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Ausgabe:

1911 Nr. 25

Spalte:

775-776

Autor/Hrsg.:

Petrie, W. M. Flinders

Titel/Untertitel:

Egypt and Israel 1911

Rezensent:

Gressmann, Hugo

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775

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 25.

776

Ähnliche Tendenzen entwickeln fich im nachexilifchen
Judentum, und es ift kein Zufall, daß bei Männern wie
Philo fich beide Richtungen verbinden. Da für diefen
Gott transzendent ift und doch wieder in der Welt fich
offenbart, fo fucht er nach einer Vermittelung zwifchen
dem abfoluten Wefen und der Welt. Er ftellt fie in der
Weife her, daß er den jüdifchen Begriff des .Wortes',
das fchon längft auf dem Wege war, fich zu verfelb-
ftändigen und von dem Wefen Gottes abzulöfen, mit
einem Inhalt erfüllt, der dem ftoifchen Logos entfpricht.

Auf griechifchem Boden fetzt Plotin die Tendenzen
der Stoa fort. Da aber in dem Selbftbewußtfein, auf
das diefe den Menfchen hinweift, immer noch der Gegen-
fatz von Subjekt und Objekt fich findet, fo fucht er zu
einer noch tieferen Realität zu gelangen, zu einem Abfoluten
, das in feiner Einheit über die Verfchiedenheit
des Selbftbewußtfeins hinausgeht. Damit fucht er zugleich
den Dualismus von Körper und Geift zu überwinden, die
er im Gegenfatz zur Stoa nicht identifiziert. Da er aber
wie der fonftige griechifche Idealismus als Letztes nicht 1
ein Einheitsprinzip annimmt, das die Verfchiedenheit er- 1
klärt, fondern ein Einzelnes, das er aus der Verfchieden- i
heit abftrahiert, fo vermag er die Schwierigkeit, daß das i
Abfolute nichts bedarf und doch alles erfchaffen foll, nicht
zu überwinden, und fein Verfuch, aus diefem die Materie
abzuleiten und durch ein Subordinationsfyftem, durch das
Einfchieben vieler Zwifchenglieder die Gegenfätze zu überbrücken
, ift verfehlt. Die endliche Welt fieht er teils als
Gegenfatz des Abfoluten peffimiftifch, teils als deffen Abbild
optimiftifch an. So kommt es, daß er auf der einen
Seite den fchroffen Peffimismus der Gnoftiker bekämpft,
auf der andern dagegen dazu beiträgt, im Chriftentum
die asketifchen Tendenzen zu ftärken.

Caird intereffiert fich zu ausfchließlich für den einen
Gefichtspunkt, wie weit die Philofophie das höchfte Einheitsprinzip
gefunden hat, und berückfichtigt deshalb z. B.
die Theodicee zu wenig. Er kennt genauer nur die voll-
ftändig erhaltene Literatur und erwähnt einen Theologen
von der Bedeutung des Pofeidonios mit keinem Worte.
Seine Einzelausführungen verdienen nicht feiten Wider-
fpruch. Aber im ganzen wird man feinen Ergebniffen
beipflichten oder mindeftens ihnen die ernftefte Beachtung
fchenken müffen. Vor allem fpricht überall aus feinem
Buche der geiftvolle Denker, der fich mit zäher Energie
in ein fremdes Gebiet eingearbeitet hat und diefes mit
völlig felbftändigem, gefundem Urteil nach einem eigenen
Gefichtspunkt durchforfcht. Und folche Bücher pflegen
auch der Einzelforfchung reiche Anregungen zu geben.

Göttingen. Max Pohlenz.

Petrie, W.M. Flinders D.C.L, L.L.D., F.R.S., F.B.A.: Egypt
and Ifrael. (150 S.) 8°. London, Society for Promoting
Chriftian Knowledge 1911. s. 2.6

Flinders Petrie ift berühmt durch feine Ausgrabungen
in Paläftina, auf der Sinai-Halbinfel und vor allem in
Ägypten, wo er ebenfalls mit Vorliebe den Spuren der
Semiten nachgegangen ift. Er ift daher wie kaum ein
Anderer geeignet, die Beziehungen zwifchen Egypten
und Ifrael aufzuzeigen und das literarifche Material durch
die Refultate der Grabungen zu ergänzen. Man wird
auch aus diefer populären Darfteilung mancherlei lernen,
weil er überall aus dem Vollen und aus eigener An-
fchauung fchöpft. Seine Ausführungen find, wenn man
fo fagen darf, bodenftändig und vermitteln ein lebendiges
Bild, das man anderswo vergebens fucht; es fei z. B. auf
die äußerft inftruktiven Angaben über die Bevölkerung
des Wadi Tumilat (S. 20) oder auf die genaue Entfernung
von Suez nach Akaba (S. 40) hingewiefen. Wertvoll ift
ferner das außerordentlich reiche Illuftrationsmaterial
(54 Abbildungen), darunter Photographien wichtiger Funde
und hiftorifcher Landfchaften; Einzelnes davon ift auch
dem Forfcher neu. Petrie überblickt in großen Zügen

die ganze Gefchichte von .Abraham, the shepherd prince'
in Kap. I bis ,Egypt and Chriftianity' in Kap. X, von
der Zeit der Hykfos bis zur Madonna mit dem Bambino.

