Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1911 Nr. 23

Spalte:

711-713

Autor/Hrsg.:

Lake, Helen and Kirsopp (Eds.)

Titel/Untertitel:

Codex Sinaiticus Petropolitanus. The New Testament the Epistle of Barnabas and the Shepherd of Hermas preserved in the Imperial Library of St. Petersburg 1911

Rezensent:

Gregory, Caspar René

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

7ii

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 23.

712

KPlISI. Lee hat den Druckfehler H^SI. Dementfprechend ift die Bemerkung
auf S. 8, Z. 6 f. einzufchränken. — S. 19, Z. 2 lies 36, 13 für
36, 10. — In fyrifchen Drucken follten die Sejäme nicht einmal in
Fällen wie S. 62, Z. 18 und S. 76, Z. 9, gefchweige denn in Fällen
wie S. 77, Z. 4 ausgelaufen werden.

Berlin. Diettrich.

Codex Sinaiticus Petropolitanus. The New Testament the
Epistle of Barnabas and the Shepherd of Hermas pre-
served in the Imperial Library of St. Petersburg now
reproduced in facsimile from photographs by Helen
and Kirsopp Lake,with adescription and introduction
to the history of the codex by Kirsopp Lake. Oxford
, Clarendon Press, 1911. (XXIV [oder XXVIII] S.
m. 2 Bl. Nachbildgn.) gr. Fol. Vollftändig £ 8.8;

geb. £ 9.9; £ 10.10; £ 12.12

Nachdem der Codex Alexandrinus und dann auch
der Codex Vaticanus Jahre lang in photographifcher
Wiedergabe in den Händen der gelehrten Welt waren,
fehnte man fich danach, auch den Codex Sinaiticus in
diefer genannten Form zu haben. Die Verzögerung der
Vornahme einer folchen Ausgabe einer fo wichtigen
Handfchrift erklärt fich aus der Güte der Tifchendorf-
fchen Ausgabe. Bis zu der freien Anwendung des
phototypifchen Druckes war keine Handfchrift in fo
glänzender und fo genauer Weife herausgegeben worden.
Trotzdem wollte man doch die Arbeit, die peinliche
Arbeit des nie verfagenden Lichts haben. Profeffor
Kirsopp Lake, ein Engländer, der feit einigen Jahren an
der TJniverfität Leiden lehrt, hat nunmehr in dankenswerter
Weife eine photographifche Ausgabe des Neuen
Teftaments aus dem Codex Sinaiticus geliefert. Die Negativen
hat er gemeinfam mit feiner Frau im Jahre 1908
aufgenommen und der Band ift am 30. Juni 1911 er-
fchienen. Selbftverftändlich kann ein folches Buch nicht
als Rezenfions-Exemplar verteilt werden, fo daß ich bis
jetzt nur obengenannte Blätter gefehen habe, die mein
Kollege Lake mir freundlich gefchickt hat.

Das fchlichte Vorwort von vierundzwanzig Zeilen
bringt den Dank des Herausgebers denen, die ihm geholfen
haben. Die Form Bifchoff für den Namen des
liebenswürdigen Handfchriften-Vorftehers Bytfchkoff in
Petersburg klingt fonderbar, und mein alter Freund
Papadopulos Kerameus erfcheint als Papadopoulo Ke-
rameus. Vielleicht fchreibt er feinen Namen jetzt in
Rußland auf diefe Weife. In den Ankündigungen der
Ausgabe wurde gefagt, daß Papadopulos Kerameus die
verfchiedenen Bände bearbeiten würde, doch wußte er
im Jahre 1910, als ich ihn befuchte, nichts davon, daß
das von ihm erwartet wurde. Er hatte nichts davon
gehört.

Zwei Seiten befchreiben die Entdeckung der Handfchrift
. Hier wird von Tifchendorf gefagt: ,He ascertained
that the rest of the MS. was in existence'. Die Sache
fteht fo: er fah noch einige Blätter im Jahre 1844, wußte
aber nicht, wie viele es waren, und überhaupt nicht, daß
das Neue Teftament dabei war, wie Lake felbft, S. Via,
Z. 6, zeigt. Daher muß ,the rest of the MS.' mit einer
gewiffen Einfchränkung aufgefaßt werden. In der erften
Anmerkung zu der zweiten Spalte auf S. 5 — der erften
der zwei Seiten der Befchreibung — wird gefagt, daß
Porfiri Uspenski nachher Erzbifchof vom Sinai war. Ich
begreife nicht, wie diefe Verwirrung hat eintreten können.
Porfiri war einmal einer der drei fogenannten Vikar-
Hifchöfe in Kiew. Den Sinai hat er wie andere Menfchen
befucht. Der Schluß von S. V und der Anfang von
S. VI, in bezug auf Tifchendorfs diplomatifche Weife, die
Handfchrift herauszufinden, ftimmt nicht genau. Es ift
wahr, daß er von der Septuaginta und allem Möglichen
fonft geredet hat, und zwar umfonft. Der Verwalter des
Klofter hat ihm, foweit ich mich erinnern kann, die
Handfchrift nicht ,gebracht', um ihm zu zeigen, daß die

