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Ausgabe:

1911 Nr. 25

Spalte:

791-792

Autor/Hrsg.:

Frey, Adolf

Titel/Untertitel:

Eine Untersuchung über die Bedeutung der empirischen Religionspsychologie für die Glaubenslehre 1911

Rezensent:

Baur, August

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91

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 25.

792

205.208.255. 276. 291. 329. 452. Vgl. noch 213—15. 232.
257—258. 271. 302. 322. 335. 338. 479. 532).

So bezeugen T.'s Briefe an zahllofen Stellen, wie fehr er bellrebt war,
feine immer noch fortbeftehende Teilnahme an den Sünden des Kulturlebens,
des Privatbefitzes, des Geldwefens, der fozialen Ordnungen durch feine
perfönliche Haltung zu fühnen; fchließlich konnte er fich auch durch
Schuftern, Ackern, Mähen, vereinfachte Koft (Erfetzung von Milch, Kaffee
und Tee durch Haferfchleim, 347), durch konfequent ftrenge Askefe doch
nicht genug tun: den Geftändniffen der T.fchen Briefe drückt die nächtliche
Flucht aus Jaßnaja Poljana ein tragifches Siegel auf.

Doch wir müffen eine Befprechung abbrechen, die
die uns gewiefenen Grenzen bereits überfchritten hat. Die
Ausstattung des Buchs ift gefällig; leider ift der offenbar
flüchtig hergestellte Text reich an Druckfehlern; die vier,
aus verfchiedenen Lebenszeiten T.s herrührenden Bilder,
find eine dankenswerte Zugabe.

Straßburg i. E. P. Lob St ein.

Frey, Dr. Adolf: Eine Unterfuchung über die Bedeutung der
empiriichen Religionspfychologie für die Glaubenslache.

Gekrönte Preisfchrift. (VIII, 87 S.) gr. 8». Leiden,
Buchhandlung u. Druckerei vorm. E. J. Brill 1911. M. 1.75

Der Verfaffer, der bis zum Jahre 1906 als Pfarrer im
Dienfte der württ. Landeskirche angestellt war und dann
aus Gefundheitsrückfichten in den Ruheftand trat, ift dem
Referenten von jener Zeit her wohl bekannt als ein fcharf-
finniger und felbftändiger Kopf, dem es bei allen wilfen-
fchaftlichen Verhandlungen darum zu tun war, gegenüber
aller Verfchwommenheit auf Klarheit und Deutlichkeit
der Begriffe in ihrer eigenen Faltung und in ihrer Abgrenzung
gegen andere Begriffe zu dringen. Diefe hervorragenden
Eigenschaften treten auch in diefer Schrift
deutlich zu Tage, fowohl in dem methodologifchen Gange
feiner Unterfuchung überhaupt, als auch in den einzelnen
Teilen und Gegenständen, die im Laufe der Unterfuchung
zur Erörterung und Behandlung kommen. Sonft hätte
der Verf. nicht auf 87 Seiten feinen ganzen Stoff zu
bewältigen vermocht. Nach einer kurzen Einleitung,
welche den Weg der zu unternehmenden Unterfuchung
bündig und klar befchreibt, folgt im 1. Abfchnitt eine
Schilderung der bisherigen Methoden der Glaubenslehre.
Man wird derfelben, Sofern Sie fich auf die Kirchen-Bibeltheologie
, Bekenntnistheologie und heilsgefchichtliche Theologie
bezieht, zuftimmen können. Aber der Wert der
Theologie des Chriftusprinzips, bei deren Nennung die
zwei bewußten Antipoden Biedermann und AI. Schweizer
zufammengeworfen werden, wird m. E., wenigstens Soweit es
fich um AI. Schweizer handelt, der aber auch fonft, z. B. in
Heinrich Scholz' .Christentum und Wiffenfchaft in Schleiermachers
Glaubenslehre' (Berlin, Glaue 1909) S. 4, völlig
falfch eingefchätzt wird, durchaus mißkannt und mißverstanden
, und wenn vollends für die Beurteilung Ritfchls
und der Poftulatentheorie allein das Urteil Otto PSleiderer's
angezogen und für die Verurteilung Schleiermachers das
Urteil von Strauß in feinen ,Charakteriftiken und Kritiken'
einzig herbeigerufen wird, fo werden gegen das eine Verdikt
die Ritfchlianer ihren Proteft erheben, wenn fie doch
nicht zugeben können, daß ein Werturteil ein Urteil über
das Sein und die Existenz nicht notwendig zur Grundlage
haben müffe; gegen die Strauß'fche Verurteilung
Schleiermachers wird man aber mit gutem Grunde u. A.
gerade das genannte Werk von Scholz ins Feld führen
können.

