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Ausgabe:

1911

Spalte:

716-717

Autor/Hrsg.:

Reiners, Jos.

Titel/Untertitel:

Der Nominalismus in der Frühscholastik 1911

Rezensent:

Heim, Karl

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intimeres Leben. Daß nicht immer in's Schwarze getroffen,
auch bisweilen vorbei gefchoffen ift, darf nicht Wunder
nehmen.

.Wahnwitziger Schwindel' ift doch wohl zu hart für zepfi-Qsla xal
ßu>fio).oyJa (I § 319). Die kräftige fprichwörtliche Wendung (pQ-öroq
apezijq öimxioxai (X § 320) ift recht matt überfetzt durch: ,die Tugend
darf man nicht mißgünftig vorenthalten'; beffer: ,der Neid wohnt abfeits
von der Tugend', ).öyoi nözifiOl (I § 321) find nicht der,Strom der Rede',
fondern die erquickliche, liebliche Rede, jxövor ov xuxadytiXelq xal
k'xßowv avziXQVq bedeutet: nicht an Geh haltend und gradeweg es laut
verkündigend. Heinemanu überfetzt: ,vom göttlichen Geifte ergriffen gibt
er damit deutlich zu verliehen'. Aber mit xaxbywq kV&ovdiüv (Aelian
V. H. III 9) hat xaxadys&sit; nichts zu tun. apoea&ai (I § 216) heißt
nicht ,fich famineln', fondern feucht und dadurch zeugungsfähig erhalten
werden. Recht verblaßt ift die Überfetzung von I § 317. (fiovcüg Tot
WTC it£(pQttx6xa(; heißt nicht: ,die ihr Ohr leerem Gerede leihen' fondern:
die ihr Ohr mit (eitlem) Gerede verftopfen, veifchanzen. Analog ift
die Wendung 6b).oidi 7ie<pQayit£vrj xapdhj. S. 852) ift ftatt ,wohin du
kommet' zu lefen: woher du kommft. Ilcnoch ift nicht Symbol (S. 387 '),
fondern Typus der Reue. Das Zeitwort .ehrfürchten' (S. 9) fcheint mir
keine Bereicherung unferer Mutterfprache zu fein.

Möge die Überfetzung ihren Zweck erfüllen, in immer
weiteren Kreifen das Intereffe für Philo zu beleben und
zu Philoftudien anzuregen. Wieviele fruchtbare Aufgaben
harren hier noch der Erledigung.

Leipzig. G. Heinrich

Kirch, Conradus, S. ].: Enchiridion fontium historiae eccle-
siasticae antiquae quod in usum scholarum collegit K.
sumptibus Herder MCMX. (XXIX, 636 S.) 8°. Friburgi
Brisg. M. 8 —; geb. M. 9 —

In vorliegendem Handbuch bietet Kirch eine brauchbare
und dankenswerte Sammlung der wichtigften
und einfehlägigften Quellenftücke der alten Kirchenge-
fchichte zum Gebrauche der Studierenden bei Vorlefungen
und Übungen.» Es enthält ein reiches, chronologilch,
nicht fachlich, gruppiertes Material — der fachlichen
Orientierung dient ein forgfältiges Regifter am Schluß des
Buches — von der Didache bis Paulus Diakonus, wobei
die äußere und die innere Kirchengefchichte zu ihrem
Rechte kommt und namentlich die neueren Kontroverfen
über die Chriftenverfolgungen, Petri Aufenthalt und Tod
in Rom, die Vifion Konftantins, die Buße des Kaifers
Theodoftus, die Päpfte Liberius und Honorius, die Begegnung
Leos 1. mit Attila berückfichtigt werden. Dabei
fällt auch für die Dogmengefchichte manches ab, wenngleich
der Herausgeber die im Enchiridion von Denzinger-
Bannwart enthaltenen Texte mit wenig Ausnahmen natürlich
nicht wieder abdruckt, sondern fich mit einem Hinweife
begnügt. Die Texte find den beften Ausgaben
entnommen und den griechifchen Texten ift je eine la-
teinifche Überfetzung beigefügt. De reeipiendis et non
reeipiendis wird man bei einer derartigen Sammlung immer
Breiten können, da die Wünfche und Anfprüche je nach
der Geiftesrichtung und dem Arbeitsgebiete der Einzelnen
verfchieden fein werden. Maßgebend find aber in erfter
Linie didaktifche Gefichtspunkte, und ich glaube, daß
Kirch im allgemeinen eine gute Auswahl getroffen hat.
Doch fcheint er mir der Vifion Konftantins und der Kirchenbuße
des Kaifers Theodofius mehr Raum gefchenkt zu
haben, als diefen Fragen in Anbetracht ihrer nicht gerade
hervorragenden Bedeutung zukommen dürfte. Dagegen
vermiffe ich die Äußerungen des Papias über den
Presbyter Johannes, über das Markus- und das Matthäus-
evangelinm (Euseb. H. E. III, 39) und über die üppige
Fruchtbarkeit der meffianifchen Endzeit (Iren. adv. haer. V,
33). Sie hätten als verbotenus relata S. 26 Platz finden
müßten ftatt der Bemerkung 38a: Testimonium Papiae
Hierapolitani (circa 150) de epist. Petri prima, utpote non
verbotenus relatum, vide postea apud Eusebium (n. 378.
richtig n. 386 f.). Die zwei für die Entwicklung der Kirche
fo charakteriftifchen Erfcheinungen des Chiliasmus und
Montanismus find überhaupt nicht berückfichtigt. Auch
aus der Piftis Sophia und aus den Oden Salomos
dürften vielleicht Proben eingefügt werden, ebenfo einige

