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Ausgabe:

1911

Spalte:

49-50

Autor/Hrsg.:

Storr, Rayner

Titel/Untertitel:

Concordance to the latin original of the four books known as De Imitatione Christi, given to the world a. d. 1441 by Thomas à Kempis 1911

Rezensent:

Clemen, Otto

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49

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 2.

Sie find aber nicht ftark genug, um ihn von feinem me-
thodifchen Grundfatz abzubringen und das Problem rein
hiftorifch anzufchauen. Darum hat auch K. nicht mit
der erforderlichen Nachdrücklichkeit zeigen können, daß
der von ihm richtig beobachtete ,Platonismus' (vgl.
S. 68ff) Auguftins die metaphyfifch-philofophifche Begründung
des Prädeftinatianismus enthält, daß ferner, wie
Euch. IX 28 f. bekundet, der Neuplatonismus ein erkennbares
Motiv für die partikuläre Prädeftination abgegeben
hat, und daß die Tatfache des ,Platonismus' in
de civ. dei die necessitas nicht als bloß formale, fondern
als bedingende, verurfachende zu verftehen anleitet. So
hat K., ohne es zu wollen und obwohl er mit Recht
Darftellungen, wie diejenige Portalies ablehnt, Auguftin
hier der katholifchen Kirchenlehre zu nahe gerückt. K.s
tüchtige Unterfuchung zeigt freilich aufs neue, wie viele
Anknüpfungspunkte der Katholizismus bei Auguftin finden
kann. Die mittelalterliche Scholaftik konnte auf die
Autorität Auguftins fich berufen. Aber eine ftreng hifto-
rifche Betrachtung hebt doch Auguftin aus dem korrekten
' Katholizismus heraus. Das gilt auch, was K. nicht
deutlich erkannt hat, für das vorliegende Problem. Aber
K.s Unterfuchung enthält doch Momente, die dies andeuten
, dadurch freilich zugleich die von K. gebotene
Gliederung auflöfen.

Tübingen. Scheel.

Storr, Rayner: Concordance to the latin original of the four
books known as De Imitatione Christi, given to the world
a. d. 1441 by Thomas ä Kempis. Compiled with füll
contextual quotations. London, H. Frowde M. DCCCC.
X. (XVI, 599 p.) gr. 8° s. 10.6

Diefe Konkordanz foll nicht etwa nur zur Wiederauffindung
von Stellen dienen, deren man fich nur noch
dunkel erinnert. Nach der Meinung des Verfaffers follte
vielmehr zu jedem großen dichterifchen Meifterwerke
eine Konkordanz angefertigt werden; dann erft fei ein
wirklich eindringendes Studium möglich. ,By means of a
Concordance the Autor becomes his own Interpreter and
cominentator, his oivngrammar and lexicon, wiiile the cha-
racter and extent of his vocabulary can be realized at a
glance.' Man wird dem beiftimmen müffen. Aber ob
lieh auch in anderen Fällen foviel Mönchsfleiß und zähe
Akribie auf Seiten eines Gelehrten, foviel Idealismus auf
Seiten eines Verlegers zufammenfinden werden? Und
fchließlich fleht man doch vor der Frage: Entfpricht
der erzielte Gewinn auch nur entfernt der aufgewandten
Mühe? Wieviel Käufer wird das Werk finden? Wieviel
werden es benutzen in dem Sinne, in dem der Veriaffer
es erhofft? Hat die Imitatio wirklich die Bedeutung in
der Weltliteratur, daß die Anfertigung einer Konkordanz
gerechtfertigt erfcheint? Eine folche Hypergründlichkeit
wie in diefem Werke begegnet uns ja freilich bei den
Engländern und Amerikanern gar nicht fo feiten. Ich ver-
weife nur auf den 1. Bd. des Corpus Schwenckfeldianoruin,
der auf 661 großen Quartfeiten 7 Briefe Schwenckfelds
und zu jedem u. a. ein Vocabulary (mit Einfchluß der
kleinften Partikeln) bringt!

Storr hat, da die 1. Auflage von 1874 vergriffen ift,
die 2. Auflage der Ausgabe von Hirfche von 1891 zu
Grunde gelegt, obgleich fie nicht wenige Druckfehler
aufweift; in Tabelle II find diefe zufammengeftellt,
während Tabelle III—V die Abweichungen zwifchen den
beiden Auflagen nach Interpunktion, Verszeilenzählung
und Textkonftitution zur Darftellung bringt. Storr hat
aber auch Hirfches Text mit feiner Vorlage, dem
Brüffeler Thomasautograph, kollationiert — er hat zwar
nicht die Handfchrift felbft, wohl aber die Facümileaus-
gabe von Charles Ruelens (1879) herangezogen — und
wirklich ein paar orthographifche Abweichungen zwifchen
dem Druck und der Handfchrift entdeckt. An 4 Stellen

