaufalitäts-
begriff fei .die fpezielle Verankerung zwifchen Menfch
und Natur', die fich ,durch ihre Verfchlungenheit' der
Analyfe entzieht. Die empirifche Art und die wirkliche
Apofteriorität des Begriffs ift hierdurch nicht klargelegt.
Mit allen diefen Bedenken will ich jedoch nicht die Wichtigkeit
der Methode anfechten, mit der Froft feine Frage
behandelt hat. Er hat eine Aufgabe in Angriff genommen
— aber auch ganz gewiß nicht mehr als diesl —
die erft für die moderne naturphilofophifche Arbeit fich
in diefer Geftalt als vorhanden herausgeftellt hat. Daß
wir uns bemühen müffen, Klarheit darüber zu gewinnen,
wie viel Objektives aus der Natur felbft und aus ihr
direkt uns zuftrömt und wie groß das Maß der Objektivität
auch in manchem ift, was Kant in feine Kategorientafel
fubfumiert hat, das wird in einem Zeitalter, das bereits
die Früchte langwieriger exakter Forfchung heimft
und das erkenntniskritifche Feld mit dem geernteten
Samen neu bebaut, nicht mehr verkannt werden dürfen.
Im Gegenteil hätte ich eben gewünfcht, daß der Verf.
feine Pofition gegen Kant fchärfer herausgearbeitet hätte.
Ich vermiffe die klare Auseinanderfetzung über die Grenze,
an welcher nach Frofts Anficht das Anrecht der Erfahrung
auf die Beftimmung jeglichen Kaufalitätsverhältniffes
beginnt. Ich meine hiermit die genauere Fixierung des
Unterfchiedes zwifchen einem logifchen Bedingungsverhältnis
, das durch Vertaufchung feiner beiden Glieder umkehrbar
fein muß, und einem zugleich zeitlich orientierten
Schema, welches eben — und dies ift der unbeftreitbare
Rechtsgrund für Frofts Betrachtung — a priori nur betagt
, daß eines von beiden Momenten das frühere ift,
ohne auch fchon a priori zu beftimmen, welches von
beiden das frühere fein müffe. Hierüber, und d. h. zugleich
über die Notwendigkeit der logifchen Umfetzung
des Sukzeffionsverhältniffes in ein Kaufalitätsverhältnis
belehrt allerdings die Erfahrung; auf welche Weife, das
hätte gegenüber Kants entgegengefetzter Thefe in ge-
fchloffener Flrörterung ausgeführt werden dürfen. Statt
deffen bringt uns der Verf. gleichfam aus der Spielftube
feiner teils nur taftenden teils hin und her fuchenden Gedanken
eine locker aneinander gefügte Reihe von Einzelbetrachtungen
. Das ift zum großen Nachteil feiner Intention
gefchehen. Etwas mehr gerundete und ge-
fchloffene Gedankenführung, das ift ein Wunfeh, der

für die folgenden Bände nicht unausgefprochen bleiben
darf.

Wien. Beth.

Baumgarten, Prof. Dr. Otto: Die Abendmahlsnot. Ein Kapitel
aus der deutfehen Kirchengefchichte der Gegenwart
. 1.—5. Taufend. (Religionsgefchichtliche Volksbücher
. IV. Reihe, 15. Heft.) (39 S.) 8°. Tübingen,
J. C. B. Mohr 1911. M. —50; geb. M. — 80

Ausgehend von der durch dieStatiftik erwiefenen Tatfache
, daß die Zahl der Abendmahlsgäfte fortgefetzt im
Abnehmen begriffen ift, geht B. den Urfachen diefer Er-
fcheinung nach. Die ,Abendmahlsnot' beruht nach ihm
auf ,Verftandesnöten', in die unfere Laien durch die
Unklarheit der theologifchen Erörterung und die Unficher-
heit der hiftorifchen Frage gebracht werden. Dazu kommen
,Gewiffensnöte', die ihnen aus der üblichen Abendmahlspraxis
, befonders der üblichen .Beichte' und der üblichen
.Glaubensforderung' entftehen. Endlich, vielleicht am
ftärkften, wirken die .liturgifch-äfthetifchen Nöte', — die
Frage: Was gibt uns das Abendmahl, befonders neben
der Predigt? — und der Anftoß an der höchft unfehönen
Geftaltung, an dem .fchwülen' Charakter der ganzen Feier,
endlich auch der Anftoß am Trinken aus dem gemein-
famen Kelch. B. fpricht völlig aus der Seele der ,fort-
gefchritteneren Kreife' unter uns, ohne ihre Anftöße und
Nöte immer auch als perfönliche zu empfinden. Aber
es ift der vornehme feelforgerliche Geift, der ihn nicht
einfach hart über diefe Empfindungsweife dahinfahren
läßt. Liegt fchon in diefen Partien des Büchleins ein
hoher Wert, fo nicht weniger in dem .Abhilfsverfuch der
Abendmahlsnot', den B. vorfchlägt. Fänden doch auch
diefe Ausführungen Beachtung da, wo fie wirkfam
werden könnten! Aber in dem .Ausblick in die Zukunft
des Abendmahls' kommt ein fehr refignierter Ton zum
Ausdruck: auf Abhülfe rechnet B. fürs erfte nicht. —
Jede Zeile diefes Büchleins atmet Baumgartenfchen
Geift: das ftark Perfönliche, Warme, Wahrhaftige, und —
Maßvolle. Keine Spur von ftürmendem Radikalismus!

Es fei mir geftattet, zur Ergänzung einiges aus der
Kirchenkunde hinzuzufügen. DiefegibtmehrBeobachtungs-
material als Grundlage für die Beurteilung, als das Schriftchen
bietet. So fleht feft, daß der Abendmahlsbefuch in
Süddeutfchland beffer ift, als in Norddeutfchland, daß die
reformierten Gebiete i. G. höhere Zahlen haben, als die
lutherifchen. So hatte z. B. Mecklenburg-Strehlitz 1908
nur 19,7 Proz. der lutherifchen Landesbevölkerung Abendmahlsgäfte
. Der Rückgang feit den letzten 50 Jahren ift
am ftärkften in den Induftriebezirken Mittel- und Süd-
deutfchlands (Königreich Sachfen, Thüringen, Provinz
Sachfen, Würtemberg und Baierifche Pfalz), während in
Hamburg und Berlin der Rückgang auffallend gering
war (2—3 Proz.). Beachtet man nur diefe wenigen Tatfachen
, fo ergeben fich noch allerlei Schlüffe, von denen
unfer Büchlein fchweigt. Aber es will ja gar nicht die
ganze Frage erörtern, fondern nur infoweit, als daran
unfre gebildeteren Gemeindeglieder beteiligt find.

Halle a. S. Paul Drews.

Belte, Superint. D.Johannes: Die rechtliche Stellung unlerer
Braunlchweigilchen Landeskirche nach ihrer gefchichtl.
Entwickelg. u. gegenwärt. Lage. Vortrag, geh. am 15.
Juni 1910 in der Konferenz der Diener u. Freunde der
Lutherifchen Kirche im Herzogtume Braunfchweig.
(47S.)gr.8°. Braunfchweig, H. Wollermann 1910. M. — 60

Der kleine Vortrag ift in drei Teile gegliedert. Im
erften, der ca. 9 Seiten umfaßt, will Verfaffer die rechtliche
Entwickelung der Gefamtkirche fkizzieren. Neues
ift dabei natürlich überhaupt nicht gebracht, es handelt
fich nur um Hervorhebung einzelner wichtiger Momente