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Ausgabe:

1911

Spalte:

744-745

Autor/Hrsg.:

Haupt, Paul

Titel/Untertitel:

The Book of Micah. A new metrical Translation 1911

Rezensent:

Nowack, Wilhelm

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Theologilche Literaturzeitung 1911 Nr. 24.

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fonders hervorzuheben ift der Nachweis, daß im Ezechiel
die Lukian-Hfchr. 22, 36,48, 51, 231, welche gewöhnlich
mit V, Z(uqninensis) und Theodoret übereinftimmen, von
Ezech. 22 an in einer Reihe von Kapiteln in Gegenfatz
zu V Z Thdt. treten und einen nichtlukianifchen Text
bieten, der gewiß zur Ausfüllung einer Lücke in den ge-
meinfamen Archetypus eingefchoben war (S. LXXV f.,
vgl. auch Tifferants .Notes sur la recension lucianique
d'Ezechiel' im Juliheft der Revue biblique internationale).

Göttingen. Alfred Rahlfs.

Mader, Prof. Dr. Evariftus: Die Menfchenopfer der alten
Hebräer und der benachbarten Völker. Ein Beitrag zur
altteftamentl. Religionsgefchichte. (Bibl. Studien. Hrsg.
v. O. Bardenhewer. 14. Band. 5. u. 6. Heft.) (XIX, 188
S.) gr. 8°. Freiburg i. B., Herder 1909. M. 5.60

Das Werk gliedert fich nach einer kurzen Einleitung
und Gefchichte der Frage in zwei Teile. Im erften
handelt M. von den Menfchenopfern bei den benachbarten
Völkern der alten Hebräer und ihrem Verhältnis zum
Molochdienft. Inhalt: 1. Die Menfchenopfer bei den alten
Ägyptern, Ägyptifche Zeugniffe, Griechifche und römifche
Zeugniffe. Ägyptifcher Urfprung des hebräifchen Moloch-
dienftes. 2. Die Menfchenopfer bei den Babyloniern,
Affyrern und Sabiern. Die Zeugniffe. Verhältnis zum
hebr. Molochdienft: das Wiederaufleben der Kinderopfer
in der affyrifchen Periode ift nicht auf kananäifchen,
fondern auf affyrifchen Einfluß zurückzuführen. Die Kombination
des Moloch mit einem affyrifchen Malik ift fehr
wohl möglich. Wie bei den Sabiern, fo dienten auch bei
den Hebräern die Menfchenopfer vorwiegend dem Totenorakel
und der Magie. Daraus läßt fich die Natur des
Moloch als eines Unterweltsgottes, entfprechend dem baby-
lonifchen Nergal, beftimmen. 3. Die M.-O. bei den
Arabern, Moabitern und Ammonitern, Beifpiel von arab.
Menfchenopfern. Das Opfer des Mesa für Kemos. Ein
arab. Malik ift nicht nachweisbar. Starker Einfluß des
Milkom- und Kemoskultus auf Israel; aber beide Götter
find mit Moloch nicht identifch. 4. Die M.-O. bei den
Kananäern, Phöniziern und Karthagern. Überblick über
die M.-O. bei diefen Völkern. Der altt. Molochdienft
flammt nicht aus Phönizien. Denn die phönizifchen M.-O.
galten nie dem Melkart, fondern dem Kronos. Diefer
aber darf unmöglich mit Melkart als Moloch zufammen-
geftellt werden; BeweismateriaL Im z w e i t e n Teile handelt
M. über die Menfchenopfer der Hebräer und ihr Verhältnis
zum orthodoxen Jahwekult. Inhalt: 1. Jahwe und
Moloch. Jahve ift kein Feuergott und Jahve ift nicht
gleich Moloch. 2. Hat Jahve die M.-O. geboten oder verboten
? Unter den .nicht guten Gefetzen' von Ez. 20,25—26
find die Pentateuchgefetze von der unblutigen Weihe der
Erftgeburt zu verliehen, welche von den Israeliten auf
die blutige Weihe derfelben ausgedehnt wurden. Ex. 13
I. 2. 12. 13 kann nicht von der blutigen Weihe der Erftgeburt
verftanden werden. Ex. 22,28. 29 fordert die Be-
ftimmung zum niedern Dienft am Heiligtum. Der Herem
ift kein Opfer. Es findet fich alfo im orthodoxen Jahwekult
keine Inftitution, die mit M.-O. zufammenhing, dagegen
finden fich pofitive Verbote. 3. Die Gefchichte
des altt. Molochdienftes. Die Hauptergebniffe faßt M.
felbft am Schluffe in 12 Thefen zufammen; da die vor-
ftehende Inhaltsangabe fchon manches davon gefagt hat,
fei aus jenen Sätzen nur das folgende Hauptfächlichfte
hervorgehoben: Das Verhältnis, in welchem Israel im Verlauf
feiner Gefchichte zu Ägypten ftand, fowie bef. mehrere
Bibelftellen legen es nahe, den Urfprung des hebr. Molochdienftes
in Ägypten zu fliehen. Das Wiederaufleben des
Molochdienftes in der affyrifchen Periode ift auf Rechnung
affyrifchen Einfluffes zn fetzen. Die fcharfen Pentateuchgefetze
fowie die energifche Stellung der Propheten gegenüber
dem Molochdienft beweifen, daß der orthodoxe