I Mönche auch eine Septuaginta-Handfchrift hatten. Tifchendorf
hatte die Sache völlig aufgegeben, die Kamele
waren für den nächften Tag früh beftellt, und der Verwalter
, der Beamte in jenem Klofter, der befonders mit
Fremden verkehrt, lud Tifchendorf ein, in feinem Zimmer
zu fitzen. Der Hauptzweck dabei war gewiß, etwas von
der Welt draußen zu hören. Während fie dort faßen,
fiel dem Verwalter die auf dem Brett liegende Handfchrift
ein, und er zeigte fie Tifchendorf. Dies fcheint
der fchlichte Vorgang zu fein.

Auch der nächfte Abfatz ift nicht ganz genau gefaßt.
Ich will auf Einzelheiten nicht weiter eingehen, fondern nur
bemerken, daß der Schluß diefes Abfatzes lauten follte:
Die Mönche übergaben die Handfchrift Tifchendorf mit
der Erlaubnis (um nicht zu fagen: dem Auftrag), fie zu
veröffentlichen und fie dem ruffifchen Kaifer im Namen
des Klofters zu übergeben. Dies erledigt den nächften
Abfatz, deffen Schluß von einer ,Erlaubnis', die Handfchrift
nach Petersburg zu tragen, redet. Es war, meine
ich, ein Auftrag.

Die folgenden Abfätze fchließen in fich oder drücken
aus eine Auffaffung, die nur wenig von der richtigen entfernt
zu fein fcheint, die aber doch forgfältig abgelehnt
werden muß. Auf S. Via, 4 Zeilen von unten, wird erzählt
, daß der ruffifche Kaifer die gefchenkte Handfchrift
annahm, und S. VIb fagt, daß, fobald die Handfchrift
nicht mehr zum Zweck der Herftellung der Ausgabe
nötig war, fie dem Kaifer endgiltig überreicht und in
die kaiferliche Bibliothek gebracht wurde. Dann wird
berichtet, daß inzwifchen die Mönche nichts erhalten
hatten, und daß fie am 15. Juli 1869 m einem Brief an
Tifchendorf andeuteten, es fei die Zeit nahe, zu der die
Mönche naturgemäß eine paffende Anerkennung erwarten
dürften. Diefer letzte Satz ift Journaliftifch gedreht' und
trifft nicht das richtige. Die Mönche hatten fchon lange
darüber verhandelt. Sie fagten in jenem Brief, daß die
Gegengabe noch nicht angelangt war. Es war alfo nicht
der Fall, daß die Mönche erft nach zehn Jahren fo kühn
waren, an eine Gegengabe zu erinnern, auch nicht, daß
die ruffifche Regierung erft nach zehn Jakren und erft
auf eine Mahnung von feiten des Klofters dazu gekommen
war, zu erkennen, daß eine Gegengabe am Platze
war. Das ift das eine.

Dazu kommt dann der Umftand, daß jene ganze
1 Zeitfolge nicht ftimmt. Der ruffifche Kaifer und die
ruffifchen Minifter wußten vom erften Augenblick an,
daß eine Gegengabe felbftverftändlich war. Aus diefem
Grund .gefchah es denn, daß die Handfchrift gar nicht,
wie angegeben ift, in die kaiferliche Bibliothek gebracht
wurde, ehe die Zufchrift vom 15. Juli 1869 an Tifchendorf
gelangte. In vollkommen richtig diplomatifcher
Weife wurde die Gabe als noch nicht angenommen, die
Schenkung als non avenue erachtet, bis nach Empfang
der Quittungen über die Gegengabe (die Quittungen vom
18. November 1869). Bis zu dem Zeitpunkt war die Handfchrift
nicht ein Teil der kaiferlichen Bibliothek, bis dahin
wurde fie als ein fremdes, noch einzuhandelndes Gut betrachtet
, und blieb in den Händen des Auswärtigen Amts.
Jeder wird einfehen, daß diefe anfcheinend geringe Ver-
fchiedenheit doch von großer Tragweite ift für die Beurteilung
der Vorgänge bei der Erwerbung diefer Handfchrift
.

Zu der ganzen Angelegenheit ift noch zu bemerken,
1 daß der gegenwärtige Abt des Klofters, Porfirios, der
j den Titel Erzbifchof hat, von einem Brief Tifchendorfs
j redet, der die obige Auffaffung unmöglich machen foll.

Der Abt Porfirios hat in Kairo oder auch in Paris Photo-
! graphen zur Verfügung. Wenn er einen folchen Brief
1 hat, braucht er ihn nur photographieren, felbftverftänd-
' lieh vollftändig photographieren zu laffen und ihn zu
j veröffentlichen. Ich habe im Winter 1905—1906 meine
• Kamera ihm perfönlich angeboten, aber ohne Erfolg.

Lake bietet dann, S. VII—XV, eine außerordentlich