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Ausgabe:

1911 Nr. 22

Spalte:

698-699

Autor/Hrsg.:

Ostermai, Oskar

Titel/Untertitel:

Biblisches Lesebuch 1911

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 22.

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dann noch die Predigt? Die göttliche Vollmacht des
Priefters wird in allen Tönen gepriefen, —■ wie foll der
Priefter heiligen Eifer gewinnen, auf ein Feld fich zu begeben
, auf dem feine priefterliche Würde nichts, auf dem
die Bezeugung des Geiftes und der Kraft alles gilt? Das
Tridentinum (Seff. 23 c. 1) fpricht ein Anathema wider
den aus, qui dixerit, eos, qui non praedicant, prorsus
non esse sacerdotes; zum vollen Priefteramte gehört alfo
die Predigt nicht. Gleichwohl foll gepredigt werden, aber
was? Die Kuratgeiftlichen follen befonders an Sonn- und
Feiertagen die Zeremonien und das Geheimnis des hl.
Meßopfers erklären (Seff. 22 c. 8; 24 c. 7); dazu bedürfen
fie allerdings weder Geift noch Kraft, und dem Volke
wird das Geheimnis doch nicht erklärt. Freilich nimmt
das römifche Prieftertum die potestas docendi in An-
fpruch; aber diefe gehört zur potestas iurisdictionis, fie
ift potestas obligandi ad fidem, cuius virtus efficit, ut
id ratum habeamus, quod a Deo traditum esse sanctis-
simae matris auctoritas comprobarit (Cat. Rom.). Dies
alles bedeutet eine Hinderung der Hörfreudigkeit des
Volkes wie der Predigtfreudigkeit des Priefters. Nehmen
wir weiter die Provenienz der Mehrzahl der römifchen
Priefter hinzu, ihre Herkunft aus dem rückftändigften
Teile des Volkes, ferner den klerikalen Bildungsgang, die
Abgefchloffenheit von aller freien Teilnahme an dem
Reichtum befonders der klaffifchen Literatur und der
Gefchichtswiffenfchaft, fo wird die Pflege der Predigt vollends
als etwas Fremdartiges erfcheinen, das nur hervorragender
Begabung und nur bei befonderen Gelegenheiten
(Miffions- und Faftenpredigten u. dgl.) Herzensfache
fein kann.

Auch auf die Predigt in der evangelifchen Kirche
kommt der Verf. zu fprechen. Ich erkenne gern den
unbefangenen Ton an, nicht nur, wo er von der Überlegenheit
der evangelifchen Predigt redet, nicht weniger
auch da, wo er die gleichen Mängel und Schäden, welche
die römifche Predigt drücken, an der evangelifchen Predigt
rügt. Daß er auch die ,traurige' Reformationszeit erwähnt
und den Schein nicht ganz vermeidet, als fei das
berüchtigte mittelalterliche Predigtwerk Dormi secure
ein Produkt der Reformation, ift zu überfehen, ebenfo
die karikierte Schilderung des rationaliftifchen Predigt-
wefens, die falfche Angabe, in der evangelifchen Kirche
würden nicht nur Schillerpredigten, fondern auch Zara-
thuftrapredigten (?!) gehalten 11. a. m.

Die Ökonomie des Buches ift nicht ganz einwandfrei.
Auf den erften Teil ,Zur Frage. Die Berechtigung der
Frage' (1—34), folgt der zweite Teil, der ,die Predigt
und ihre Aufgabe' behandelt (35—r94). während der
dritte Teil: ,der homiletifche Betrieb' fich über den ho-
miletifchen Unterricht, die Priefterfeminare ufw. verbreitet.
Eine Menge Dinge kommen in allen drei Teilen zur
Sprache, fo daß es an Hörenden Wiederholungen nicht
fehlt. Gleichwohl ftehen wir nicht an, Stingeders Werk
für eine tüchtige Leiftung zu erklären, die, nahezu eine
vollftändige Homiletik, wohl geeignet ift, in den Kreifen
des römifchen Klerus fegensreich zu wirken. Ein ausführliches
Regifter befchließt das Werk.

Marburg. E. Chr. A che Iis.

