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Ausgabe:

1911 Nr. 22

Spalte:

696-697

Autor/Hrsg.:

Stingeder, Franz

Titel/Untertitel:

Wo steht unsere heutige Predigt? 2. Aufl 1911

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 22.

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Fleifch werden. Perfon fei ,die lebendige Indifferenz der Stingeder, Franz: Wo fteht unfere heutige Predigt? Eine
Polarität des Unendlichen' (107); daher Perfonifikation homilet. Zeitfrage. 2. Auflage. (VII, 236 S.) gr. 8"
das Myfterium, wodurch Unendlichkeit über fichfelber [ Linz a. D PreßVerein 1911. M. 3-

fiegt, indem es alles Differential integriert (92). So will j 7

Fr. ,das Leben, ja den Leib verewigen'. Der Titel: ,Wie fteht es um unfere heutige Predigt?'

In diefer Anfchauung liegt fraglos eine Wahrheit, j würde verftändlicher und dem Inhalt des Buches ange-
Fr. fcheint hier auf N.s Individualismus den vedantiftifchen | meffener fein. Denn es handelt fich um eine kritifche

Darftellung der Predigt in der römifchen Kirche der
Gegenwart. In der Natur feiner Schrift, fagt der Verf.
im Vorwort, fei es begründet, daß die homiletifchen
Autoritäten oft und lang zu Worte kommen. ,Vor allem
erfcheint der hochwürdigfte Bifchof Dr. Paul Wilhelm
von Keppler als Kronzeuge, weil fein homiletifcher
Primat in Deutfchland unbeftritten ift, und feine kriti-

Egotheismus zu pfropfen, um jenen zu ergänzen (11. 132).
Nur vereinigt fich damit nicht der materialiftifche Ein-
fchlag, wodurch die Priorität des Geiftes in ihr Gegenteil
umgewertet wird (139); wonach felbft die Vernunft ,ein
Stück Fleifch' fein foll (120). Es gebe keine Vernunft
als die der Sinne; freilich auch keine Sinne, als des Unendlichen
für fich felber (127). Aber gerade der Schlüffel

des Unendlichen, womit das geheimnisvolle Schloß der j fchen Revuen ein homiletifches Kapital bilden, ohne
Welt aufgetan werden foll, erfcheint mir höchftens für j deffen Verwertung man nicht an unfere Frage heraneinen
Abgeht verwendbar. Auch Fr. hebt den Riegel 1 treten kann'. Das ift viel gefagt, aber nicht zu viel

nicht. Überhaupt ift mir fein Grundbegriff des Unendlichen
eine abftrakte Fiktion, die fich, aus dem Reiche
mathematifchen Denkens, nicht auf die Gründe der Wirklichkeit
, übertragen läßt.

Er teilt die fchiefe Auffaffung N.s vom Chriftentum
(.18. 36) und N.s ethifche Übertreibungen (19.23. 33.45. 52).
Übrigens enthält das Buch im einzelnen vieles Wahre,
das er auf N.s Wegen fand.

Wernigerode. P. Schwartzkopff.

Trchackert, Prof. D. Dr. Paul: Kurzgefaßter Studiengang

für Theologen. (57 S.) 8°. Göttingen, Vandenhoeck &

Ruprecht 1911. M. 1_ I Weg zur Gefundung zu zeigen. Es ift in hohem Grade

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Seit manchen Jahrzehnten hat Bifchof von Keppler be-
fonders in der ,Literarifchen Rundfchau' (Freiburg i. B.)
Kritiken über Predigtwerke und gleich wertvolle homi-
letifche Abhandlungen veröffentlicht; die Zitate feiner
Ausführungen nehmen etwa die Hälfte des vorliegenden
Werkes ein. Ich kann das nicht erwähnen, ohne meine
aufrichtige Hochachtung vor den Leiftungen Kepplers
zum Ausdruck zu bringen. Mit rücksichtlofer, aber
rein fachlicher Schärfe geht er mit den befprochenen
Predigtwerken ins Gericht; fchonungslos deckt er die
tiefen Schäden des römifchen Predigtwefens auf und
weiß durch pofitive Ratfchläge und Vorfchriften den