: Stücke aus Deißmanns ,Licht vom Often' (2. und 3. Aufl.
■ 1909), z.B. das auf ein Oftrakon gefchriebene Gefuch dreier
1 ägyptifcher Kleriker um Erteilung der Diakonatsweihe
(S. 159) oder das reizende Briefchen des Papas Kaor von
Hermupolis an den Offizier Flavios Abinnaios (S. 155).
Um den Kreis der altchriftlichen Bildergegner zu fchließen,
follte fich zur Synode von Elvira (v. 306), zu Epiphanius
(n. 609) und Serenus von Marfeille (n. 946—948) noch
Eufebius gefeilen (Pitra, Spicil. Solesm. I, 393—386). Als
Gegenftück zu den Kapiteln aus der Peregrinatio Silviae
s. Aetheriae (n. 593—604) würde ich gerne die wegen der
Bedeutung von ,missa' umftrittene Ambrofiusftelle Ep. 20,
i 4 und 5 angeführt fehen.

Wegen der Literaturangaben fchwankte Kirch, wie er
im Vorwort erklärt, eine Zeitlang, befchloß dann aber, fie
vorerft wegzulaffen, da fie in den kirchengefchichtlichen
Lehrbüchern reichlich zu finden fei. Doch ift er bereit,
fie auf Wunfch bei einer zweiten Auflage nachzutragen.
Ich möchte ihm dringend raten, zu den einzelnen Ab-
fchnitten wenigftens die neuefte Literatur, wo ja meift
auch die ältere verzeichnet ift, anzugeben. Das Bedürfnis
dazu hat er ja fchon jetzt da und dort empfunden,
j z. B. S. 45, A. 1, S. 237, A. 1, S. 33 ü A. 1, S. 367, A. 1,
! S. 572, A. 2. Es ift für einen Schüler irreführend, wenn
! Kirch die bekannte Stelle aus F'lavius Jofephus über Jefus
| Chriftus herfetzt (n. 5 S. 4) ohne irgend eine Literaturan-
| gäbe oder eine Bemerkung wegen der Interpolation,
während er bei den vier Liberiusbriefen (n. 497—505) in
der Uberfchrift beifügt: ut plerique putant suppositae
(S. 327). Ebenfowenig geht es an, den Eingang des Li-
bellus de aleatoribus einfach unter der Überfchrift: De
primatu Romanae ecclesiae zu bringen (S. 176). Überhaupt
find die Überfchriften nicht immer zutreffend. So hilft
Kirch der Tradition mit einem Fingerdruck nach und
fchaltet den h. Paulus bei der Gründung der römifchen
Kirche aus, noch ehe die Tradition es tut. Er bringt
nämlich die bekannten Stellen Ign. ad Rom. 4, 3, Dionys.
Corinth. ad Rom. (bei Eufeb. HE. II, 25, 8), Iren. adv.
haer. III, 1, 1 und III, 3, 2 einfach unter den Überfchriften
: De sede Romana s. Petri (S. 17), de cathedra
Romana s. Petri (S. 38 und 68), de primatu ecclesiae Ro-
I manae a s. Petro fundatae, obwohl die Stellen noch nicht
I vom Episkopate Petri in Rom, fondern nur von der Grün-
I dung der römifchen Kirche durch Petrus und Paulus, was
offenbar nicht dasfelbe ift, reden (vgl. Harnack, Chrono-
| logie der altchr. Literatur I, 703 ff.). Cyprians Ep. 59, 14
I trägt bei Kirch die Überfchrift: De infallibilitate cathe-
drae Romanae (S. 166) und in den Ausführungen des
Ammianus Marcellinus über die Wirren unter Damafus
| und Urfinus und deren Urfachen (Rer. gest. 27, 3, 12 bis
! 15) findet er den splendor episcopatus Romani (S. 376).

Der Druck ift^ fehr forgfältig. Druckfehler, wie in
| n. 381 (S. 244) xQcörog ftatt jtQcöroq, oder Verfehen, wie
in n. 395, 3 (S. 257) das abgefprengte c in congregati,
find fehr feiten. Dagegen fehlt in meinem Rezenfionsexem-
i plar der Bogen 10, an deffen Stelle Bogen 18 getreten
ift, der zweimal kommt. In der von P. Gietmann S. J.
gelieferten metrifchen Überfetzung der Grabfchrift von
Autun (n. 2092, S. 135) hat der Hexameter des zweiten
Diftichons ,Sumis, homo, laticem. Tu viscera jugi' nur
fünf Füße.

München. Hugo Koch.

, Reiners, Dr. Jof.: Der Nominalismus in der Frühscholaftik.

Ein Beitrag zur Gefchichte der Univerfalienfrage im
Mittelalter. Nebft e. neuen Textausg. des Briefes Ros-
celins an Abälard. (Beiträge z. Gefch. der Philofophie
des M.-A.) (VII, 80 S.) gr. 8°. Münfter, Afchendorff
1910. M. 2.75

Die bisherige Anfchauung über die Entftehungsge-
! fchichte des Nominalismus (Coufin, Haureau, Prantl), nach