Leider fehlen genauere Literaturverweife; die dürftigen Notizen auf
S. 143 find kein Erfatz dafür. Auch die Herkunft der Bilder hätte vermerkt
fein follen. Die gefchichtliche Darftellung verrät bisweilen den
Laien, dem die kritifchen Schulung des Hiftorikers fehlt; und niemals darf
man gerade bei P. unbefehen hinnehmen, was er behauptet. Auch bei
den Ergebniffen der Ausgrabungen ift Vorficht geboten; fehr zweifelhaft
ift z. B. die Deutung der Funde in Serabit el-Chädem auf der Sinai-
Halbinfel (S. 47 ff.). Selbft wenn es fich dort um ein femitifches Heiligtum
handeln follte, was keineswegs feftfteht, hat man noch lange kein
Recht, die Refultate für die vormofaifche Religion der Hebräer zu verwerten
.

Aber mir widerftrebt die kritifche Auseinanderfetzung
mit einem Forfcher, dem die altteftamentliche Wiffen-
fchaft fo viel verdankt und von dem fie gern lernt, auch
wo fie widerfprechen muß.

Berlin-Weftend. Hugo Greßmann.

Thomfen, Peter: Paläftina u. feine Kultur in 5 Jahrtaufenden
(Aus Natur u. Geifteswelt 260.) (108 S. m. Abbildgn.)
8°. Leipzig, B. G. Teubner 1909. M. 1 —; geb. M. 1.25

Thomfen's Veröffentlichung bildet eine willkommene
Ergänzung zu H. Greßmann's 1908 erfchienenem Heft:
,Die Ausgrabungen in Paläftina und das Alte Teftament'.
Die Refultate der Ausgrabungen, welche feit zwei
Jahrzehnten auf dem Boden Paläftinas unternommen find,
find in wiffenfchaftlichen Werken und Zeitfchriften zer-
ftreut, die immer nur einem kleinen Kreis von Lefern
zugänglich find. Diefem Mangel fucht der auf dem Gebiet
der Paläftinakunde vorteilhaft bekannte Verf. in der
vorliegenden Schrift abzuhelfen, die gewiffermaßen eine
deutfche Parallele zu H. Vincents Canaan d'apres l'ex-
ploration recente bildet. T. gibt zuerft: eine Gefchichte
der Forfchungen in Paläftina, wobei er fich keineswegs
auf die Ausgrabungen befchränkt, fondern auch die hervorragenden
Reifenden des 19. Jhdts und ihre Bedeutung
für unfere Kenntnis Paläftinas heraushebt. Nach einer
kurzen Erörterung der Mittel, die uns zur Datierung der
Funde zu Gebote ftehen, folgt die Gefchichte der palä-
ftinenfifchen Kultur. Sie beginnt mit der fpäteren Steinzeit
(der fpäteren neolithifchen Periode ca. 4000 bis 2500
v. Chr.), als eine wahrfcheinlich nichtfemitifche Raffe in
Pal. faß, die vielleicht von Norden her eingewandert und
dann fpäter von den Semiten, die von Süden herandrängten,
in erbittertem Kampfe vertrieben ift. Wohl um die Mitte
des dritten Jahrtaufends flutete eine neue Völkerwoge in
die alten Kulturländer: die Semiten der fyrifch-arabifchen
Wüfte. T. befchreibt die Kultur diefer jetzt fich feßhaft
machenden Kanaaniter, die nicht mehr in den Höhlen
wohnten, fondern fich fefte Städte gründeten, wie uns
das jetzt aus den Ausgrabungen entgegentritt. Uberhaupt
haben diefe uns erft die Möglichkeit gegeben uns
eine deutliche Vorftellung von diefer von den Israeliten
vorgefundenen kanaanitifchen Kultur zu machen, und wir
haben alle Hoffnung, daß es dank den weiteren Ausgrabungen
möglich fein wird, die jetzt noch vorhandenen
Lücken unferer Kenntniffe zu befeitigen. Nach einer
kurzen Skizze der Übergangszeit, in der die erften Vorläufer
einer neuen Völkerwoge mit Ungeftüm an den
Pforten der Kulturländer pochten und Einlaß begehrten,
wovon die fogen. Teil el-Amarnabriefe uns Kunde geben,
folgt eine Darftellung der israelitifchen Kultur in der vor-
exilifchen Zeit, in der T. in fehr verftändiger Weife auf
die verfchiedenen Kultureinflüffe hinweift, die auf Israel
ausgeübt find, vgl. befonders S. 85 ff. Bei der Skizzierung
der nachisraelitifchen Zeit hat T. befonders die Ausgrabungen
von Teil Sandahanne verwertet: hier find die
Grundmauern einer ganzen Stadt aufgedeckt, fo daß für
fie der gefamte Grundriß gezeichnet werden konnte, hier
tritt uns deutlich der griechifche Einfluß entgegen, der
fich befonders bei den Nabatäern bemerkbar machte, wie
die Unterfuchungen von Brünnow und Domaszewski,