Balles, Dr. Richard: Das Recht der Schulauflicht in den

wichtigeren deutfchen Staaten (Preußen, Bayern,
Sachfen, Württemberg, Baden, Heffen, Oldenburg,
Meiningen u. Elfaß-Lothringen). (71 S.) 8°. Würzburg
, E. Mönnich 1911. M. 1.80
Gerade in der Gegenwart, wo die Fragen, ob der
Religionsunterricht auch weiterhin im Lehrplane der
Schule zu erhalten oder zu ftreichen ift, und ob der etwa
auch künftig zu erteilende Religionsunterricht, wie meift
bisher, Sache der ftaatlichen Organe zu bleiben hat oder
Organen der Kirche zu übertragen ift, muß das Erfcheinen
der vorliegenden Schrift als etwas erfreuliches bezeichnet
werden. Der Verfaffer orientiert nämlich durch
fie in zweckmäßiger Weife über das Schulauffichtsrecht
in den auf dem Titelblatte genannten größeren Staaten
Deutfchlands und gibt zugleich in den beiden letzten Ab-
fchnitten feiner Arbeit S. 50—69 einen Uberblick über
,die Beauffichtigung des Religionsunterrichtes' und über
,die Rechtsftellung der geiftlichen Schulauffichtsbeamten'.
Das dermalen geltende Recht differiert in den verfchie-
denen deutfchen Landen fehr erheblich voneinander. In
Baden z. B. fleht der Kirche das Recht der Überwachung
und Beforgung des Religionsunterrichtes in genau durch
das Gefetz vom Jahre 1892 vorgefchriebenen Grenzen zu;
in Bayern und Württemberg liegt diefer Unterricht zum
großen Teile in den Händen der Geiftlichen, und der
Kirche ift deffen Leitung gefetzlich zugefichert. In Preußen
hat die durch die Verfaffung der Kirche in Ausficht
geftellte Leitung des religiöfen Unterrichtes in der Volks-
ichule bis auf den heutigen Tag noch keine Gefetzeskraft
erlangt. Die Leitung liegt hier vielmehr ausfchließlich in
den Händen des Unterrichtsminifteriums, deffen Anordnungen
fich die kirchlichen Organe zu fügen haben.
Daß bei der Ausübung des der oberften Unterrichtsverwaltung
zuftehenden Rechtes eine gewiffe Rückficht
auf die Wünfche der Kirchenbehörden genommen wird,
ift nicht in Abrede zu ftellen. Der Ev. Oberkirchenrat
in Berlin konnte deswegen den ihm unterftellten Geiftlichen
entfprechende generelle Anweifung zur Leitung
des Religionsunterrichtes erteilen. Ähnliche Inftruktionen
find auch feitens des Konfiftoriums in Hannover je für
beftimmte Geiftliche einiger Stadtgemeinden erfolgt. (Das
Vorhandenfein folcher Erlaffe wird von Balles nicht erwähnt
.) Ob man deswegen von einem kirchlichen ,Mit-
auffichtsrechte' über den Religionsunterricht in Preußen
fprechen kann, wie S. 55 u. 58 gefchieht, ift doch mehr
als zweifelhaft. In Sachfen-Meiningen endlich hat das
Volksfchulgefetz von 1908 die kirchliche Aufficht des
Religionsunterrichtes völlig befeitigt S. 59. Das ift gewiß
befremdend. Die Gerechtigkeit erfordert aber, daran
zu erinnern, daß Art. 72 diefes Gefetzes beftimmt: .Predigt
- und Pfarramtskandidaten, fowie Geiftliche können
als Religionslehrer, auch ohne daß fie einen befonderen
Nachweis ihrer Befähigung dazu beigebracht haben, an
Volksfchulen befchäftigt werden', und daß Art. 16 des
Gefetzes lautet: ,Will eine im Herzogtume anerkannte
Religionsgemeinde für ihre Kinder neben der allgemeinen
Ortsfchule eine eigene Volksfchule unterhalten, fo ift ihr
dies unbenommen, fie hat es aber auf eigene Korten zu
tun'. In folchen Fällen treten in Schulangelegenheiten an
die Stelle der Gemeindebehörden allenthalben die Vor-
ftände der Religionsgemeinden, denen dann felbftver-
ftändlich auch die Anftellung der Lehrer zufteht. Ich
füge diefe Beftimmungen ergänzend zu dem vorliegenden
Referate von Balles hinzu, weil ich in ihnen die gefetz-
lichen Anfänge einer befriedigenden Beantwortung der
Fragen erblicke, welche im Eingange diefer Anzeige erwähnt
wurden.

Göttingen. K. Knoke.

Oftermai, Bürgerfch.-Oberlehr. Oskar, Sem.-Oberlehr. Dr.
Hermann Tögel, u. Pfr. Lic. Artur Neuberg: BiblÜches

Lefebuch. (Mit6färb.Karten.) 8°. Leipzig, J. Klinkhardt
1911. Ausgabe A mit Bilderfchmuck und Buchaus-
ftattung von Heinrich Phieler (258 u. 161 S.) geb.M. 2—;
A. T. allein, geb. M. 1.25; N. T. allein, geb. M. 1 —;
Ausgabe B ohne Bilderfchmuck (244 u. 145 S.) geb.
M. 1.80; A. T. allein, geb. M. 1.20; N. T. allein geb. M. — 90
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