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Ausgabe:

1911 Nr. 24

Spalte:

747-748

Autor/Hrsg.:

Wendt, Hans Hinrich

Titel/Untertitel:

Die Schichten im 4. Evangelium 1911

Rezensent:

Wellhausen, Julius

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747

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 24.

748

Kapitel als Auffatz zur Syntax der Koine in den Wiener
Studien 1909, S. 1—11 ftand und der Grammatik fo gut
wie unverändert, nur unter Beifügung der Bezugnahme auf
Blaß, einverleibt worden ift; ob aber auch gerechtfertigt?
Und ift wirklich der ganze außerbiblifche Stoff gerechtfertigt
, der nach Art eines philologifchen Buchs aus der
Zeit vor 100 Jahren bei irgend einer Gelegenheit angebracht
wird: hier die Berichtigung eines Mißverftändniffes
eines Gelehrten, dort die Erklärung einer Papyrusftelle,
wieder anderswo eine Konjektur zu einem griechifchen
Autor, eine halbe Seite Belege für das Übergewicht von
d-avfiaöToq über {ravfidaioq ufw.? Ja, wenn das Buch 600
Seiten hätte! Unter den etwa 380 Wörtern bezw. Wertformen
des griechifchen Regifters find über 100, die im
N. T. nicht vorkommen, ungerechnet die bloß wegen außer-
biblifcher Eigenheiten aufgenommenen biblifchen Wörter;
und dabei ift dasfelbe im Vergleich zu dem philologifchen
Reichtum des Buches ganz dürftig. Das Bedenklichfte für
einen Studenten der Theologie ift nun aber, daß er
nur ganz feiten erfährt, ob eine folche fprachliche Er-
fcheinung auch im N. T. vorkommt. Muß das nicht auch
den beften Vorfatz lähmen, fich die neuteftamentliche
Grammatik anzueignen? Dazu kommt, daß er ficherlich
fehr viele der Profanzitate nicht überfetzen kann, und
daß oft eine Menge felbftändiger Bemerkungen ohne Ab-
fatz im Druck aneinander gereiht ift, was die Überficht
unendlich erfchwert.

Der Streitfrage über Hebraismen im N. T. widmet
R. abgefehen von gelegentlichen Bemerkungen, von denen
im Regifter die meiften fehlen, 6 Seiten (14—20). Eigne
Kenntniffe fcheint er auf diefem Gebiete nicht zu befitzen,
da er das doppelte a in Naaaötivoi S. 33 für Bezeichnung
eines langen Vokals erklärt, während es doch die beiden
Vokale des hebräifchen nächäsch (= Schlange) wiedergibt,
was übrigens der von ihm zitierte Hippolytus (Philof. V 6)
ausdrücklich fagt. Nun befpricht er auf jenen 6 Seiten
nur fünf Hebraismen, die faft fämtlich nie dafür hätten
angefehen werden follen, lehnt fie ab und will faft nur
in der Syntax Hebraifierendes anerkennen. Wer daraufhin
glauben wollte, etwas Maßgebendes über die Hebraismen
zu wiffen, wäre fehr im Irrtum. Eine Erörterung der-
felben ift völlig wertlos, wenn fie nicht mindeftens die
von Moulton in feinen dem Verf. bekannten Prolegomena
und von Pfichari in der Revue des etudes juives 1908,
S. 173—208 zugeftandnen und die von Dalman in feinen
.Worten Jefu' und von Wellhaufen in der Einleitung zu
den drei erften Evangelien aufgeftellten berückfichtigt.

Zürich. Paul W. Schmiedel.

Wendt, Prof. Hans Hinr.: Die Schichten im 4. Evangelium.

(IV, 158 S.) gr. 8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
1911. M. 4.40

Gegenüber von Eduard Schwartz und Anderen erneuert
Wendt feine fchon früher aufgeftellte, aber nicht
recht beachtete Meinung, daß das vierte Evangelium aus
zwei durchgehenden Schichten beltehe, einer didaktifchen
und einer erzählenden, denen gegenüber allerhand kleinere
Einfätze, die er jetzt in verftärktem Maße zugibt, wenig
ins Gewicht fallen. Wie Chr. H. Weiße hält er die didak-
tifche Schrift (die Reden) für die primäre und ift geneigt,
fie für authentifch zu halten und auf Johannes Zebedaei
zurückzuführen, indem er auf Markus 10, 39 nichts gibt.
Er fleht feine biblifch-theologifche Hermeneufe der philologifchen
entgegen; worin der Unterfchied beliehen foll,
läßt fich fchwer begreifen. Auf eine Widerlegung der
Gegner läßt er fich kaum ein und begründet auch feine
eigene Anficht wenig im Einzelnen, vielleicht weil er
meint, ihre pofitiye Darlegung und Durchführung (in
einer deutfehen Übersetzung, wo die beiden Schriften
durch den Druck unterfchieden werden) wirke überzeugend
. Ich gebe zu, daß die Analyfe bisher nur zu
einem Gewirr geführt hat, glaube aber nicht, daß mit

der Unterfchätzung der meiften Anftöße (Wiederholungen
und Widerfprüche) das Gewirr gehoben wird. Der Ariadnefaden
ift noch nicht gefunden, und ob er je gefunden
werden wird, wenn nicht ein glücklicher Zufall eintritt,
läßt fich vielleicht bezweifeln.