Jahwismus die Menfchenopfer zu allen Zeiten perhorres-
zierte und als heidnifchen Götzendienft anfah. Keines
der biblifch bezeugten Fakta von Menfchenopfern ift
derart, daß es einen Beweis für die Vereinbarkeit diefer
Opfer mit dem echten Jahwedienft abgeben könnte. Die
definitive Abfchaffung der Menfchenopfer in Israel (feit
dem Exil) kann nicht bloß auf den Einfluß perfifcher
Zivilfation zurückgeführt werden, fondern hat ihren tiefften
Grund in der Polemik und dem Kampf der Propheten
und befonders in der fpeziellen Führung, welche die göttliche
Providenz dem auserwählten Volk zuteil werden ließ.

Der Wert des Mader'fchen Werkes liegt erftens und
vor allem in der Materalienfammlung des 1. Teiles. Der
Beweis für den ägyptifchen Urfprung des israelitifchen
Molochkultus ift aber nicht erbracht. Das kann hier nicht
im einzelnen erwiefen werden, ift jedoch aus S. 34—39
zu erfehen. Auch fonft dürften die Ergebniffe des erften
Teiles nicht wefentlich über die von Baudiffin in deffen
Artikel Moloch (RE3 13,269—303) hinausführen oder fie
entkräften. Immerhin aber gibt Mader hier mancherlei
Anregungen, denen nachzugehen lohnen wird. Leider hat
M. die Frage des althebräifchen Menfchenopfers überhaupt
von der Frage des Molochdienftes nicht gefchieden. Diefer
methodifche Fehler macht fich auch im zweiten Teil, bef.
im 3. Kapitel desfelben fehr fühlbar. Im übrigen ift die
Darftellung in diefem 2. Teil von dem ganz richtigen Gedanken
getragen, daß man die Menfchenopfer und infonder-
heit den Molochdienft aus dem Wefen des orthodoxen
Jahweglaubens nicht wohl erklären könne, und daß es nicht
angängig fei, fich einen Jahwe zu denken, der ein blut-
dürftiger Feuerdämon gewefen fei. Verlieht man den
Begriff des orthodoxen Jahweglaubens als der offiziellen
Religion im Gegenfatz zur Volksreligion (im Sinne der
von Kittel befürworteten Scheidung), fo wird man aber
der Behauptung Maders, daß der orthodoxe Jahwismus
die Menfchenopfer zu allen Zeiten perhorreszierte und
als heidnifchen Götzendienft anfah, doch nicht zuftimmen
können. Die Bedenken, die fich infonderheit aus dem
Bundesbuch ergeben, hat Mader nicht beheben können.
Sie find auch nicht zu beheben. Man wird zur Zeit in
der ganzen Frage über eine vorfichtige Formulierung, wie
etwa bei Kittel (Gefch. Israels2 II, 118f., bef. S. 119 Anm. 3)
fchwerlich hinauskommen.

Breslau. J. Herrmann.

Haupt, Prof. Paul, LL. D.: The Book of Micah. A new

metrical Translation. With Restoration of the He-
brew Text and explanatory and critical Notes. (Re-
printed from the AJSL. Vol. XXVII, Oct. 1910, and
Vol. XXVI, July 1910; S. 1—63 u. 201—252.) gr. 8°.
Chicago, The University of Chicago Press 1910. S 1.06

Nach Haupt gehören dem Micha nur 33 V2 Zeilen aus
den drei erften Kapiteln zu, fie bilden drei patriotifche
Gedichte, von denen das erfte 3, 9. 10. 2. 3. 5—7 fich gegen
die ungerechten Richter und falfchen Propheten wendet,
das zweite 2, 1.2. 8. 9. 3. 4 Judas Untergang wegen der
Unterdrückung des niedern Volks ankündigt, das dritte
1, 8. 10. 16. 9. 2. 13; 1, 11. 13 a. 14. 15 eine Klage über die
affyrifche Invafion enthält, während 3, 12 der Reft einer
Ankündigung der Zerftörung Jerufalems ift. Befondere
Sorgfalt hat H. auf die Rekonftruktion der poetifchen
Form verwandt: er findet hauptfächlich Zeilen zu 3 + 3
Hebungen, daneben finden fich zweimal folche von 3 -f- 2
und einmal eine zu 2 + 2.

Der zweite Teil des Micha c. 4—7 enthält fechs Gedichte
aus der makkabäifchen Zeit. Der erfte, etwa aus
170—100, 6, 2. 3. 4a. 16; 9. 12. 10. 11. 13. 14b zeigt wie
Judas und Jerufalems Leiden bedingt ift durch feinen
Götzendienft und die allgemeine Verderbnis. Das Lied
befteht aus zwei Strophen, jede Strophe aus drei Verfen,
von denen jeder vier Zeilen zu 3 -j- 3 Hebungen umfaßt.