Der 2. Abfchnitt gibt eine Charakteristik der empiri-
fchen Religionspfychologie und zwar zunächst geschichtlich
über ihre verfchiedenen Formen, dann über ihren
Begriff, befpricht dann William James und den Pragmatismus
, der eine gründliche und m. E. wohl verdiente Abfertigung
erfährt, und endlich die Methode der Religionspfychologie
. Der 3. Abfchnitt erörtert fodann das Verhältnis
der empirifchen Religionspfychologie zur empirischen
Glaubenslehre und weift zuerft den individuellen

i Charakter und fodann den fubjektiven Charakter und
| endlich den fekundären Charakter der Inhalte der empirifchen
Religionspfychologie nach verfchiedenen einzelnen
in Betracht kommenden Gefichtspunkten nach. Hier, in
diefem ganzen zweiten Abfchnitt, liegt vorzugsweise der
große Wert der ganzen Arbeit und hier vornehmlich treten
die oben gerühmten Vorzüge des Verfaffers, fein bohrender
Scharffinn, feine wiffenfchaftliche Unabhängigkeit, und,
nicht zu vergeffen, die Klarheit und Bündigkeit feiner
Darftellung leuchtend heraus. Die abschließenden Be-
I merkungen Stellen zunächst ein negativ-kritifches Refultat
j heraus, laffenaber doch auch pofitive Andeutungen folgen,
I welche dahin zusammengefaßt werden: ,Wenden wir uns
noch einmal zur empirifchen Religionspfychologie zurück,
fo kann von ihr gefagt werden, daß fie Material verschiedensten
Wertes zur Kenntnis des religiöfen Menfchen
liefere. Hieraus einen in fich gefchloffenen Bau von
religiöfen Gedanken zu fertigen, fehlen ihr aber als em-
pirifcher, pfychologiScher Disziplin alle Mittel. Jeder
I Gestaltung einer Glaubenslehre muß Schon eine Religionsoder
Gottesidee, ein mehr oder weniger klar bewußtes
Urteil des Verhältniffes von Gott und Menfch zugrunde
liegen. Diefes Ideal verdankt feine Entstehung, feinen
Wert und feine Kraft nicht irgend einer empirifchen
I Wiffenfchaft, fondern einem ideellen, der Geift- und Ver-
| nunftfeite des Menfchen entfprießenden und entsprechenden
Prozeffe. Hier auf dem Felde der tiefften und reinften
Reflexion, auf dem der rationalen Philofophie, wird in
Sachen der Glaubeslehre und ihrer Hauptfragen die Ent-
i fcheidungsfchlacht gefchlagen, nicht auf dem des pfycho-
! logifchen Empirismus'. Ein Scharfsinniges und wohlbegrün-
j detes Urteil, zu beherzigen von allen denen, welche von
I der Religionspfychologie das Wunder der Löfung der
{ religiöfen Rätfei erwarten. — Leider vermiffe ich ein
Namensverzeichnis.

Weinsberg. Auguft Baur.

Froft, Priv.-Doz. Walter: Naturphilofophie. I. Band. (X,
306 S.) gr. 8°. Leipzig, J. A. Barth 1911. M. 8—

Der erfte Band einer anfcheinend auf eine kleine
i Serie angelegten Naturphilofophie Stellt zunächst als die
teilweife und infolge der wiffenfchaftlichen Lage vornehmlich
wichtige Aufgabe der Naturphilofophie hin, ,die
Probleme der Subftanz und der Kaufalität und alle die
j anderen, welche damit zusammenhängen', ,dem Kreife
einer eigentlichen Naturphilofophie zurückzugeben'. Froft
ift überzeugt, daß die Erkenntnistheorie hinfichtlich jener
Begriffe (und der Anfchauungsformen) nichts geleistet hat,
,was die naturaliftifche Betrachtungsweife nicht leiften
könnte'. Die Lehre von den Begriffen Solle ausschließlich
auf die Erfahrung geftellt werden, da das empiriftifche
Prinzip eine reine Logik und Erkenntnistheorie über
den Erfahrungswiffenfchaften nicht zulaffe. Hiermit ift
der Kantfchen Erkenntnistheorie und einer jeden, die an
den Königsberger fich anlehnt, bittere Fehde erklärt. Im
vorliegenden erften Bande wird diefe Pofition allein am
Kaufalitätsgedanken durchgeführt, der ja grundlegende
Bedeutung für die naturwiffenfchaftlichen Erkenntniffe
und ihre Verarbeitung hat. Hatte deshalb, nachdem
Hume den Kaufalitätsbegriff in das Sukzeffionsverhältnis
aufgelöst, Kant feinen apriorifchen Charakter feftgeftellt,
fo wird von Froft nicht nur der Standpunkt Kants abge-
wiefen, fondern auch derjenige Machs, fein .radikaler
methodologifcher Subjektivismus', d. h. alfo die Zurück-
führung des Kaufalitätsverhältniffes auf das Funktionsverhältnis
und der Naturbefchreibung auf bloß ökonomische
Befchreibung. Froft fürchtet, die Natur erfcheine
nach Machfcher Auffaffung als ein Chaos funktionaler
Zusammenhänge, während fie doch felbft kaufale Zusammenhänge
enthalte. Der Begriff der Kaufalität foll nicht
als Funktions- und nicht als Kraftbegriff gefaßt werden,
fondern als Antezedens-Konfequens-Begriff, Sofern diefer