hat er Hirfches Text ftillfchweigend verbeffert, an einigen
andern aber doch beibehalten, obgleich er ihm irrig fchien.
Auch in der Einteilung nach Büchern, Kapiteln und
Verszeilen ift Storr Hirfche gefolgt. Jedoch (teilt er in
Tabelle I zufammen, wieviel Verszeilen jedes der
114 Kapitel zählt, fodaß man nun ein Zitat der Konkordanz
auch in einer anderen Ausgabe unfehwer finden
kann. Sehr gut ift es, daß Storr jedes Zitat in einem
abgefchloffenen Satze, zu deffen Herftellung nötigenfalls
Worte ausgelaffen oder ergänzt worden find, gibt. Auch
die anderen Grundfätze, die er befolgt, werden allgemeine
Billigung finden: Alle Verbalformen find unter dem
Infinitivus gebracht, alle Subftantiva, Pronomina und
Adjektiva unter dem Nominativus Singularis; die ge-
bräuchlichften Konjunktionen und Präpolitionen find
weggelaffen, auch einige oft vorkommende Adverbia und
Pronomina, fowie die Formen von esse; quuin, quod, ut
ufw. find nur aufgenommen worden, wenn fie in einem
befonderen Sinne vorkommen; bei Wörtern von untergeordneter
Bedeutung wie aliquis, omnis wurden nur
die Stellen nach Buch, Kapitel und Verszeile angegeben,
wo fie vorkommen.

Zwickau i. S. O. Clemen.

Lüttge, Lic. Willy: Die Rechtfertigungslehre Calvins und ihre
Bedeutung für feine Frömmigkeit. Berlin, Reuther
& Reichard 1909. (VI, 109 S.) gr. 8° M. 3 —

Diefe Unterfuchung der Rechtfertigungslehre Calvins
führt nach einer Einleitung, die über bisherige Auffaf-
fungen berichtet, den Stoff in drei Abl'chnitten vor:
1. Rechtf. und Sündenvergebung, 2. Rechtf. und Impu-
tatio. 3. Rechtf. und Glaube. In einem vierten werden
die Ergebniffe zufammengefaßt und einer Gefamtbetrach-
tung der Frömmigkeit und Theologie Calvins eingegliedert
. Durchweg geht L. von der erften Ausgabe der
Inftitutio aus, behandelt die folgenden Ausgaben einheitlich
und zieht weiteres Material — Predigten und
Katechismen nur kurz S. 71—74 —, zumal aus den Kommentaren
, nur ergänzend bei. Es ift nicht immer ganz
leicht, dem Gedankengang L.s zu folgen, da er weder in
den einzelnen der vier Kapitel die nur mit Ziffern bezeichneten
Unterabteilungen mit Überfchriften verfehen,
noch fonft eine genauere Inhaltsüberficht gegeben hat. —
Rechtfertigung = Sündenvergebung ift für Calvin die
summa evangelii oder totius pietatis, die res omnium
maxima. L. weift jeden Verfuch ab, diefe Erklärungen
durch Ableitung aus Lutherifcher Tradition abzufchwächen.
Sie follen die eigene grundlegende Erfahrung Calvins
wiedergeben. Aber nach der allzu kurzen Erörterung
über die Bekehrung Calvins, d. h. die Frage nach deren
inhaltlicher Beftimmtheit — vgl. jetzt Holl, Calvinreden
1909, S. 485 —, ift man doch überrafcht von einer ftar-
ken Hemmung der Eigenart C.s (S. 75, vgl. 82, 84, 102)
durch den übermächtigen Eindruck der Gedanken Luthers
zu hören. Das religiöfe Erlebnis Luthers wird bei Calvin
feine eigentümliche Färbung annehmen. L. findet
diefe darin, daß für Calvin im Rechtfertigungsglauben
zwei Gefichtspunkte (Infi. III, 13: CR. 30, 559: duo esse
in gratuita justificatione observanda), der der Ehre Gottes
und der des Sündentroftes oder der Heilsgewißheit,
gleichmäßig in Betracht kommen. Bei gleichentfchiedener
Betonung beider wird keinem das Übergewicht über den
anderen eingeräumt, fie treten vielmehr in Spannung zu
einander, und die widerfpruchsvolle Stimmung, die daraus
entfpringt, gibt der Frömmigkeit Calvins das Gepräge
. Leider hat es L., von einer kurzen Bemerkung
S. 82 abgefehen, unterlaffen, die beiden Gefichtspunkte
von Calvin aus rückwärts zu verfolgen (zu Butzer S. 83 h
vgl. Holl a. a. O. 5115). Man wird analoge Gedankengänge
fogar bei Melanchthon beobachten können: vgl.
Apol. CA. II, 2, III, 28 u. a.; daß fie bei Luther weit