Göttingen. Wellhaufen.

Dirking, Augustinus: S. Basilii Magni de divitiis et pauper-
tate sententiae quam habeant rationem cum veterum philo-
sophorum doctrina. Commentatio philologica. (76 S.)
gr. 8°. Münfter i. W., Afchendorfffche Buchdr. 1911.

Der Verf. behandelt fein Thema in der Weife, daß
er nach einer Praefatio (p. 5 — 7) in drei Abfchnitten
1. die XXI. Homilie des Bafilius (jcegl rov u.r jigoorj-
Xcöod-ai xolq ßimzixolq) p. 8—31, 2., die VII. Homilie
(xQog rovq nlovzovvraq) p. 31—55, 3-, die VI. Homilie
(über Luk. 12, 18 xal jcegl TclsovEgiaq) p. 55—68 in eingehenden
Spezialuntersuchungen auf ihre Quellen prüft.
In einem Anhang faßt er p. 70—71 die Refultate feiner
Untersuchungen zufammen. Hier wird mit Recht betont,
daß Bafilius feine literarifche Bildung zum großen Teil
feinen Lehrern Libanius und Himerius verdanke und
außerdem befonders Clemens und Origenes, Plato und
Plutarch und die Schriften der Cyniker und Stoiker benutzt
habe. Daß der Verf. zu dem Namen Origenes ein
,fortasse' fetzt, ift auffällig, da doch die von Bafilius und
Gregor von Nazianz aus den Schriften des Origenes ausgezogene
Blütenlefe (Philokalia) bei Bafilius ebenfo wie
bei Gregor eindringendes Studium des Origenes beweift.

Der Wert der Arbeit liegt in dem Nachweis zahlreicher
Parallelen in Gedanken und Ausdrücken bei Bafilius
und feinen Zeitgenoffen und Vorgängern. Es ift
intereffant zu Sehen, wie fich in den drei behandelten
Homilien die gemeinfame chriftliche, auf ftoifch-cynifcher
und platonifcher Grundlage ruhende Bildung jener Zeit
wiederfpiegelt. Zu loben ift auch die Vertrautheit mit
der einschlägigen Literatur und der auf die Arbeit verwendete
Fleiß. Die Behandlung im einzelnen weift manche
Mängel auf.

Z. B. (teilt fich der Verf. p. 7 in den Worten: ,Sed quos auetores
Basilius imitatus sit et qua ratione illas orationes composuerit, inquirere
iuvat' ein anderes Thema, als der Titel der Differtation enthält. Wenn
er p. 31 fagt: ,quod omnes fere huius homiliae sententiae in aliis Basilii
scriptis repetuntur', fo mußte diefe allgemeine Behauptung durch einzelne
Beifpiele bewiefen werden, p'erner foll nach p. 14 Bafilius den Ausdruck
vo/jii t]6/xeva aya&d aus Origenes entlehnt haben; dann müßte das
Gleiche wohl auch von der Metapher zovq zijq ipvxrjq o<p9a).ixovq (p. 9)
gelten, die von Origenes (Werke II 195, 29. IV 393, 1) verwendet wird.
Ein Widerfpruch findet fich p. 45, 19 und p. 47, 4sq. (vgl. p. 53, 6 sq.).
Das Latein lieft fich nicht immer glatt, manches ift unklar und ungefchickt
ausgedrückt, z. B. p. 8, Ii ,nobis est totus homo', während vorausgeht:
.nobiscum portare nos oportet, A. quae vere nostra sunt'; p. 18 ift der
Anfang des 3. Abfchnitts unverftändlich; das vom Verf. ftatt ,pretium'
gebrauchte Wort ,valor' (p. 13, 15) = valeur findet fich nicht in den
latein. Handwörterbüchern. Endlich hätte der Verf. entweder die zwei
Zeilen ,Corrigenda' p. 75 (in der erften Zeile 1. p. 10, 15) weglaffen, oder
mehr als ein Dutzend Druckfehler, die ich mir notiert habe, hinzufügen
muffen.

Uberfichtlicher und klarer würden die Ergebniffe der
Arbeit geworden fein, wenn der Verf. nach den Einzel-
unterfuchungen eine darauf beruhende ausführliche Ge-
famtdarftellung der von Bafilius benutzten Quellen gegeben
hätte. Hier wäre auch Gelegenheit gewefen, auf
die übrigen Schriften des Bafilius näher einzugehn. Aber
auch fo ift diefe Erftlingsarbeit verdienftlich.

Weimar. Paul Koetfchau.

Kirsch, J. P.: Die heilige Cacilia in der rbmifchen Kirche des
Altertums. Mit i Tafel. (Studien z. Gefch. u. Kultur
d. Altertums. IV. Band. 2. Heft.) (VII, 77 S.) gr. 8°
Paderborn, F. Schöningh 1910. M. 2.80

Diefe neue Unterfuchung über die h. Cäcilia beginnt
damit, entfprechend den Forfchungen von Dufourcq,
Erbes u. a., die zwifchen 486 und 523 entftandenen Akten