, erfreulich, daß fo hervorragende Männer in diefer Weife
,An ausgezeichneten und ausführlichen Enzyklopädien , ihre Kraft und auch ;hre perfönliche Ehre ohne Ermüden
der Theologie ift kein Mangel Allein die Erfahrung ; dafur einfetzen, die priefterliche Predigt zu heben und
lehrt, daß der Anfänger als Wegweifer im Studium nicht } jhre hohe Bedeutung für das religiöfe Leben des katholi-
dicke Bücher benutzt, einfach, weder über d er Lektüre fol- | fchen Volkes ins Licht zu ftellen. In einem kurzen Referat
ift es unmöglich, dem Verfaffer in alle Einzelheiten
der aufgewiefenen Schäden oder auch der pofitiven Weifungen
zu folgen; er fchreibt auch nicht in ftrenger Ordnung
und verliert fich nicht feiten ins Unendliche. Nur
die Hauptfachen feien erwähnt. Als vor allem verderblich
werden die Mafien minderwertiger Predigtfammlungen
und die homiletifchen Zeitfchriften genannt, — auch wir
haben ja darunter zu feufzen. Der Verfluchung, fie zum
Pfühl der Trägheit zu mißbrauchen, werden nur wenige
Priefter Widerftand leiften. Es kommt hinzu die Mangelhaftigkeit
der homiletifchen Vorbildung, der Mangel an
lebendiger Fühlung mit dem Kirchenvolk und an Ver-
ftändnis für deffen religiöfe Bedürfniffe, die Herrfchaft
der Phrafe und törichter Übertreibungen, der überreiche
Gebrauch abgeftandener Illuftrationen ufw. Als
pofitive Erforderniffe wird das Bibelftudium in erfter
Linie empfohlen, in formeller Beziehung die Verwendung
der fchlichten ,Homilie', vor allem aber das Einsfein des
Predigers mit feiner Predigt im Gegenfatz zu aller eitlen
Schönrednerei. Ich hebe dies um fo lieber hervor, als es,
freilich einfam, aus der Maffe der faft ausfchließlich formellen
und technifchen Anweifungen auf den nicht erwähnten
Hauptmangel in der Predigtmifere hinweift, daß
es nämlich an dem lebendig machenden Geilte fehlt, an
jener apoftolifchen Nötigung: ,Wir können es ja nicht
laffen, daß wir nicht reden Tollten, was wir gefehen und
gehört haben'. Daß gerade diefer Punkt in dem Buche fehr
zu kurz kommt, bemerke ich mit Bedauern. Aber auch,
wenn jener Hauptmangel erkannt und nach Gebühr hervorgehoben
wäre, würde ich doch den Zweifel nicht
unterdrücken, ob es jemals in der römifchen Kirche trotz
aller rühmenswerten Anftrengungen zu einer Blüte der
Kultuspredigt kommen werde. Prieftertum und Propheten-
tum find eben ftets widereinander. Die römifche Kirche
ift nicht eine Kirche des prophetifchen Wortes, fondern der
Sakramente im priefterlichen Kultus. Die Erleidung der
Sakramente, infonderheit in der Meffe, genügt vollkommen
zur Erwerbung ewigen Heiles, was foll dem Volke

eher formalen Einführungen zu erlahmen pflegt; und in den
mittleren und höheren Semeftern braucht er Enyklopädie
meift überhaupt nicht mehr; denn da weiß er fich in der
Theologie fchon felbft zurecht zu finden oder bei erfahrenen
Freunden Rat zu holen. Aber ein kurzer Wegweifer
kann dem Anfänger gute Dienfte leiften. Diefem
Zwecke dient der vorliegende Studiengang.'

Man wird vielleicht urteilen, daß der Verf. dem Gros
der Studenten, die über einer etwas längeren oder
fchwierigeren Lektüre leicht ,erlahmen', zu bereitwillig
entgegengekommen ift. Allein, wenn auch ein inneres
und zufammenhängendes Verftändnis des Gefamtorganis-
mus der theologifchen Wiffenfchaften auf dem vom Verf.
eingefchlagenen Wege kaum zu erreichen ift, fo wird man
anerkennen müffen, daß Werke wie Schleiermachers Kurze
Darfteilung des theologifchen Studiums oder auch P.
Wernles Einführung in das theologifche Studium nicht in
erfter Linie für Anfänger geeignet find.

Daß T.s ,Studiengang' zur Orientierung diefer Anfänger
Dienfte leiften wird, darf gewiß erwartet werden. Zur
Weckung des Intereffes, zur Vertiefung und Stärkung des
Bewußtfeins von dem Wert und der Schwierigkeit des
theologifchen Studiums wird er fchwerlich beitragen.
Tfchackert hat vor allem Heinricis .meifterhafte Leiftung'
benutzt. Abfichtlich hat er auf Literaturangaben verzichtet
, indem er mit Recht annimmt, daß der Anfänger
mit einem Verzeichnis der Literatur für alle Zweige der
Theologie nichts anzufangen weiß. Einzelne Hinweife
auf befonders wichtige, zumal auf bahnbrechende Werke
hätten indeffen doch gegeben werden können; auch in
diefer Hinficht war Heinricis ,Glanzleiftung' nachahmenswert
, an welcher T. befonders die ,vorzügliche Auswahl
der Literatur' rühmt. Allerdings verfichert er, daß Schleiermachers
,Kurze Darftellung' ihre bleibende Bedeutung
,nicht bloß der Virtuofität ihres Verfaffers, fondern auch
dem Umftande zu verdanken hat, daß fie vom Ballaft
der Literatur frei gehalten ift'.

Straßburg i. E. _ P. Lobftein.